Hartmann blickt nach Polen
Heidenheimer Medizinproduktespezialist verlagert Produktion teilweise ins Ausland
- Der Medizinartikelhersteller Paul Hartmann plant, die Produktion für Wundmanagement am Stammsitz in Heidenheim zu schließen und nach Polen zu verlagern. Zum Wundmanagement gehört unter anderem die Herstellung von Verbandsmaterial und Pflastern. Nach Angaben des Unternehmens wären von der Schließung rund 120 Arbeitsplätze betroffen. Arbeitnehmervertreter haben eine Beratungsgesellschaft eingeschaltet, die Alternativen prüfen soll.
Als Grund für die Schließung nennt die Paul Hartmann AG einen steigenden Kostendruck im Gesundheitswesen und den Verlust von Marktanteilen. „Im Segment Wundmanagement wirken sich die hohen Produktionskosten negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus“, teilt eine Sprecherin des Unternehmens der „Schwäbischen Zeitung“schriftlich mit. Die Verlagerung würde deutliche Kostenvorteile ermöglichen. Die Herstellung erster Produkte in Polen ist für das zweite Quartal 2022 geplant.
Ralf Willeck, Geschäftsführer der IG Metall in Heidenheim, stört vor allem, dass das Unternehmen für die Verlagerung „reine Kostengründe“anführt. Dabei sei das Wundmanagement nach wie vor profitabel und die Geschäftsentwicklung des Unternehmens gut. Im vergangenen Jahr hat es Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert.
Diese Entwicklung führt die Unternehmenssprecherin auf Sondereffekte der Pandemie zurück. Vor allem im Bereich Infektionsmanagement stieg die Nachfrage. Das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hartmann
insgesamt seit Jahren eine rückläufige Profitabilität aufweise – der Gewinnanteil am Umsatz sinke. Bis dato erzielte Verbesserungen der Produktionskosten im Wundmanagement reichten nicht mehr aus, um den veränderten Marktanforderungen gerecht zu werden. „Weitere Verbesserungen der Produktionskosten sind unumgänglich“, sagt die Sprecherin.
Ralf Willeck berichtet, dass auf Empfehlung der Gewerkschaft eine Beratergesellschaft eingesetzt wurde. Sie soll prüfen, ob es doch einen Weg gibt, die Kosten am jetzigen Standort zu senken und die Produktivität zu steigern. Sollte das nicht funktionieren, so hofft Willeck, dass sich zumindest betriebsbedingte Kündigungen vermeiden lassen. Die schließt Hartmann zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus.
Spätestens Ende Oktober will die Paul Hartmann AG die Verhandlungen
mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft abschließen. Bis dahin sollen mögliche Alternativen geprüft werden, teilte eine Unternehmenssprecherin am Montag mit. Eingebunden in die Analyse sei auch die von den Arbeitnehmervertretern beauftragte Unternehmensberatung. Ergebnisse sollen Anfang September vorliegen. Basierend darauf soll dann ein Austausch und der Eintritt in Verhandlungen erfolgen.
Die Stimmung der betroffenen Mitarbeiter beschreibt Ralf Willeck als geschockt und enttäuscht. Ende Juni hatten nach Angaben der IG Metall rund 250 Mitarbeitende vor dem Firmensitz gegen den geplanten Abbau von Arbeitsplätzen protestiert. An den Unternehmensstandorten in Heidenheim und Herbrechtingen arbeiten insgesamt knapp 2 200 Menschen, weltweit zählt Hartmann rund 10 600 Beschäftigte.