Materialknappheit sorgt für „katastrophale Engpässe“
Lieferzeit für eine Spülmaschine? Zurzeit bis zu 30 Wochen – Inzwischen sind sogar Existenzen bedroht
- Wer zurzeit mitten im Hausbau steckt oder die Handwerker anderweitig braucht, hat’s schwer. Doch auch Letztere kämpfen mit der derzeitigen Situation. Das Material für vielerlei Arbeiten wird immer knapper. Lieferengpässe entstehen oder Projekte müssen komplett eingestellt werden. Der Frust wächst, die Lage spitzt sich zu.
Vor allem Holz als Baumaterial ist immer wieder in den Schlagzeilen. Doch auch andere Branchen wurden schwer von den Engpässen getroffen – oder werden es noch. Zu den Vergessenen zählen beispielsweise Sanitär-, Heizung- und Klimabetriebe.
„Die Auftragsbücher sind voll, wir wissen gar nicht, wohin mit der Arbeit. Allerdings droht uns demnächst die Kurzarbeit. Wir bekommen keine Ersatzteile mehr für die Wartung.“Der Satz eines regionalen Heizungsinstallateurs lässt aufhorchen. Wohl dem, der viel Lagerkapazität besitzt. Und frühzeitig reagiert hat.
Wie es ein anderer, ein alteingesessener Heizungs- und Sanitärbetrieb im Ostalbkreis getan hat. „Wir haben uns gut eingedeckt im Vorfeld und das Lager im Frühjahr gefüllt.“Vor allem, als ein riesiges Containerschiff im Suezkanal feststeckte und die gesamte Handelsroute blockierte. Es ist März dieses Jahres. „Das hat die Situation noch befeuert“, erzählt der Mitarbeiter. Seinen Namen oder den des Betriebs möchte er nicht preisgeben. Wegen der Konkurrenz, wie er sagt.
So können Betriebe mit gewisser Lagerkapazität von ihren Vorräten leben. Dennoch klemmt es ab und an. „Wenn wir einen Heizkessel bestellen, scheitert es an Zuliefererteilen“, erzählt der Mann. Dann kann sich die Lieferzeit von zwei bis vier auf zwölf bis 18 Wochen verlängern. Dass aber gar nichts mehr ankomme, habe es bisher nicht gegeben. „Wir sind nicht so massiv betroffen wie andere Branchen.“
Wie das Bauhauptgewerbe. Maurer und Betonbauer, Zimmerer,
Dachdecker, Gerüst- und Straßenbauer. „Aber auch das Ausbaugewerbe“, antwortet die Handwerkskammer Ulm, die auch für den Ostalbkreis zuständig ist, auf Nachfrage. Derzeitige Lieferzeit für eine Spülmaschine? Bis zu 30 Wochen. Materialknappheit in nahezu allen Bereichen. Und die Aussichten sind nicht allzu rosig.
„Die Lage spitzt sich gerade für viele Handwerksbetriebe zu. Die Holzpreise sind in den vergangenen Monaten um rund 50 Prozent gestiegen“, so die Handwerkskammer. „Der Stahlpreis um bis zu 90 Prozent.“Doch wie kam es dazu? „Produzierende Betriebe haben ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, da sie dachten, die Nachfrage geht zurück“, sagt Giuseppe Palmieri von
sagt Giuseppe Palmieri von der Handwerkskammer Ulm.
der Handwerkskammer Ulm im Gespräch mit Blick auf die Corona-Krise. „Das war eine Fehleinschätzung“, fügt er an. Die Handwerksbetriebe sind abhängig, „unschuldig in Zeiten von Globalisierung“, sagt Palmieri.
„Corona-Stopps“in der Stahlproduktion in Italien beispielsweise erhöhten schnell die Nachfrage – insbesondere aus China. Dort, aber auch in den USA, können beinahe alle Preise bezahlt werden, schätzt die Handwerkskammer. Anders sehe es beim Handwerksbetrieb auf der Schwäbischen Alb aus. „Manche sprechen von einer künstlich herbeigeführten und durch Kurzarbeit subventionierten Preiserhöhung.“Diese habe es laut Palmierei schon immer gegeben. Aber: „Nicht in diesem Ausmaß.“
Die Folgen sind nicht unerheblich. Es entstehen Schäden sowohl bei den Betrieben als auch bei den Kunden. „Wer kein Material zur Verarbeitung
hat, der hat auch keine Arbeit für die Beschäftigten.“Die Situation sei also für den ein oder anderen Betrieb bereits jetzt existenzbedrohend.
Bei der IHK Ostwürttemberg spricht man bereits von „teils katastrophalen Engpässen in der Versorgung“. Eine Drosselung der Produktion trotz voller Auftragsbücher sei eine der Folgen. „Diese Situation zeigt eindrücklich, an welchem Nadelöhr sich die Ströme der Lieferketten befinden“, so eine Sprecherin.
Doch wie künftig dagegenwirken? Regionale Strukturen stärken, heimische Produktionen für heimische Aufträge nutzen. „Das würde helfen“, sagt Palmieri. Zudem sei die Politik bei der Finanzierung gefordert. Zusatzkosten bei öffentlichen Auftragsvergaben müssen übernommen werden. Damit von Zulieferern abhängige Betriebe nicht bei Engpässen direkt ins Straucheln geraten.
„Bei uns ist glücklicherweise noch der Großhandel dazwischen. Das macht einiges aus“, heißt es vonseiten des Sanitärbetriebs aus der Region. Wird ein Teil des Materials knapp, sei dieser Betrieb zumindest in der Lage, andere Aufträge mit vorliegenden Teilen abzuarbeiten. Wann sich der Markt für alle anderen erholt, traut sich bislang keiner vorherzusagen.
„Die Lage spitzt sich gerade für viele Handwerksbetriebe zu“,