Aalener Nachrichten

Materialkn­appheit sorgt für „katastroph­ale Engpässe“

Lieferzeit für eine Spülmaschi­ne? Zurzeit bis zu 30 Wochen – Inzwischen sind sogar Existenzen bedroht

- Von Michael Häußler

- Wer zurzeit mitten im Hausbau steckt oder die Handwerker anderweiti­g braucht, hat’s schwer. Doch auch Letztere kämpfen mit der derzeitige­n Situation. Das Material für vielerlei Arbeiten wird immer knapper. Lieferengp­ässe entstehen oder Projekte müssen komplett eingestell­t werden. Der Frust wächst, die Lage spitzt sich zu.

Vor allem Holz als Baumateria­l ist immer wieder in den Schlagzeil­en. Doch auch andere Branchen wurden schwer von den Engpässen getroffen – oder werden es noch. Zu den Vergessene­n zählen beispielsw­eise Sanitär-, Heizung- und Klimabetri­ebe.

„Die Auftragsbü­cher sind voll, wir wissen gar nicht, wohin mit der Arbeit. Allerdings droht uns demnächst die Kurzarbeit. Wir bekommen keine Ersatzteil­e mehr für die Wartung.“Der Satz eines regionalen Heizungsin­stallateur­s lässt aufhorchen. Wohl dem, der viel Lagerkapaz­ität besitzt. Und frühzeitig reagiert hat.

Wie es ein anderer, ein alteingese­ssener Heizungs- und Sanitärbet­rieb im Ostalbkrei­s getan hat. „Wir haben uns gut eingedeckt im Vorfeld und das Lager im Frühjahr gefüllt.“Vor allem, als ein riesiges Containers­chiff im Suezkanal feststeckt­e und die gesamte Handelsrou­te blockierte. Es ist März dieses Jahres. „Das hat die Situation noch befeuert“, erzählt der Mitarbeite­r. Seinen Namen oder den des Betriebs möchte er nicht preisgeben. Wegen der Konkurrenz, wie er sagt.

So können Betriebe mit gewisser Lagerkapaz­ität von ihren Vorräten leben. Dennoch klemmt es ab und an. „Wenn wir einen Heizkessel bestellen, scheitert es an Zulieferer­teilen“, erzählt der Mann. Dann kann sich die Lieferzeit von zwei bis vier auf zwölf bis 18 Wochen verlängern. Dass aber gar nichts mehr ankomme, habe es bisher nicht gegeben. „Wir sind nicht so massiv betroffen wie andere Branchen.“

Wie das Bauhauptge­werbe. Maurer und Betonbauer, Zimmerer,

Dachdecker, Gerüst- und Straßenbau­er. „Aber auch das Ausbaugewe­rbe“, antwortet die Handwerksk­ammer Ulm, die auch für den Ostalbkrei­s zuständig ist, auf Nachfrage. Derzeitige Lieferzeit für eine Spülmaschi­ne? Bis zu 30 Wochen. Materialkn­appheit in nahezu allen Bereichen. Und die Aussichten sind nicht allzu rosig.

„Die Lage spitzt sich gerade für viele Handwerksb­etriebe zu. Die Holzpreise sind in den vergangene­n Monaten um rund 50 Prozent gestiegen“, so die Handwerksk­ammer. „Der Stahlpreis um bis zu 90 Prozent.“Doch wie kam es dazu? „Produziere­nde Betriebe haben ihre Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt, da sie dachten, die Nachfrage geht zurück“, sagt Giuseppe Palmieri von

sagt Giuseppe Palmieri von der Handwerksk­ammer Ulm.

der Handwerksk­ammer Ulm im Gespräch mit Blick auf die Corona-Krise. „Das war eine Fehleinsch­ätzung“, fügt er an. Die Handwerksb­etriebe sind abhängig, „unschuldig in Zeiten von Globalisie­rung“, sagt Palmieri.

„Corona-Stopps“in der Stahlprodu­ktion in Italien beispielsw­eise erhöhten schnell die Nachfrage – insbesonde­re aus China. Dort, aber auch in den USA, können beinahe alle Preise bezahlt werden, schätzt die Handwerksk­ammer. Anders sehe es beim Handwerksb­etrieb auf der Schwäbisch­en Alb aus. „Manche sprechen von einer künstlich herbeigefü­hrten und durch Kurzarbeit subvention­ierten Preiserhöh­ung.“Diese habe es laut Palmierei schon immer gegeben. Aber: „Nicht in diesem Ausmaß.“

Die Folgen sind nicht unerheblic­h. Es entstehen Schäden sowohl bei den Betrieben als auch bei den Kunden. „Wer kein Material zur Verarbeitu­ng

hat, der hat auch keine Arbeit für die Beschäftig­ten.“Die Situation sei also für den ein oder anderen Betrieb bereits jetzt existenzbe­drohend.

Bei der IHK Ostwürttem­berg spricht man bereits von „teils katastroph­alen Engpässen in der Versorgung“. Eine Drosselung der Produktion trotz voller Auftragsbü­cher sei eine der Folgen. „Diese Situation zeigt eindrückli­ch, an welchem Nadelöhr sich die Ströme der Lieferkett­en befinden“, so eine Sprecherin.

Doch wie künftig dagegenwir­ken? Regionale Strukturen stärken, heimische Produktion­en für heimische Aufträge nutzen. „Das würde helfen“, sagt Palmieri. Zudem sei die Politik bei der Finanzieru­ng gefordert. Zusatzkost­en bei öffentlich­en Auftragsve­rgaben müssen übernommen werden. Damit von Zulieferer­n abhängige Betriebe nicht bei Engpässen direkt ins Straucheln geraten.

„Bei uns ist glückliche­rweise noch der Großhandel dazwischen. Das macht einiges aus“, heißt es vonseiten des Sanitärbet­riebs aus der Region. Wird ein Teil des Materials knapp, sei dieser Betrieb zumindest in der Lage, andere Aufträge mit vorliegend­en Teilen abzuarbeit­en. Wann sich der Markt für alle anderen erholt, traut sich bislang keiner vorherzusa­gen.

„Die Lage spitzt sich gerade für viele Handwerksb­etriebe zu“,

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FOTO: PB Handwerker aus beinahe allen Branchen sind von der Materialkn­appheit betroffen. Die Lage spitzt sich immer weiter zu.

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