Cyberangriffe zur Bundestagswahl
Sicherheitsbehörden vor der Bundestagswahl in Alarmbereitschaft
BERLIN (AFP) - Die Sicherheitsbehörden des Bundes stellen sich auf zunehmende Cyberattacken zur Bundestagswahl ein. Zu den möglichen Angriffsformen gehören Cyberstalking, Beschimpfungen im Netz sowie Stör- und Sabotageaktionen, sagte der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, in Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht die größere Gefahr in Angriffen aus dem Inland.
- Haben Hacker, ausländische Mächte oder Extremisten die Bundestagswahl im Visier? Sicherheitsbehörden haben in der Vergangenheit immer wieder davor gewarnt. Am Mittwoch informierte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) über den neuesten Stand zur Vorbereitung der Wahlen, den man in etwa so zusammenfassen könnte: Gefahrenlage hoch, Wahl sicher.
So teilte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang mit, dass sein Inlandsgeheimdienst seit Februar eine Cyberangriffswelle auf Mitglieder des Bundestags sowie der Landesparlamente beobachte, von der eine „niedrige dreistellige Zahl“von Abgeordneten betroffen sei. Die Angreifer versuchten, über gefälschte E-Mails Daten zu stehlen, die sie dann bei einer bestimmten Gelegenheit gegen den Betroffenen einsetzen wollen, wie etwa jüngst in Polen geschehen, wo private Informationen veröffentlicht wurden. „Nach bisheriger Erkenntnislage ist ein nachrichtendienstlicher Hintergrund wahrscheinlich“, so Haldenwang. Im Verdacht steht die russische Hackergruppe „Ghostwriter“, hinter der Cybersicherheitsexperten den russischen Militärgeheimdienst GRU vermuten.
Seehofer warnte allerdings davor, nur aufs Ausland zu schauen. So gebe es zwar viel Aufmerksamkeit für „mögliche Einflussnahmen von Moskau und China“, die Intensität sei jedoch niedrig. Den russischen Staatssender RT empfinde er etwa nicht als Bedrohung: „Das ist Propaganda, das kann jeder durchschauen.“„Viel, viel mehr“beschäftige ihn, „was bei uns im Lande stattfindet“.
So bereitet seinem Verfassungsschützer Haldenwang außer der Gewaltbereitschaft links wie rechts vor allem die Zunahme extremistischer Propaganda vor den Wahlen Sorgen. Nicht nur hätte die Corona-Verschwörungsszene einen Nährboden für Desinformation und Manipulation geschaffen. Vor allem rechtsextreme Propaganda gedeihe prächtig. „Das Netz quillt über von Hassbotschaften, die antimuslimisch, antisemitisch, fremdenfeindlich und demokratieablehnend sind“, sagte er. Haldenwang empfiehlt deswegen, sich umfassend zu informieren, nicht nur in der eigenen „Blase“im Internet oder den sozialen Medien.
Ein übliches Narrativ etwa, das in der rechten bis rechtsextremen Szene verbreitet wird, ist eine Manipulation der Bundestagswahl durch die Briefwahl. Bundeswahlleiter Georg Thiel kann hier Entwarnung geben: Briefwahlstimmen würden genauso ausgezählt wie vor Ort abgegebene Stimmzettel. Seit Einführung der Briefwahl 1957 habe es außerdem keine Manipulationen gegeben, die das Ergebnis der Wahl hätten beeinflussen können. Und der Wahlvorgang an sich sei ohnehin manipulationssicher: Anders als in den USA gebe es keinen hackeranfälligen Wahlautomaten, die Stimmen würden allesamt per Hand ausgezählt.
Das allerdings, schränkte Arne Schönbohm ein, gelte nur für alle Vorgänge rund um die Wahlurne. „Die Prozesse davor und danach sind natürlich verknüpft mit der Informationstechnik“, so der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Als Cybersicherheitsbehörde des Bundes nehme man hier mögliche Angriffsszenarien wahr.
Konkrete Angriffspunkte könnten, außer den bereits oben genannten Gefahren, die Erfassung der Wahlbewerber, der Abruf der Melderegisterdaten und die Übermittlung der Ergebnisse sein. Da habe man überall Vorkehrungen getroffen. „Ich glaube, da sind wir sehr sicher“, so Schönbohm.
Dennoch äußerte er sich besorgt über die Zunahme von Schadprogrammen, sogenannter Malware wie etwa Erpressungstrojaner, mit denen etwa fremde Mailkonten ausspioniert, angegriffen oder ganze Computersysteme lahmgelegt werden können. Jeden Tag gebe es Hunderttausende neuer Programme, weswegen die Fälle spektakulärer Cyberattacken stetig zunähmen. Dass es sich dabei um mehr als eine theoretische Gefahr handelt, zeigten etwa die jüngsten Vorfälle im Landkreis Bitterfeld in Sachsen-Anhalt, so Schönbohm. Dort haben Hacker die Verwaltung angegriffen, die ihr System daraufhin vom Netz nehmen musste. Der Katastrophenfall wurde ausgerufen, Sozialleistungen konnten nicht ausgezahlt werden.
Schönbohms Behörde habe den Parteien und Kandidaten aufgrund der „komplexen Bedrohungslage“in den zurückliegenden Monaten viele Hilfsangebote gemacht. „Und jetzt bitte ich alle Entscheiderinnen und Entscheider, diese auch zu nutzen“.