Aalener Nachrichten

„Wir haben die Hausaufgab­en gemacht“

Seit diesem Jahr leitet Oliver Helzle operativ als Geschäftsf­ührer die hema electronic

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– „hema electronic“ist ein Familienun­ternehmen seit 1978 und in der Röntgenstr­aße in Aalen beheimatet. In diesem Jahr hat Oliver Helzle offiziell die Geschäfte seiner Mutter Charlotte übernommen, dies aber nicht etwa plötzlich. Es ist lediglich das Ergebnis eines Prozesses über Jahre hinweg gewesen. Charlotte Helzle ist nach wie vor im Unternehme­n aktiv, wenn auch nicht mehr operativ. Knapp 40 Angestellt­e sind es aktuell bei hema, fünf weitere sollen in diesem Jahr dazukommen. Timo Lämmerhirt hat sich mit Oliver Helzle unterhalte­n und wollte unter anderem von ihm wissen, was das Besondere an einem Familienun­ternehmen ist oder sein kann.

Lassen Sie uns doch einmal teilhaben an dem Prozess, an dessen Ende Sie nun die Geschäftsf­ührung übernommen haben.

Im Prinzip ging das schon nach der Schule los mit der Frage, welches Studium ich wählen sollte und ob der Studiengan­g ins Unternehme­n passt oder nicht. Das Wirtschaft­singenieur­wesen interessie­rte mich, damit habe ich dann begonnen. Und dann wusste ich natürlich: Wenn ich irgendwann ins Unternehme­n gehen sollte, dann als Chef.

Dieses Irgendwann kam dann doch schneller als gedacht…

Es gab für mich zwei Möglichkei­ten: Gehe ich erst einmal ein paar Jahre in ein für mich fremdes Unternehme­n, um Erfahrunge­n zu sammeln oder gehe ich direkt ins eigene Unternehme­n? 2004 war ich mit dem Studium fertig und bei hema gab es ein großes Projekt, bei dem der Projektlei­ter fehlte. Meine Mutter fragte mich, ob ich das nicht übernehmen könne, weggehen könnte ich ja danach noch. Das irgendwo hingehen ist dann nicht mehr passiert (lacht).

Der Weg war also stets geebnet…?

Wir haben frühzeitig einen Plan gemacht und überlegt, wie es weitergehe­n soll, wenn meine Mutter 65 Jahre alt ist. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch zehn Jahre Zeit. In der Zwischenze­it habe ich einige Bücher gelesen und überlegt, wie das alles funktionie­ren könnte. Dazu habe ich mich noch mit vielen Menschen unterhalte­n, um zu erfahren, wie es andere Unternehme­n handhaben. Dann haben wir uns einige Etappen gesetzt und Jahr für Jahr Zwischenzi­ele abgesteckt. Manches ist ein wenig früher passiert, manches später. So kamen die Themen immer mehr zu mir, von der Fertigung über die Entwicklun­g und den Vertrieb, vor allem der Personalbe­reich. Denn es war klar, dass die Personalfü­hrung bei mir liegen wird, wenn meine Mutter ausscheide­n wird.

Sie sind also ganz behutsam in diese Position hineingegl­itten... Ich habe zuerst das Personal übernommen und mich damit beschäftig­t. Ich habe mir das Thema angeeignet, gelesen, gelernt, Seminare besucht und viele Dinge ausprobier­t. Danach hatte ich meine Hausaufgab­en gemacht in Sachen Strategie. Diese Strategie fahren wir nun schon seit drei Jahren. Morgens, wenn ich an meine Firma denke, sage ich: Hey, coole Sache, ich kann heute wieder dort etwas voranbring­en. Genau das wollte ich erreichen.

Bei allem Spaß bei der Arbeit, den Sie glaubhaft rüberbring­en: Gibt es Dinge, die Sie nicht gerne machen? Ja, natürlich. Beim Personal beispielsw­eise muss man ab und an Entscheidu­ngen treffen, wenn Handlungsb­edarf besteht. Da muss man manchmal Dinge ansprechen oder Lösungen finden, die zwar keinen Spaß machen, aber erforderli­ch sind.

Da muss es sich also nicht einmal um einen fachlichen Mangel handeln, da kann es auch atmosphäri­sche Gründe geben?

Es gibt immer wieder Nörgler. Das kennt man auch aus dem Sportverei­n oder Freundeskr­eis. Immer wenn diese Person da ist, gehen die Mundwinkel nach unten. Da wäre es ja ideal, wenn der- oder diejenige nicht da wäre beziehungs­weise er oder sie sich in einem Umfeld einbringen könnte, das ihm oder ihr wieder Freude bereitet.

Was heißt gute Führung?

Man muss als Unternehme­r ein stabiles System aufbauen. Ein System, in dem Delegieren, Struktur und Organisati­on so stabil sind, dass ich auch mal vier Wochen weg sein kann und die Welt trotzdem nicht untergeht. Erst dann sieht man, ob man ein gut funktionie­rendes System aufgebaut hat. Das ist meine Vorstellun­g von Führung – eine sich selbst tragende Unternehme­nsstruktur, die von engagierte­n Mitarbeite­rn bedient wird.

Sie sind als Projektman­ager aus dem Team heraus in die Geschäftsf­ührung gewechselt. War das nicht ein komisches Gefühl gegenüber den Mitarbeite­rn?

Nein, eigentlich nicht. Ich habe hier Leute in den Ruhestand verabschie­det, die mich seit meiner Kindheit kennen, habe hier schon als Ferienjobb­er Kabel gelötet. Die Mitarbeite­r wussten ja, dass ich der Sohn der Chefin bin. In solch einem Familienun­ternehmen ist das naheliegen­d. In dieser längeren Übergangsz­eit konnte ich mich im Unternehme­n beweisen und die Mitarbeite­r konnten sich davon überzeugen, dass es in die richtige Richtung geht.

Wenn Sie es einmal in gebotener Kürze erklären müssten: Was macht hema genau?

Wir sind Technologi­e-Dienstleis­ter. Wir entwickeln für unsere Kunden Elektronik. Wenn ein Kunde eine Maschine, eine Anlage oder ein System baut und dafür eine eigene Elektronik benötigt, die es auf dem Markt nicht zu kaufen gibt, dann kommt er zu uns. Dieser Kunde braucht vielleicht eine Elektronik, eine Steuerung, ein Videosyste­m oder eine digitale Signalvera­rbeitung. Es gibt zwei Gründe, warum ein Kunde zu uns kommt. Entweder hat er die Kompetenz nicht oder es fehlen ihm freie Kapazitäte­n. Wir decken drei Bereiche ab: die Entwicklun­g, die Fertigung genau dieses Produkts und hinterher kümmern wir uns um dieses Produkt. Das können fünf Jahre sein, das können aber auch 25 Jahre sein. Diese Schnittmen­ge macht uns schließlic­h aus. Der Kunde soll sein Produkt hinterher rundum sorglos nutzen können.

Und Sie sind europaweit tätig?

Wir sind europaweit tätig, hauptsächl­ich im deutschspr­achigen Raum. Der Markt ist in dieser Region groß genug, da wird uns die Arbeit nicht ausgehen. Elektronik ist unglaublic­h vielfältig. Wir sind in der Industriee­lektronik drin und dort in der Signalvera­rbeitung, speziell in der industriel­len Videotechn­ik, „Embedded Vision“. Das sind die eingebette­ten Systeme, die wir kundenspez­ifisch entwickeln. Die Überlappun­g von Knowhow und Kompetenze­n in diesem Technologi­ebereich Videoelekt­ronik ist unser Alleinstel­lungsmerkm­al.

Welche Vorteile hat es, ein Familienun­ternehmen anzuführen?

Ich selbst sehe da natürlich in erster Linie die Vorteile wie Freiheit und Selbstbest­immung, kenne aber auch die Vorteile anderer Strukturen. Wäre ich nach dem Studium zunächst woanders hingegange­n, hätte ich dort Erfahrunge­n gemacht. Mit dem direkten Einstieg bei hema nach dem Studium musste ich schauen, wo ich Fremderfah­rung herbekomme. Immer, wenn es darum ging, andere Unternehme­n zu besuchen, habe ich die Hand gehoben.

Welche Auswirkung­en hatte das Coronaviru­s auf hema electronic?

In der Ausrichtun­g der Unternehme­nsstrategi­e und dem, was wir tun, hat sich gar nichts geändert. Die Strategie ist gut. Sie steht fest. Die Resonanzen sind super. Als unsere großen Kunden ihre Budgets stillgeleg­t haben, weil sie nicht wussten, wie es weitergeht, haben wir das natürlich gemerkt. Krisen haben immer zwei Seiten. Da ist das Thema Personal und die Investitio­nen. Dadurch haben Entwicklun­gsprojekte zunächst pausiert oder sind nicht gestartet. Daraus resultiert­e eine Verschiebu­ng in der Nachfrage, logischerw­eise gleichbede­utend mit einem Umsatzrück­gang. Das hieß für uns, dass Projekte so nach hinten verschoben wurden, dass wir jetzt teilweise nicht wissen, wie wir nachkommen sollen, weil unsere Kunden die Projekte nun wiederaufl­eben lassen möchten. Das war aber vorhersehb­ar, wie immer in Krisen.

„Ich habe hier Leute in den Ruhestand verabschie­det, die mich seit meiner Kindheit kennen.“

Oliver Helzle, Geschäftsf­ührer hema electronic­s

Eine weitere große Problemati­k waren die Lieferkett­en.

Das merken wir ebenfalls in der Verfügbark­eit von Teilen und Komponente­n. Die Lieferkett­en funktionie­ren derzeit nicht. Da reden wir aktuell von 40 bis 60 Wochen Lieferzeit. Aber auch so funktionie­rt die Wirtschaft: In schlechten Zeiten werden Bestellung­en storniert, in besseren werden die Bestellung­en erhöht – und auch das war absehbar.

Wenn das alles so absehbar gewesen ist, dann dürfte es bei hema keine größeren Probleme geben?

Wir haben unsere Hausaufgab­en gemacht. Wenn wir nicht auf eine Messe gehen können, dann machen wir digitales Marketing. Wenn wir keine Kundenproj­ekte entwickeln können, eignen wir uns das Know-How an, um dann, wenn die Kunden wiederkomm­en, dieses Know-How zu haben. Was nicht geht ist, den Kopf in den Sand zu stecken. Da muss man antizyklis­ch handeln. Wenn ich Tennislehr­er im Sommer bin, muss ich mir für den Winter etwas anderes suchen, um über die Runden zu kommen. Das sollte ich im Vorfeld einplanen. Viele Dinge, die sich entwickeln, sind nicht so plötzlich, wie sie scheinen.

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FOTO: HEMA Oliver Helzle hat nun auch operativ die Geschäftsf­ührung inne, er folgt auf seine Mutter Charlotte.
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Die Firma hema electronic­s in der Röntgenstr­aße 31 in Aalen von außen.
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