Hundert Sichtweisen von Heimat
Villa Bosch in Radolfzell zeigt Forschungsergebnisse der Universität Konstanz in Bildern, Videos und Podcasts
(epd) - Der Name ist Programm: „Patchwork Heimat“heißt eine Ausstellung über Zugehörigkeit und Beheimatung, die jetzt in Radolfzell gezeigt wird. 27 Projektarbeiten von Studierenden der Uni Konstanz liegen der Ausstellung zugrunde, die im Rahmen der BadenWürttembergischen Heimattage bis zum 10. Oktober zu sehen ist.
Zu Wort kommen Einheimische und Zugezogene, Weg- und wieder Zurückgezogene sowie Menschen, die mehrere Heimaten haben. Und dann sind da noch diejenigen, die ihre Heimat verlassen mussten und noch keine neue gefunden haben. „Wie wird Heimat gemacht?“, war denn auch die zentrale Frage, die Universitätsdozentin Maria Lidola ihren Studierenden
stellte. „Man kann sich Heimat schaffen. Aber man kann auch für andere Heimat schaffen“, erläutert sie: „In der Art, wie ich die Heimat verstehe und mache, kann ich andere Menschen ausgrenzen – oder auch einbeziehen.“
Eine lohnende Aufgabenstellung für die Studierenden der Fachgruppe Soziologie und Ethnologie unter Leitung von Lidola und Filmemacherin Teresa Renn. Über drei Semester liefen die Arbeiten. Nicht ganz einfach war es, unter Corona-Bedingungen Kontakte zu knüpfen und aufzubauen. Doch letztlich ist es gelungen, die Vielfalt der gewünschten Gesprächspartner zu erreichen. Heimat sei nichts Statisches, sondern kann sich im Lauf des Lebens ändern – und sie ist weniger ein Ort als eher ein Gefühl, so fanden die Forschenden heraus.
Die unterschiedlichen Sichtweisen auf Heimat werden in Fotos, Videos und Audio-Podcasts präsentiert. Besucher werden gebeten, sich eigene Kopfhörer mitzubringen. Schon im Empfangsraum der Villa können sie im wahrsten Sinne des Wortes eintauchen: Unter drei große Lampenschirme mit 360-Grad-Welten können sie den Erzählungen lauschen und ihren eigenen Assoziationen nachsinnen. Die Villa selbst, lange Jahrzehnte Wohnsitz der Apothekerfamilie Bosch, wurde mit aufgeputzten und unisono weiß gestrichenen Gebrauchtmöbeln eingerichtet. Rechts vom Empfang lädt das „Esszimmer“ ein, am zentralen runden Tisch kann sich jeder sein „Heimat-Menü“zusammenstellen. Im Obergeschoss warten ein Kinder- und ein Jugendzimmer, in denen ergründet wird, inwiefern das Internet heute eine neue Heimat darstellt. Im Wohnzimmer lässt sich ausruhen, Filme sehen und Musik hören, im Schlafzimmer können Besucher ihren Alpträumen auf den Grund gehen oder Exilliteratur studieren. Der breite Balkon Richtung See wird ebenfalls bespielt: mit einem Film, der vom Leben eines Wohnungslosen erzählt.