Testpflicht für Reiserückkehrer naht
Grüne Kanzlerkandidatin Baerbock unterstützt Pläne des Bundes – Termin noch offen
Im Südwesten und in Bayern haben die Schulferien gerade erst begonnen, doch viele Bundesbürger kommen bereits aus den Ferien zurück. Deswegen sollen Corona-Tests auf breiter Front zur Pflicht werden – mit Ausnahmen für Geimpfte und Genesene. Dies wollen sowohl Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch Innenminister Horst Seehofer (CSU).
Vonseiten der Grünen gibt es Zustimmung. „Man sollte nicht den Fehler machen, der im letzten Sommer begangen wurde, nachdem alle Reiserückkehrer hier waren, zu überlegen wie wir nun eigentlich mit einem besseren Schutz umgehen. Deswegen ist es absolut notwendig, dass Reiserückkehrer ab sofort vernünftig getestet werden, die nicht bereits eine zweifache Schutzimpfung haben“, sagte Annalena Baerbock bei einem Wahlkampftermin am Mittwoch in Allmendingen im Alb-Donau-Kreis, den sie mit Südwest-Ministerpräsident
Winfried Kretschmann bestritt. Man habe gesehen, dass Reiserückkehrer Infektionen auch in Kitas und Schulen hereingebracht hätten. „Eine Testpflicht ist daher absolut notwendig“, erklärte die Grünen-Kanzlerkandidatin.
In Stuttgart meldete sich BadenWürttembergs Innenminister Thomas Strobl zu Wort. „Es ist wirklich niemandem geholfen, wenn Reiserückkehrer das Virus tausendfach in unser Land tragen“, sagte der CDUPolitiker. „Deshalb gilt auch hier: testen, testen, testen.“Er habe schon vor Wochen vor den Reiserückkehrern aus Party-Hotspots gewarnt. „Ich bin tief besorgt, wie bitter sich dieser Leichtsinn rächen wird. Reisen ja – doch so ultimativ über die Stränge zu schlagen: Es fehlt mir jedes Verständnis“, erklärte Strobl. Zudem teilte sein Ministerium mit, dass die Landespolizei die Corona-Verordnung – auch im Grenzgebiet – flächendeckend kontrollieren wird.
Über den Termin, ab wann Reiserückkehrer verpflichtend getestet werden sollen, wird noch gestritten.
- Die Idee war bereits auf dem Markt: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass er eine Ausweitung der CoronaTestpflicht für Urlaubsrückkehrer für sinnvoll hält. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drückt nun aber aufs Tempo. Der Bund habe zugesichert, bis zum 1. August alles zu probieren, um eine einheitliche Testpflicht einzuführen, die für Flugreisen, in der Bahn und im Auto gilt, sagte Söder in der ARD. Am Mittwoch hieß es dazu in Berlin, es gebe einen „laufenden Abstimmungsprozess“. Einen Starttermin ließ die stellvertretende Sprecherin Ulrike Demmer aber noch offen. Die „Schwäbische Zeitung“hat beim Bund sowie in Baden-Württemberg und Bayern nachgefragt, wie die geplante Testpflicht für Reiserückkehrer konkret umgesetzt werden soll.
Ist das Vorhaben politisch unumstritten?
Unterm Strich sind sich Union und SPD einig: Die Testpflicht für alle Reiserückkehrer ist sinnvoll und notwendig. Nachdem sich bereits CDUund CSU-Politiker dafür ausgesprochen hatten, sagte auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, es sei sinnvoll, sich davor zu schützen, „dass die große Welle über Deutschland wieder hereinschwappt“. Am Tag zuvor hatte SPD-Justizministerin Christine Lambrecht noch Zweifel geäußert, ob das Vorhaben verhältnismäßig sei. Es gebe dazu „konstruktive Gespräche“heißt es inzwischen aus dem Justizministerium. Abgelehnt wird die geplante Vorschrift von der AfD. Dies wäre eine „unverhältnismäßig Belastung der Reisenden, der Grenzbehörden und der Tourismuswirtschaft“, sagte die Spitzenkandidatin Alice Weidel am Mittwoch laut Deutscher Presse-Agentur.
Wie kommt der Vorschlag in Baden-Württemberg an?
„Testen, testen, testen“– das sei auch seine Forderung, teilte Innenminister Thomas Strobl am Mittwoch mit. Bereits vor Wochen habe er vor Reiserückkehrern „aus den Party-Hotspots dieser Welt – zu Wasser, zu Lande und aus der Luft gewarnt“. Die Erfolge der vergangenen Wochen und Monate in der Pandemiebekämpfung dürften nicht verspielt werden, sagte Strobl der „Schwäbischen Zeitung“. „Es ist wirklich niemandem geholfen, wenn Reiserückkehrer das Virus tausendfach in unser Land tragen und die vierte Welle verstärken.“
Werden Geimpfte und Genesene von der neuen Testpflicht ausgenommen?
Hundertprozentig klar ist eine Antwort auf diese Frage bislang nicht, aber es deutet vieles darauf hin, dass für zweifach Geimpfte und Genesene die Testpflicht nicht gelten soll. In dem ARD-Interview sagte Söder zunächst, die Regel sei einfach, weil sie für alle Einreisende gelten solle. Allerdings sprach er später davon, dass es für zweimal Geimpfte und Genesene keine Quarantäne- und Testpflichten mehr geben könne, da sie ein Recht auf die Rückgabe ihrer Freiheitsrechte hätten. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte in der „Bild“-Zeitung von Ausnahmen für Geimpfte und Genesene gesprochen.
Warum soll die allgemeine Testpflicht jetzt früher kommen als zuvor geplant?
Im Norden der Republik gehen die Sommerferien demnächst zu Ende – in Berlin etwa bereits in der kommenden Woche. Ursprünglich war als Stichtag für die neue Regelung wohl der 11. September im Gespräch. „Das wäre ein Witz gewesen“, sagte Söder. Selbst in den späten Ferienländern Bayern und Baden-Württemberg dürften die Urlauber zu diesem Zeitpunkt bereits wieder zu Hause sein.
Wer soll es überwachen, ob sich Reisende an die allgemeine Testpflicht halten werden?
Bei Flug- und Bahnreisenden ist es einfach zu prüfen, ob sie einen negativen Test haben. Der Knackpunkt sind die Urlauber, die mit ihrem eigenen Auto oder Wohnmobil unterwegs sind. Laut Seehofer und Söder soll die Testpflicht nicht an stationären Kontrollpunkten direkt an der Grenze überprüft werden – „das wolle keiner und mache keiner“, so Söder –, sondern stichprobenartig als Schleierfahndung im Grenzgebiet. Die Bayerische Grenzpolizei werde die Bundespolizei „selbstverständlich“dabei unterstützen, teilte das bayerische Innenministerium mit. „Dafür steht auch genug Personal zur Verfügung“, sagte ein Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“.
Sieht sich die Polizei für die zusätzliche Aufgabe gerüstet? „Wenn das so beschlossen wird, wäre das für uns als Bundespolizei eine prekäre Situation, die allein personell nicht leistbar ist“, teilte Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Bundespolizei, mit. Für diese Art des Grenzschutzes sei die Bundespolizei „nicht mal ansatzweise ausgelegt“. Deutschland habe 3800 Kilometer Landesgrenzen, die sich nicht flächendeckend kontrollieren ließen. Grenzkontrollen sind in Deutschland Aufgabe der Bundespolizei. Für die Überwachung der Corona-Auflagen sind Gesundheitsämter und Landespolizeien zuständig. Die Bundespolizei könne hier nur im Zuge der Amtshilfe tätig werden, so Roßkopf. Die Landespolizeien wiederum dürfen keine Grenzkontrollen machen.
Wie sehr tragen Reiserückkehrer überhaupt zum Infektionsgeschehen in Deutschland bei? Reiserückkehrer spielen laut RobertKoch-Institut zunehmend eine Rolle. In den vergangenen Wochen stieg die Anzahl der Fälle wöchentlich an: Im Zeitraum vom 21. Juni bis zum 18. Juli haben sich 2402 Infizierte vermutlich im Ausland angesteckt. Das waren zirka zehn Prozent aller übermittelten Fälle. Spanien, die Niederlande, Kroatien, Griechenland und die Türkei wurden zuletzt am häufigsten als Infektionsländer genannt.