Rülke setzt auf Laschet
FDP-Fraktionschef sieht CDU-Chef als nächsten Kanzler
STUTTGART (thg) - Trotz der immer schwächer werdenden Umfragewerte für Unionskanzlerkandidat Armin Laschet ist Hans-Ulrich Rülke, der Fraktionsvorsitzende der FDP im baden-württembergischen Landtag, davon überzeugt, dass der CDU-Chef nach der Bundestagswahl die Regierung führen wird. „Armin Laschet wird Kanzler, weil die Union stärkste Partei wird, wenn auch wahrscheinlich mit einem historisch schlechten Ergebnis“, sagt er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die spannende Frage ist, mit wem er zusammen regiert und wer die Agenda prägt.“
Am Nachtragshaushalt des neuen Südwest-Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne) lässt Rülke derweil kein gutes Haar. Bayaz bunkere Verschuldungsrechte mit dem Ziel, den Haushalt 2022 so zu frisieren als sei er schuldenfrei. Der Finanzminister lasse sich „einen Blankoscheck ausstellen“.
STUTTGART - Eigentlich wollte Hans-Ulrich Rülke gerne Superminister werden. Der Fraktionsvorsitzende der FDP im baden-württembergischen Landtag träumte von einem Ministerium, das die Ressorts Wirtschaft, Energie, Verkehr und Infrastruktur vereint. Doch nach der Landtagswahl kam es anders, Rülke und die FDP sitzen weiter in der Opposition. Woran die Grün geführte Ampel in Baden-Württemberg gescheitert ist und warum es im Bund zu einer solchen Koalition aus seiner Sicht besser nicht kommen sollte, erklärt er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Sie hätten in Baden-Württemberg gerne mitregiert. Wenn Herr Kretschmann nicht wäre, würden Sie dann heute als Minister hier sitzen?
Vermutlich. Die Entscheidung gegen die Ampelkoalition war erkennbar eine einsame Entscheidung des Ministerpräsidenten. Wenn er nicht mit seinem Amtsverzicht gedroht hätte, wie es mir inzwischen zugetragen wurde, wäre sicherlich eine andere Entscheidung gefallen.
Verhandler aus den Sondierungsgesprächen berichten, dass Sie sich maximal kompromissbereit gezeigt hätten und im Falle einer Regierungsbeteiligung etwa auch eine Solardachpflicht mitgetragen hätten. Sind das alles Lügen? Richtig ist, dass wir bei den Sondierungen flexibel waren. Wir haben keine unüberwindbaren Hürden aufgebaut. Aber wir hatten immer das Ziel, einen Koalitionsvertrag auszuhandeln, der Inhalte der FDP beinhaltet. Wäre es zu einer Ampel gekommen, hätten wir uns sicher nicht so entleibt, wie es die CDU getan hat.
Was wäre dann heute anders? Was hätte die FDP verhindert oder auch schon durchgesetzt?
Wir hätten mit Sicherheit Akzente bei der Entbürokratisierung gesetzt. Für uns wäre es wichtig gewesen, dass die Landesverwaltung schneller wird und dass man zum Beispiel Unternehmen rein digital gründen kann. Wir hätten auch auf eine Absenkung der Grunderwerbsteuer gedrängt. Wir hätten sicher die LkwMaut und das Antidiskriminierungsgesetz für die Polizei und den öffentlichen Dienst nicht mitgetragen. Wir hätten übrigens auch nicht den Anspruch gehabt, dass jeder unserer Abgeordneten Staatssekretär wird.
Seit Wochen gibt es Kritik daran, dass Sie im Zusammenhang mit aus der Pension zurückgeholten Staatssekretären im Innenministerium von einer Art „Staatssekretärs-Volkssturm“sprachen. Sie sind zu schlau, um sich nicht der Nazivergangenheit dieses Begriffes bewusst zu sein. Sind Sie diesmal in Ihrer stets scharfen Kritik übers Ziel hinausgeschossen? Diese Begrifflichkeit stammt ursprünglich aus der Zeit der französischen Revolution. Und es ist bei den Staatssekretären nun mal eine Reverhindert krutierung von Massen zu beobachten. Thomas Strobl sagt jetzt, ich würde ständig antisemitische Stereotype benutzen, zum Beispiel auch den des Morgenthau-Plans. Diesen Begriff hat aber zum Beispiel auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Schwarz, im Landtag verwendet. Und vom Volkssturm sprach laut Waiblinger Kreiszeitung auch der Waiblinger CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer. Mir wäre nicht bekannt, dass Herr Strobl hier ein Parteiausschlussverfahren anstrebt. Da werden also wieder einmal unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Der Versuch, mich in die rechte Ecke zu rücken, soll nur davon ablenken, dass die Koalition selbst Dreck am Stecken hat. Vor zwei Wochen wurde schließlich ein AfD-Mann zum Verfassungsrichter gewählt. Die sollen also mal hübsch vor der eigenen Tür kehren.
Statt einer Ampel gibt es in BadenWürttemberg wieder eine grünschwarze Regierung. Wie glaubwürdig ist es, dass sich die CDU jetzt als die Speerspitze des Klimaschutzes präsentiert?
Das ist in keinster Weise glaubwürdig. Die CDU hat fünf Jahre lang die Solardachpflicht auf den Dächern
und die Windräder im Staatswald bekämpft. Jetzt behauptet sie, sie habe diese Dinge schon immer gewollt – nur, um nicht zugeben zu müssen, dass sie umgefallen ist, um irgendwie in der Regierung zu bleiben.
Grün-Schwarz hat viel Prügel einstecken müssen, weil sie eine weitere Kreditermächtigung im Nachtragshaushalt von 1,2 Milliarden Euro verankert hat. Warum ist es denn falsch, sich abzusichern, falls in Sachen Corona doch noch mal was nachkommt?
Natürlich kann eine Katastrophe über das Land hereinbrechen. Dann sieht sowohl die Verfassung als auch die Landeshaushaltsordnung vor, dass man dem Landtag den Kapitalbedarf begründet und vorschlägt, neue Schulden zu machen, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Die Landesregierung macht das anders. Sie bunkert Verschuldungsrechte mit dem Ziel, den Haushalt 2022 so zu frisieren als sei er schuldenfrei. Der Finanzminister lässt sich also einen Blankoscheck ausstellen. Das sind Methoden von Taschenspielern, nicht von verantwortungsvollen Politikern. Deshalb werden wir gegen diese Politik vor dem Verfassungsgerichtshof klagen.
Sind die Schulen für Präsenzunterricht nach den Ferien gerüstet? Frau Schopper will Corona an den Schulen mit Luftfiltern bekämpfen. Mein Eindruck ist aber nicht, dass die flächendeckend kommen. Es gibt auch noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Impfung von Zwölf- bis 17-Jährigen. Wenn die Empfehlung nicht bald kommt, müssen wir davon ausgehen, dass viele Schüler nicht geimpft sein werden. Dann steigen die Inzidenzzahlen nach den Ferien automatisch.
Warten Sie selbst auch für Ihre Kinder auf die Empfehlung der Stiko?
Mein ältester Sohn ist über 18 und hat selbst entschieden, sich impfen zu lassen. Der Zweite ist 17 und hat sich mit dem Einverständnis von mir und meiner Frau impfen lassen. Der Dritte ist jetzt zwölf. Bei ihm warten wir noch. Ich wäre zwar dafür, auch ihn impfen zu lassen, meine Frau will aber warten, bis das Datenmaterial ausreichend ist. Er wird also erst dann geimpft, wenn es die Empfehlung der Stiko gibt.
In wenigen Wochen ist Bundestagswahl. Wird Olaf Scholz im Rennen um das Kanzleramt zwischen Baerbock und Laschet zerrieben oder wird er der lachende Dritte?
Ich glaube, die Frage, wer Bundeskanzler wird, ist längst entschieden – nicht wegen der Umfragewerte der Kandidaten, denn die sind alle bescheiden. Armin Laschet wird Kanzler, weil die Union stärkste Partei wird, wenn auch wahrscheinlich mit einem historisch schlechten Ergebnis. Die spannende Frage ist, mit wem er zusammen regiert und wer die Agenda prägt.
Eine Koalition jenseits von Laschet mit Beteiligung der FDP schließen Sie aus?
Meine Fantasie reicht nicht dafür aus, dass die FDP Frau Baerbock zur Kanzlerin wählt. Es wird darum gehen, wer Finanzminister wird, wenn Laschet Kanzler wird. Ich würde vorschlagen, Herr Habeck schreibt einen Roman und Christian Lindner schwarze Zahlen.
Kann es sich die FDP überhaupt leisten, noch einmal eine Regierungsoption auszuschlagen?
Es geht um die Frage, ob man seine Inhalte in Regierungsverantwortung umsetzen kann. Kann man den Solidaritätszuschlag abschaffen, kann man Steuererhöhungen verhindern oder die Einhaltung der Schuldenbremse garantieren? Kann man eine Klimaschutzpolitik machen, die auch die Arbeitsplätze in der Automobilund Zuliefererindustrie erhält? Das sind entscheidende Fragen, die wir in Regierungsverantwortung bejahen wollen. 2017 hat Angela Merkel alles vom Tisch gewischt, was die FDP wollte. Das kann sich natürlich auch wiederholen. Wir sind aber optimistisch. Wir haben Erfahrung mit Armin Laschet. Er weiß, dass er auch in Teilen FDP-Politik machen muss, wenn er mit uns regiert.