Was bedeutet Nachhaltigkeit?
Hochschulprofessor Holzbaur ist ausgewiesener Experte bei diesem Thema.
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AALEN - Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde und fast jede Partei, viele Städte und auch größere Unternehmen bekennen sich inzwischen zu diesem Prinzip. Was Nachhaltigkeit bedeutet und welche Aktivitäten es in diesem Sinne in Aalen gibt, darüber haben wir mit Professor Ulrich Holzbaur von der Hochschule Aalen gesprochen. Er ist Sprecher des Agendarats in Aalen und ein ausgewiesener Experte beim Thema Nachhaltigkeit.
„Wenn ein Schüler heute noch weiß, was der Lehrer vor einer Woche gesagt hat, dann ist das zwar auch nachhaltig, hat aber nichts mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit zu tun“, betont Holzbaur.
Der Begriff Nachhaltigkeit ist allerdings schon etwa 250 Jahre alt und stammt eigentlich aus der Forstwirtschaft. Ursprünglich bedeutete das norwegische Wort dafür, dass nur so viel Holz im Wald geschlagen werden darf, wie auch nachwachsen kann.
Die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland hat den Begriff schließlich wieder entdeckt und im sogenannten „Brundlandt-Report“der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung 1987 etabliert. „Sustainable Development“, für das sich die deutsche Bezeichnung Nachhaltigkeit durchgesetzt hat, bedeutet politische Zukunftsentscheidungen so zu treffen und das Leben so zu gestalten, dass nachkommende Generationen auch noch ein lebenswertes Leben haben, unterstreicht Professor Holzbaur.
Seiner Meinung nach gibt es auf der politischen Ebene noch großen Handlungsbedarf. So komme der für
2038 geplante Kohleausstieg viel zu spät und auch die Themen Windkraft und Solaranlagen sollten entschlossener vorangetrieben werden. Deutschland müsse bei der Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle spielen und auf andere Länder ausstrahlen.
Doch Holzbaur ist keiner, der die Dinge nur beklagt, sondern er packt an und sorgt wie kaum ein anderer dafür, dass in Aalen Nachhaltigkeit auch gelebt wird.
Eine wesentliche Rolle spielt dabei die 1998 von Holzbaur zusammen mit dem langjährigen Leiter des Grünflächenund Umweltamtes der Stadt Aalen, Rudi Kaufmann und mit dem ehemaligen Volkshochschulleiter Jörg Jeschke gegründete „Lokale Agenda 21 Aalen“, ein Aktionsprogramm für eine umweltverträgliche, nachhaltige Entwicklung. Inzwischen gibt es in Aalen 16 Agendagruppen, die alle unter dem Leitgedanken Nachhaltigkeit agieren. Motor der Agenda-Prozesse ist der Agenda-Rat, dessen Vorsitzender Professor Holzbaur ist. Als wichtiger Impulsgeber sorgt er immer wieder für neue Ideen.
Das oberste Organ der Agenda ist das AgendaParlament, das mit rund 80 Leuten besetzt ist und zwei Mal im Jahr tagt.
Doch das Herzstück sind die einzelnen Projektgruppen. Wenn Holzbaur von deren Aktivitäten erzählt, leuchten seine Augen.
So ist beispielweise der „Grüne Aal“ein Projekt, an dem seit der Gründung 2006 bereits viele Schulen teilgenommen haben. Wer bestimmte Maßnahmen durchführt und eine Umwelterklärung erstellt, bekommt das begehrte Zertifikat. “Es geht darum Nachhaltigkeit schon frühzeitig in den Köpfen der Schüler zu etablieren“, erklärt Holzbaur.
Eine beliebte Gruppe ist auch der Energietisch, der eine Plattform bietet, die Bürger unabhängig und neutral über effiziente Energieeinsparung informiert. Bereits seit 2002 werden die beliebten Infotage Energie durchgeführt.
Stolz ist Holzbaur auch auf die Gruppe „Umweltfreundlich mobil“, die immer wieder insbesondere im Hinblick auf Verbesserungen für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer neue Akzente setzt.
Zu den besonders aktiven Agendagruppen zählen auch „Aalen barrierefrei“, die Kulturküche Aalen und der interkulturelle Garten, der sich insbesondere um die Integration von Menschen mit fremden Wurzeln kümmert.
Ulrich Holzbaur hebt die gute Zusammenarbeit aller Agendagruppen mit der Stadt Aalen und mit der Hochschule hervor. Man sei nicht auf Krawall gebürstet und wirke oft im Hintergrund. Die Agenda-Projektgruppen pflegen auch Kontakt zu den verschiedensten anderen Gruppierungen in Aalen. Dazu gehören auch „Fridays for Future“und der Stadtseniorenrat – zwei Organisationen wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.
„Wenn ein Schüler heute noch weiß, was der Lehrer vor einer Woche gesagt hat, dann ist das zwar auch nachhaltig, hat aber nichts mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit zu tun“,
betont Ulrich Holzbaur.