Debatte über Rente mit 70
Wie die Parteien die gesetzliche Rente stabil halten wollen
BERLIN (dpa) - Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, spricht sich für ein späteres Renteneintrittsalter aus. „Wir werden in den nächsten Jahren über ein Renteneintrittsalter von 69 bis 70 Jahren reden müssen“, sagte Wolf den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Kürzlich war erneut eine Diskussion darüber entbrannt, ob das Renteneintrittsalter angehoben werden muss. Experten hatten in einem Gutachten eine Anhebung auf 68 Jahre vorgeschlagen.
BERLIN - Altersversorgung und Rente sind für die Bundesbürger wichtige Themen. Gut die Hälfte der Menschen im erwerbsfähigen Alter macht sich Sorgen, ob das Geld im Alter ausreicht, ergab im Mai eine Umfrage der Meinungsforscher von Civey für die deutschen Versicherer. Nur 42 Prozent der Männer und 32 Prozent der Frauen gehen von einem finanziell sorgenfreien Ruhestand aus. Daran gemessen spielt das Thema bisher im Wahlkampf keine große Rolle. Dabei warnt der Rentenexperte Bert Rürup: „Ohne Reformen wird der in Kürze einsetzende und nahezu 20 Jahre anhaltende massive Alterungsschub der Gesellschaft die Finanzierbarkeit unseres umlagefinanzierten Rentensystems infrage stellen.“
● Das Problem
Seit Jahren warnen Wissenschaftler, die Rente stehe auf tönernen Füßen. Zuletzt sorgte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium für Schlagzeilen, weil der Zuschuss an die Rentenversicherung den Bundeshaushalt zu sprengen droht: Aktuell entfallen darauf 26 Prozent. Im Jahr 2040 könnten es über 44 Prozent sein. „Das wäre auch mit massiven Steuererhöhungen nicht finanzierbar“, befürchtet der Vorsitzende des Beirats, Klaus M. Schmidt.
● Neue Versprechen
Eigentlich waren die Probleme schon zu Beginn der zu Ende gehenden Legislaturperiode bekannt. Doch erst einmal beschloss die schwarz-rote Koalition die Rentengarantie: Bis 2025 soll das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Zudem wurden neue Leistungen von der Erhöhung der Mütterrente bis zur Grundrente eingeführt. Schon die seit Jahren diskutierte obligatorische Altersvorsorge für Selbstständige kam nicht zustande. Eine Kommission konnte sich nicht auf Vorschläge einigen, wie es nach 2025 weitergehen soll.
● Die Aussichten
Viel hängt davon ab, wie sich in den nächsten Jahren die Wirtschaft entwickelt. Nach dem jüngsten Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung gibt es die geringsten Probleme beim Sicherungsniveau. Es ist in diesem Jahr auf knapp 50 Prozent gestiegen. Bis 2030 könnte es ohne Eingriffe auf 47,6 Prozent sinken. Der Rentenbeitrag von aktuell 18,6 Prozent dagegen droht ab 2023 zu steigen. 2030 könnte er 21,5 Prozent erreichen. Zudem wären dann 110 Milliarden Euro Bundeszuschuss nötig, 40 Prozent mehr als derzeit.
● Parteienpläne zur gesetzlichen Rente
„Die Rente muss nachhaltig, sicher und solide finanziert werden“– solche Aussagen finden sich nicht nur im Wahlprogramm der Union. Sie will die Rentner weiter an der allgemeinen Einkommensentwicklung beteiligen; näher legt sie sich nicht fest. Außerdem plädiert sie für eine „Generationenrente“, in die der Staat von Geburt an einzahlt – woher das Geld kommen soll, ist offen. Die CSU will außerdem unbedingt die Mütterrente weiter aufstocken, was die Linke ebenfalls fordert. Die SPD verspricht ein „dauerhaftes Rentenniveau von mindestens 48 Prozent“. Zur Finanzierung sagt sie nichts – im Gegensatz zu den Grünen, die „bei Bedarf“die Steuerzuschüsse erhöhen wollen.
Die FDP möchte den Renteneintritt flexibilisieren, allerdings mit Abschlägen. Einzig die Linke stellt in Aussicht, das Rentenniveau auf 53 Prozent anzuheben und eine „solidarische Mindestrente von 1200 Euro“einzuführen. Zur Finanzierung will sie die Beitragsbemessungsgrenze „drastisch“anheben, aber die Rentenhöhe deckeln. Der AfD liegen die Familien besonders am Herzen: Die Eltern sollen für jedes Kind 20 000 Euro Beiträge zur Rentenversicherung aus Steuermitteln erstattet bekommen, ohne dass ihre Rentenansprüche sinken – Finanzierung offen.
● Parteienpläne zur Zusatzvorsorge
Zusätzliche private Altersvorsorge ist dringend nötig, doch die RiesterRente ist gescheitert – darin sind sich die Parteien im Prinzip einig. Für eine Reform haben viele das „schwedische Modell“eines Staatsfonds im Auge, der mit geringen Kosten das Geld gewinnbringend anlegt. Die Union will ihn verpflichtend für alle Arbeitnehmer machen, es sei denn, sie entscheiden sich ausdrücklich dagegen. Die SPD möchte die Förderung auf untere und mittlere Einkommen beschränken. Der Fonds solle „langfristig orientiertes Eigenkapital für die Wirtschaft bereitstellen“, fordern die Grünen.
Am weitesten geht die FDP, die eine „gesetzliche Aktienrente“einführen möchte, in die zwei Prozent vom Einkommen eingezahlt werden. Dafür soll der Rentenbeitrag gesenkt werden. Wie trotzdem die Renten gezahlt werden können, bleibt offen. Die Linke dagegen will die staatliche Riester-Förderung beenden und das Geld der gesetzlichen Rente zukommen lassen. Die AfD hat keine Vorschläge zur privaten Vorsorge.