Ernstes, Vergnügliches und Kriminelles
Die „Geschichten zur Guten Nacht“haben begonnen
ELLWANGEN - Was kann es Schöneres geben, als an einem Abend im August drei Vorlesenden zu lauschen, die im roten Ohrensessel Platz nehmen, zum milden Schein einer nostalgischen Lampe Buchseiten leise umblättern und Literaturfreunden bekömmliches Lesefutter servieren? In Ellwangen weiß man seit mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten: Es gibt nichts Schöneres. Auch dann nicht, wenn der Sessel des Wetters wegen nicht im romantischen Garten des Palais Adelmann steht, sondern drinnen im Foyer. So geschehen am Montagabend beim Auftakt der Geschichten zur guten Nacht dieses Sommers. Das Ereignis fand im Saale statt. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, denn später regnete es wie aus Eimern.
Charmant wie eh und je begrüßte Gastgeber Jürgen Volmer das zahlreich erschienene Publikum, das diszipliniert Maske trug, sich um Abstand bemühte und am Eingang artig als geimpft, genesen oder negativ getestet auswies. Das gilt auch für die kommenden Leseabende. Volmer überbrachte Grüße von Ursula Ermisch, Leserin der ersten Stunde und sozusagen Gute-Nacht-Geschichten-Urgestein. Seinen Einstand gab dagegen Wolfgang Lohner, Gruppensprecher von Amnesty Ellwangen. Er las aus Ilse Aichingers „Spiegelgeschichte“, die ihr 1952 den Preis der Gruppe 47 einbrachte. Es geht um eine junge Frau, deren tragische Lebensgeschichte rückwärts erzählt wird. Bildmächtig stellt die damals junge Autorin in dieser epischen Kurzgeschichte die biologische wie die sprachliche Ordnung auf den Kopf. Schiffe heulen durch Hafengassen, „die so elend sind, dass sie nicht anders können, als zum Meer zu führen.“Als ausgezeichneter Vorleser wurde Lohner dem anspruchsvollen Text gerecht.
Im krassen Kontrast dazu standen amüsante Episoden aus „Fertig ist die Laube“von Renate Bergmann alias Torsten Rohde, hervorragend gelesen von Susan Mangold. Im 15. Band um die Abenteuer der rüstigen Online-Omi Renate schrebergärtnert dieselbe, was das Zeug hält. Zusammen mit ihrer ebenfalls betagten Freundin Gertrud, deren Lebensgefährte Gunter unters Messer muss, sorgt sie sich in Gunters Parzelle in der Kleingartenkolonie „Abendfrieden“um Tomaten, Kohlrabi und Co. Wacker macht sie Blattläusen und Unkraut den Garaus und die Erfahrung, dass so ein Garten niemals fertig ist. Immerhin hieven die zwei Gunters ganzen Stolz auf den zweiten Platz bei der Wahl des schönsten Gartens der Laubenpieperkolonie. Praktische Tipps gab’s auch: Blumenvasen nicht feucht wegstellen, sondern föhnen.
Dritte im Bunde war Claudia Schreiner-Braun. Auch die „Chefin“der Ellwanger Theatermenschen ist eine großartige Vorleserin. Ihre Bühnenerfahrung kommt ihr dabei zugute. So war es ein kurzweiliges Vergnügen, ihr zu lauschen und die Bekanntschaft mit den ebenso rüstigen wie schrägen Alten aus dem „Donnerstagmordclub“von Richard Osman zu machen. Im Puzzlezimmer der luxuriösen Seniorenresidenz Coopers Chase in Kent treffen sich jeden Donnerstag Joyce, Elizabeth, Ron und Ibrahim, um mysteriöse Mordfälle aufzuklären, erst recht den, der dann vor ihrer Haustür passiert. Nicht nur Ibrahim, der 80 ist, aber keinen Tag älter als 74 aussehen will, ist eine Marke für sich.
Bunter hätte dieser erste Leseabend nicht sein können. Am heutigen Mittwoch, 18. August, lesen Monika Reichenbach, Annette Volmer und Robert Ziegler. Der Eintritt ist frei. Bei den bewirtenden Theatermenschen freut sich auch Sparschwein „Luise“die zweite (Leser unterhalten im Sommer Ellwangen) über Besuch und Spende. Die Buchstützer beschließen die Geschichten zur guten Nacht mit der Krimilesung „Doppelspiel“am Donnerstag, 26. August. um 19 Uhr im Palaisgarten.