Verwirrung um den dritten Piks
Wann und für wen es in Bayern und Baden-Württemberg Auffrischimpfungen gibt
- Ein dritter Piks zum Schutz vor Corona: In Bayern gibt es schon seit Beginn dieser Woche Auffrischimpfungen. Mit dieser Ankündigung hat Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Montag Hoffnungen geweckt – und für manche Enttäuschung gesorgt. Im Gegensatz zur Verwirrung in Bayern um die Drittimpfung ist in BadenWürttemberg klar: Hier gibt es den Booster ab September – aber nicht für jeden.
Herbert Rapp aus Amtzell im Kreis Ravensburg verfolgt die Erkenntnisse im Kampf gegen das Coronavirus aufmerksam. „Wir hören ja permanent, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs über die Zeit deutlich nachlassen würde – manche sagen bis auf 40 Prozent reduziert“, sagt er. „Das war für mich Anlass, darüber nachzudenken, wie ich meine dritte Impfung kriege.“Mit seinen 82 Jahren gehört Rapp zur Gruppe der Höchstbetagten, die früh geimpft wurde. Seine Zweitimpfung hat er Ende Januar erhalten.
Wie stark der Schutz vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 und einem schweren Verlauf der Krankheit Covid-19 abnimmt, ist nicht abschließend geklärt und individuell sehr unterschiedlich. Studien vom Juli aus Israel, wo sehr früh und breit geimpft wurde, sowie Daten von Biontech/ Pfizer belegen aber: Die Schutzwirkung lässt nach. In den USA können sich deshalb ab 20. September alle Bürger den dritten Piks abholen.
Auch die deutschen Gesundheitsminister aus Bund und Ländern setzen auf eine Auffrischimpfung – zunächst aber nur für bestimmte Personengruppen, wie schon zu Beginn der Impfkampagne. Darauf haben sie sich bei ihrem Gipfel Anfang August geeinigt. Losgehen sollte die Booster-Kampagne im September, und zwar ausschließlich mit den mRNASeren von Biontech und Moderna. Doch der Freistaat preschte vor. „Die Impfzentren und die niedergelassenen, behandelnden Ärzte können in Bayern schon jetzt Auffrischungsimpfungen anbieten“, hatte Gesundheitsminister Holetschek am Montag in München gesagt – und damit Begehrlichkeiten geweckt.
Die Deutsche Presseagentur berichtete etwa von einem 84-Jährigen, gegen den die Polizei in Krumbach (Landkreis Günzburg) am Montag einen Platzverweis aussprach. Er hatte im Impfzentrum seine Drittimpfung abholen wollen und weigerte sich, ohne Piks zu gehen. Das sei aber noch gar nicht möglich, weil man darüber nicht informiert sei, erklärte das Impfzentrum trotz Holetscheks Ankündigung.
Für Herbert Rapp aus Amtzell verlief die Suche nach einem Impf-Boost ähnlich unbefriedigend – zunächst im Südwesten. Erst hakte er beim Impfzentrum Ulm nach, wo er seine ersten beiden Biontech-Impfungen bekommen hatte. „Dort sagte mir ein Herr, sie könnten sich schon vorstellen, dass ich eine Impfung bekomme, aber ich soll bitte den normalen Weg einhalten“– die zentrale Behördennummer anrufen oder eine E-Mail schreiben. Rapp wählte den ersten Weg und erfuhr, dass Baden-Württemberg erst im September Drittimpfungen verabreiche. Einen Termin vorab könne er nicht vereinbaren. Als er zufällig im Radio hörte, dass Bayern schon begonnen habe, rief Rapp im Impfzentrum im nahen Lindau an. „Ich habe explizit gesagt, ich rufe aus Baden-Württemberg an“, berichtet er. „Dann sagte man mir: Wir impfen alle.“Einen Termin brauche er nicht, er solle einfach vorbeikommen.
„Das war ein Missverständnis“, erklärt indes eine Sprecherin des Lindauer Landratsamts auf Nachfrage. Dass Herbert Rapp im Nachbarland wohne, sei nicht das Problem: Das Impfzentrum verabreiche die Erst- und Zweitimpfung an alle ohne Rücksicht auf den Wohnort. Nicht aber die Drittimpfung, die werde nämlich noch gar nicht angeboten. Die Vorbereitungen liefen zwar, der Landkreis warte aber auf eine entsprechende Änderung der Impfverordnung vom Land, bestätigt die Sprecherin erneut am Donnerstag.
Nicht so Neu-Ulm. Der Landkreis habe mit Drittimpfungen begonnen, erklärt eine Sprecherin des dortigen Landratsamts. Ein mobiles Impfteam sei bereits in Alten- und Pflegeheimen sowie in Kliniken unterwegs, im Fokus seien die besonders vulnerablen Gruppen. In einer Mitteilung vom Donnerstag heißt es aber auch: „Grundsätzlich können alle Personen eine Auffrischungsimpfung erhalten, deren letzte Impfung mindestens sechs Monate zurückliegt.“Den Booster gebe es in den Impfzentren des Kreises ohne Termin für alle, die das wünschten – auch für BadenWürttemberger und völlig unabhängig vom Alter, bestätigt die Sprecherin auf Rückfrage. Eine Wohnortbindung gebe es nicht.
Damit geht der Landkreis NeuUlm deutlich über die Empfehlungen des bayerischen Gesundheitsministeriums hinaus. „Auffrischungsimpfungen sind in Bayern zunächst nur für bestimmte Gruppen vorgesehen“, erklärt ein Sprecher von Minister Holetschek mit Verweis auf die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz Anfang August. Das Angebot richte sich zunächst insbesondere an Bewohner von Pflegeheimen und anderen Einrichtungen für vulnerable Personen, an Menschen mit geschwächtem Immunsystem, an Pflegebedürftige zu Hause und über 80-Jährige. „Ein allgemeiner Aufruf, sich außerhalb dieser Einrichtungen für eine Auffrischungsimpfung zu melden, ist damit nicht verbunden“, erklärt er. „Die Durchführung der Auffrischungsimpfungen soll jedoch grundsätzlich möglichst niederschwellig erfolgen.“
Baden-Württemberg geht strikter vor als Bayern und konzentriert sich auf die Personengruppen der Vulnerablen und Alten, erklärt ein Sprecher von Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Sie seien es, die den Impfschutz mit hoher Wahrscheinlichkeit schneller wieder verlören. „Es liegen bislang keine validen wissenschaftlichen Daten dazu vor, ob eine Auffrischimpfung auch bei jungen, immungesunden Personen zum jetzigen Zeitpunkt bereits einen zusätzlichen Nutzen bringt“, erklärt er. Jüngere kommen nur dann zum Zug, wenn sie zuvor mit Astrazeneca oder Johnson&Johnson geimpft wurden oder genesen sind – und das ebenfalls sechs Monate her ist. Berechtigte könnten ab ersten September ohne Termin, aber mit Impfpass und Ausweis ins Impfzentrum kommen oder sich an den Haus- oder Betriebsarzt wenden. Im September würden zudem mobile Impfteams die Alten- und Pflegeheime abfahren.