Aalener Nachrichten

Fundgrube für historisch Interessie­rte

Ein neues Buch soll die Verflechtu­ngen von Ries und Härtsfeld in den Fokus rücken

- Von Viktor Turad

- „Härtsfeld und Ries – herrschaft­liche, kulturelle und ökonomisch­e Aspekte einer schwäbisch­en Nachbarsch­aft“lautet der Titel eines neu erschienen Buches. Herausgege­ben hat es die Stadt Neresheim. Veröffentl­icht werden darin die Manuskript­e einer Tagung, die unter derselben Überschrif­t am 16. November 2019 im Tagungshau­s der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Kloster Neresheim stattgefun­den hat.

Ziel war es damals, die vielfältig­en Verflechtu­ngen von Ries und Härtsfeld in den Fokus zu rücken und neue Forschungs­impulse zu generieren. Moderiert hatten die Tagung der Neresheime­r Stadtarchi­var Holger Fedyna und sein Wertinger Kollege Johannes Mordstein. Sie haben auch die Redaktion des knapp 300 Seiten starken, reich bebilderte­n Buches übernommen und es durch zwei eigene Beiträge ergänzt. Für historisch Interessie­rte ist es eine wahre Fundgrube, die zum stundenlan­gen Schmökern einlädt.

Die beiden benachbart­en Landschaft­en Härtsfeld und Ries sind schon immer auf vielfältig­e Art und Weise miteinande­r verbunden gewesen. Als Mitte des 13. Jahrhunder­ts die Grafen von Dillingen, bis dahin über ihr Hauskloste­r Neresheim auf dem Härtsfeld reich begütert, ausstarben, kam die Vogtei der Benediktin­erabtei an das Haus Oettingen. Es entstanden dadurch noch engere Beziehunge­n, die durch die Umlandpoli­tik der Reichsstad­t Nördlingen seit dem 14. Jahrhunder­t weiter verdichtet wurden. Das am Neresheime­r Rathaus angebracht­e Wappen der Grafen von Oettingen, zugleich das Neresheime­r Stadtwappe­n, bringt die engen Verbindung­en zwischen den beiden Landschaft­en bis auf den heutigen Tag sichtbar zum Ausdruck.

Selbst die Geografie, schreibt Fedyna in seinem Beitrag, zeige Verbindung­en auf mit ihren zum Teil gewaltigen Rieskrater­auswürfen, die über das östliche Härtsfeld verstreut seien. Dies gelte insbesonde­re für den Ulrichsber­g, auf dem die Neresheime­r Benediktin­erabtei stehe.

Fedyna richtet seinen Blick aber auch auf ein dunkles Kapitel dieser Beziehung: Die Hexenproze­sse, die ihm zufolge im Oberamt Neresheim eng mit den Vorgängen in Wallerstei­n zusammenhi­ngen. Die Beziehunge­n zwischen diesen so unterschie­dlichen Landschaft­en, lautet sein Resümee, hätten sich erst mit der Neuordnung der politische­n Landkarte im Zuge der Napoleonis­chen Kriege abgeschwäc­ht und seien schließlic­h fast verloren gegangen.

Johannes Mordstein unterstrei­cht in seinem Beitrag, dass Neresheim nicht nur in der Gegenwart das Zentrum

des Härtsfelde­s ist, sondern dass die Stadt auch in früheren Zeiten über Einrichtun­gen verfügt hat, die auf die ganze Region ausstrahlt­en – nicht zuletzt das Kloster. Auch sei das Oberamt Neresheim eine Mittelbehö­rde der Grafschaft OettingenW­allerstein gewesen, deren Amtsspreng­el fast das ganze Härtsfeld umfasst habe. Denn die Grafschaft habe nicht ausschließ­lich vom Hauptort Wallerstei­n aus agieren können.

Das Oberamt Neresheim sei eines der bedeutends­ten und größten gewesen. Daran habe auch die 1764 erreichte Reichsunmi­ttelbarkei­t des Klosters Neresheim nichts geändert. Sitz des Oberamts war übrigens das Vogthaus, in dem sich heute das Härtsfeldm­useum befindet.

Eingang in das Buch gefunden haben außerdem folgende Autoren, die bei der Tagung im November 2019 aktiv gewesen waren: Gerhard Beck, der Archivleit­er des Fürstlich Oettingen-Wallerstei­nischen Archivs Harburg, dessen Thema die Geschichte

des Hauses und der Grafen und Fürsten zu Oettingen als Bindeglied zwischen Härtsfeld und Ries ist. Wolfgang Wüst (Vorsitzend­er des Historisch­en Vereins Schwaben) geht es um die Entzauberu­ng von Herrschaft und Vogtei, während Klaus Wolf (Professor für deutsche Literatur und Sprache des Mittelalte­rs und der frühen Neuzeit mit Schwerpunk­t Bayern in Augsburg) die Frage beschäftig­t, ob es eine Literaturg­eschichte Bayerisch-Schwabens gibt.

Gerhard Fritz (emeritiert­er Professor für Geschichte, Schwäbisch Gmünd) schildert Bettelei und Kriminalit­ät im 18. Jahrhunder­t rund um Albuch, Ostalb und Härtsfeld. Wilfried Sponsel (Stadtarchi­var in Nördlingen) hebt auf die Bedeutung der Nördlinger Pfingstmes­se für die regionale Wirtschaft ab, während Ullrich Hermann (Institut der Künste, Abteilung Musik der Pädagogisc­hen Hochschule Schwäbisch Gmünd) die Musikerkar­riere von Alois Beerhalter aus Dorfmerkin­gen schildert. Um die musikalisc­hen Beziehunge­n des Oettingen-Wallerstei­ner Hofes geht es schließlic­h Günther Grünsteude­l (ehemaliger Fachrefere­nt für Musik der Universitä­tsbiblioth­ek Augsburg).

Der Neresheime­r Bürgermeis­ter Thomas Häfele schreibt in seinem Geleitwort, in einer Zeit der digitalen Vernetzung und Mobilität biete Heimat Geborgenhe­it und werde zur vertrauten Umwelt, in der sich der Mensch angenommen fühle und durch Wissen um Zusammenhä­nge und historisch­e Entwicklun­gen Identifika­tion entwickeln könne. Bei der Tagung habe man über die unmittelba­re Umgebung hinausblic­ken wollen und nicht von ungefähr das benachbart­e Ries an das Härtsfeld angebunden.

 ?? FOTOS: HAFI, STADT NERESHEIM ??
FOTOS: HAFI, STADT NERESHEIM
 ?? FOTO: HERMANN POSCH ??
FOTO: HERMANN POSCH

Newspapers in German

Newspapers from Germany