Fundgrube für historisch Interessierte
Ein neues Buch soll die Verflechtungen von Ries und Härtsfeld in den Fokus rücken
- „Härtsfeld und Ries – herrschaftliche, kulturelle und ökonomische Aspekte einer schwäbischen Nachbarschaft“lautet der Titel eines neu erschienen Buches. Herausgegeben hat es die Stadt Neresheim. Veröffentlicht werden darin die Manuskripte einer Tagung, die unter derselben Überschrift am 16. November 2019 im Tagungshaus der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Kloster Neresheim stattgefunden hat.
Ziel war es damals, die vielfältigen Verflechtungen von Ries und Härtsfeld in den Fokus zu rücken und neue Forschungsimpulse zu generieren. Moderiert hatten die Tagung der Neresheimer Stadtarchivar Holger Fedyna und sein Wertinger Kollege Johannes Mordstein. Sie haben auch die Redaktion des knapp 300 Seiten starken, reich bebilderten Buches übernommen und es durch zwei eigene Beiträge ergänzt. Für historisch Interessierte ist es eine wahre Fundgrube, die zum stundenlangen Schmökern einlädt.
Die beiden benachbarten Landschaften Härtsfeld und Ries sind schon immer auf vielfältige Art und Weise miteinander verbunden gewesen. Als Mitte des 13. Jahrhunderts die Grafen von Dillingen, bis dahin über ihr Hauskloster Neresheim auf dem Härtsfeld reich begütert, ausstarben, kam die Vogtei der Benediktinerabtei an das Haus Oettingen. Es entstanden dadurch noch engere Beziehungen, die durch die Umlandpolitik der Reichsstadt Nördlingen seit dem 14. Jahrhundert weiter verdichtet wurden. Das am Neresheimer Rathaus angebrachte Wappen der Grafen von Oettingen, zugleich das Neresheimer Stadtwappen, bringt die engen Verbindungen zwischen den beiden Landschaften bis auf den heutigen Tag sichtbar zum Ausdruck.
Selbst die Geografie, schreibt Fedyna in seinem Beitrag, zeige Verbindungen auf mit ihren zum Teil gewaltigen Rieskraterauswürfen, die über das östliche Härtsfeld verstreut seien. Dies gelte insbesondere für den Ulrichsberg, auf dem die Neresheimer Benediktinerabtei stehe.
Fedyna richtet seinen Blick aber auch auf ein dunkles Kapitel dieser Beziehung: Die Hexenprozesse, die ihm zufolge im Oberamt Neresheim eng mit den Vorgängen in Wallerstein zusammenhingen. Die Beziehungen zwischen diesen so unterschiedlichen Landschaften, lautet sein Resümee, hätten sich erst mit der Neuordnung der politischen Landkarte im Zuge der Napoleonischen Kriege abgeschwächt und seien schließlich fast verloren gegangen.
Johannes Mordstein unterstreicht in seinem Beitrag, dass Neresheim nicht nur in der Gegenwart das Zentrum
des Härtsfeldes ist, sondern dass die Stadt auch in früheren Zeiten über Einrichtungen verfügt hat, die auf die ganze Region ausstrahlten – nicht zuletzt das Kloster. Auch sei das Oberamt Neresheim eine Mittelbehörde der Grafschaft OettingenWallerstein gewesen, deren Amtssprengel fast das ganze Härtsfeld umfasst habe. Denn die Grafschaft habe nicht ausschließlich vom Hauptort Wallerstein aus agieren können.
Das Oberamt Neresheim sei eines der bedeutendsten und größten gewesen. Daran habe auch die 1764 erreichte Reichsunmittelbarkeit des Klosters Neresheim nichts geändert. Sitz des Oberamts war übrigens das Vogthaus, in dem sich heute das Härtsfeldmuseum befindet.
Eingang in das Buch gefunden haben außerdem folgende Autoren, die bei der Tagung im November 2019 aktiv gewesen waren: Gerhard Beck, der Archivleiter des Fürstlich Oettingen-Wallersteinischen Archivs Harburg, dessen Thema die Geschichte
des Hauses und der Grafen und Fürsten zu Oettingen als Bindeglied zwischen Härtsfeld und Ries ist. Wolfgang Wüst (Vorsitzender des Historischen Vereins Schwaben) geht es um die Entzauberung von Herrschaft und Vogtei, während Klaus Wolf (Professor für deutsche Literatur und Sprache des Mittelalters und der frühen Neuzeit mit Schwerpunkt Bayern in Augsburg) die Frage beschäftigt, ob es eine Literaturgeschichte Bayerisch-Schwabens gibt.
Gerhard Fritz (emeritierter Professor für Geschichte, Schwäbisch Gmünd) schildert Bettelei und Kriminalität im 18. Jahrhundert rund um Albuch, Ostalb und Härtsfeld. Wilfried Sponsel (Stadtarchivar in Nördlingen) hebt auf die Bedeutung der Nördlinger Pfingstmesse für die regionale Wirtschaft ab, während Ullrich Hermann (Institut der Künste, Abteilung Musik der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd) die Musikerkarriere von Alois Beerhalter aus Dorfmerkingen schildert. Um die musikalischen Beziehungen des Oettingen-Wallersteiner Hofes geht es schließlich Günther Grünsteudel (ehemaliger Fachreferent für Musik der Universitätsbibliothek Augsburg).
Der Neresheimer Bürgermeister Thomas Häfele schreibt in seinem Geleitwort, in einer Zeit der digitalen Vernetzung und Mobilität biete Heimat Geborgenheit und werde zur vertrauten Umwelt, in der sich der Mensch angenommen fühle und durch Wissen um Zusammenhänge und historische Entwicklungen Identifikation entwickeln könne. Bei der Tagung habe man über die unmittelbare Umgebung hinausblicken wollen und nicht von ungefähr das benachbarte Ries an das Härtsfeld angebunden.