Tausende warten in Kabul auf Evakuierung
Zahl der Toten nach IS-Attacke am Flughafen unklar – USA kündigen Vergeltung an
(dpa/epd/AFP) - Einen Tag nach der Terrorattacke am Flughafen von Kabul bleibt die Zahl der Opfer weiter unklar. Dem britischen Verteidigungsminister zufolge wurden 60 bis 80 afghanische Zivilisten getötet. Der afghanische Sender Tolo News berichtete am Freitag unter Berufung auf Taliban-Kreise, die Zahl der Todesopfer sei auf mehr als 100 gestiegen, 150 Menschen seien verletzt worden. Unter den Toten sind mindestens 13 US-Soldaten.
Zu dem Anschlag außerhalb des Flughafens am Donnerstag hatte sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) bekannt. Laut US-Verteidigungsministerium sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft, weitere Terroristen schossen in die Menge. Zunächst war von zwei Attentätern
die Rede gewesen. Trotz des Anschlags gingen die Evakuierungsflüge am Freitag weiter. Die USA und ihre Partner brachten innerhalb von 24 Stunden rund 12 500 Menschen außer Landes, wie das Weiße Haus am Freitag mitteilte. Demnach flogen die Verbündeten seit dem Start der Evakuierungsmission rund 105 000 Menschen aus. Die Bundeswehr hatte ihre Mission am Donnerstag beendet. Zurück in Afghanistan bleiben noch etwa 300 Deutsche und mehr als 10 000 Afghanen mit Ausreisewunsch, die beim Auswärtigen Amt registriert sind. Das Ministerium wies am Freitag allerdings darauf hin, dass sich diese Zahlen ständig ändern. „Es reisen weiterhin Menschen aus, und es melden sich weiterhin Menschen mit einem Ausreisewunsch. Deswegen sind diese Zahlen immer nur Momentaufnahmen“, so ein Sprecher. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte versprochen, auch diese Menschen zu evakuieren.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), sagte am Freitag, es sei nun wichtig, auf den diplomatischen Weg zu setzen, „um Ortskräften und Schutzbedürftigen, die es nicht geschafft haben, eine Ausreise zu ermöglichen“. Die Bundesregierung führt dazu Verhandlungen mit den Taliban. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden von der Bundeswehr 5347 Menschen ausgeflogen, darunter rund 500 Deutsche und mehr als 4000 Afghanen. Unter den Afghanen sind ehemalige Mitarbeiter von Bundeswehr und Bundesministerien sowie besonders schutzbedürftige Menschen, die beispielsweise für Frauenoder Menschenrechtsorganisationen tätig waren. US-Präsident Joe Biden kündigte in der Nacht zu Freitag Vergeltung gegen die Drahtzieher der Terroranschläge an: „Wir werden nicht vergeben. Wir werden nicht vergessen.“Die USA wollen ihren Militäreinsatz in Afghanistan bis zum 31. August beenden. Der von Biden verfügte Abzug hatte die Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan ermöglicht.
Biden sagte, es gebe keine Hinweise, dass es bei den Anschlägen eine Zusammenarbeit zwischen den Taliban und dem IS gegeben habe. Beide Gruppierungen gelten als verfeindet.