Vielfraß im Anmarsch
Der Japankäfer verursacht weltweit große Schäden in der Landwirtschaft – Nun ist nahe Baden-Württemberg ein Exemplar entdeckt worden
- Der Japankäfer ist gefräßig – und Appetit hat er auf so ziemlich alles. Er macht sich her über Ahorn, Buche, Eiche und Flieder, Schneeball, Thuja, über Dahlien und Astern, über Mais, Kartoffeln, Spargel, auch über Apfel-, Kirsch-, und Pflaumenbäume. Weinreben mag er ebenso. Er isst die Blätter, Blüten und Früchte von rund 300 Pflanzenarten. Auch gepflegte Rasen, Wiesen und Weiden sind vor ihm nicht sicher. Sie nutzt er als Kinderstube. Seine Larven lieben die Graswurzeln.
Erst vor Kurzem wurde ein Exemplar des Japankäfers unweit von Baden-Württemberg im schweizerischen Basel gefunden. Seitdem sind hiesige Pflanzenschützer alarmiert. Sie befürchten Schäden in der Landwirtschaft. In Baden-Württemberg wurden zwar noch keine Japankäfer gesichtet, mit dem Fund des Schädlings nahe der Grenze hat sich laut Landwirtschaftlichem Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) aber die Gefährdungslage für den Südwesten deutlich verschärft. „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann genügend Japankäfer den Weg nach Deutschland schaffen“, sagt Olaf Zimmermann, zuständig für die Bestimmung von schädlichen und nützlichen Insekten beim LTZ. „Größere Probleme könnte der Obstbau und dort der Strauchbeerenanbau durch Schäden an Früchten bekommen, weil dort bereits die Kirschessigfliege und die Marmorierte Baumwanze ihr Unwesen treiben – ebenfalls invasive Arten“, sagt Zimmermann.
„Wie bei jeder neuen invasiven Art werden wir erst im Laufe der Zeit merken, welches Schadpotenzial der Japankäfer haben wird“, sagt Manfred Büchele, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbau Bodensee. „Die Berichte der Kollegen des LTZ sind zumindest besorgniserregend.“Das grundsätzlich Unglückliche bei solchen neuen ungebetenen Gästen sei, dass sie zunächst keine natürlichen Gegenspieler haben, weder Fressfeinde, noch Krankheiten.
Eigentlich stammt Popillia japonica, so der lateinische Name des Japankäfers, aus Asien. Dort ist er unauffällig. Vor etwa 100 Jahren wurde er aber bereits in die USA eingeschleppt. Weil er dort eben keine natürlichen Feinde hat, hinterlässt er seine großen Fraßspuren. In den 1970er-Jahren tauchte er dann auf den Azoren auf. 2014 reiste er vermutlich als blinder Passagier mit dem Flugzeug von dort nach Norditalien, in die Lombardei.
Dem Maikäfer sieht der Japankäfer zum Verwechseln ähnlich. Der Halsschild schillert metallisch grün. Die Flügel sind braun. Doch eins ist dann doch anders: Der Japankäfer hat rechts und links an der Seite jeweils fünf weiße Haarbüschel. Und zwei am Ende des Körpers. Außerdem spreizt er die Hinterbeine seitlich ab, wenn er gestört wird. Daran lässt er sich erkennen.
Reisende aus Italien sollen, so fordert das Julius-Kühn-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI), besonders auf den verdächtigen Käfer achten. Aber auch alle Gärtner und Landwirte, vor allem in Baden-Württemberg sollten das tun. „Hier wird der Käfer sich voraussichtlich sehr wohl fühlen, ihm behagt das Klima hier“, sagt Biologe
Haubrock vom SenckenbergForschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt.
Haubrock ist einer der wenigen in Deutschland, der sich mit den wirtschaftlichen Folgen der Eindringlinge befasst. Gerade erst hat er den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zusammengetragen: Mit internationalen Kollegen hat er die große Datenbank Invacost durchforstet, in der einzelne Schäden, die invasive Arten auf der Welt schon verursacht haben, erfasst sind. Demnach gehört zu den fünf größten
Kostenverursachern europaweit bislang: Die Wanderratte, die ursprünglich aus den Steppen in Sibirien, Nordchina und der Mongolei kommt und alles annagt. Der asiatische Eschenprachtkäfer, der Eschen so zusetzt, dass sie binnen zwei Jahren sterben. Das Wildkaninchen, das einst allein in Iberien und Nordafrika vorkam, sich längst aber auch in Deutschland oft zu vielen tummelt, Beete kahl frisst, auch Seuchen bringen kann. Das Beifußblättrige Traubenkraut, die Ambrosia artemisiifolia, das vor 150 Jahren aus Nordamerika
eingeschleppt wurde, das in der Landwirtschaft als Unkraut gefürchtet, aber auch für Allergiker ein Schrecken ist. Und zu guter Letzt die Plattwurmart Gyrodactylus salaris, ein Fischparasit, der Lachsen, der Regenbogenforelle oder dem Seesaibling zu schaffen macht.
Weitere Ergebnisse: Insgesamt haben invasive Arten in den vergangenen sechzig Jahren in Europa Schäden von mehr als 116 Milliarden Euro verursacht. Allein in Deutschland sind es im selben Zeitraum geschätzte 8,21 Milliarden Euro. Die Bundesrepublik gehört neben Großbritannien, Spanien und Frankreich zu den Ländern mit den höchsten Kosten. Betroffen sind vor allem Land- und Forstwirtschaft. Das ökologische Desaster ist da noch gar nicht eingerechnet. Die Neuankömmlinge können einheimische Arten verdrängen. So sorgt sich so mancher um das Eichhörnchen, dem das aus Nordamerika stammende Grauhörnchen den Platz streitig machen könnte. Erst vor kurzem berichteten französische Forscher, dass weltweit so schon heute 40 Prozent der Vögel und elf Prozent der Säugetiere in ihrer Lebensweise beeinträchtigt seien. Die Invasoren bringen das ökologische Gleichgewicht durcheinander.
Noch würden die teuren Eindringlinge nicht ernst genug genommen, kritisiert Haubrock. Es mangele an Erhebungen, Berichterstattung, genauer Beobachtung und Vorsorge. Ihre Ankunft müsse besser verhindert werden. „Die Invasionsraten steigen mit der Globalisierung und einer immer vernetzteren Welt weiter,“sagt er, „wir müssen davon ausgehen, dass auch die wirtschaftlichen Kosten diesem Trend folgen.“Die Kosten durch wirtschaftliche Schäden hätten sich in der Vergangenheit in jeder Dekade verzehnfacht.
Erkannt ist das Problem zumindest bereits. Die Europäische Union hat in einer sogenannten „Unionsliste“66 Pflanzen- und Tierarten benannt, die als invasiv und damit gefährlich gelten. Darunter zum Beispiel der aus China stammende dekorative Götterbaum, der bei Hobbygärtnern beliebt ist, da er anspruchslos ist. Nur kann er sich darum auch schnell ausbreiten.
Mögliche Schäden, die diese Arten verursachen sollen frühzeitig erkannt, bekämpft oder zumindest gemanagt werden. Die EU hat darüber hinaus 20 Arten als „prioritäre Schädlinge“eingestuft, weil sie als besonders schwerwiegende Bedrohung gelten. Dazu zählt auch der Japankäfer.
In Baden-Württemberg ruft das LTZ Augustenberg nun dazu auf, den Fund eines Käfers bei dem Institut zu melden. Mehrere Hundert Meldungen seien bereits eingangen. Das verdächtige Tier sei bisher aber nicht darunter gewesen.