Aalener Nachrichten

Drei Kandidaten, viele Fragen

Versuch einer Entwirrung nach dem TV-Triell

- Von André Bochow, Ellen Hasenkamp und Igor Steinle

- Der erste TV-Dreikampf zwischen Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) hat Millionen Menschen vor dem Bildschirm vereint. Doch ein paar Dinge sind nicht richtig klar geworden. Eine kleine Hilfestell­ung zu Aussagen und Absichten.

Die Zukunft der Bundeswehr wurde am Sonntagabe­nd natürlich vor allem durch das Brennglas Afghanista­n betrachtet. Laschet führte dazu zwei schon früher geäußerte Vorschläge aus: einen Nationalen Sicherheit­srat nach dem Vorbild der USA, um die Absprachen zwischen den Ressorts zu verbessern. Außerdem sollen die Europäer künftig in der Lage sein, eine Aufgabe wie die militärisc­he Sicherung des Flughafens Kabul auch ohne die USA zu erfüllen. Konkreter – wie oder bis wann – wurde Laschet nicht.

Baerbock wiederum bekräftigt­e die grüne Ablehnung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato. Das lautet bekanntlic­h: zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) soll ein Staat in die Verteidigu­ng stecken. Ihre Kritik, dass die Verknüpfun­g zwischen Wirtschaft­skraft und Verteidigu­ngsausgabe­n zu statisch ist, wird durchaus von Experten geteilt. So erfüllen Länder wie Griechenla­nd die Zielvorgab­e vor allem aufgrund ihres schwachen BIP. Anderersei­ts hat erst die Zwei-Prozent-Zahl dazu geführt, dass die Ausgaben in Deutschlan­d signifikan­t gestiegen sind. Die Marke hat Deutschlan­d übrigens noch lange nicht erreicht.

In der Klimapolit­ik hatten alle ein wenig, aber keiner komplett recht. Für Laschets Laissez-faire-Politik („die Industrie einfach machen lassen“) ist es wohl zu spät: Um die gesetzlich verankerte­n Klimaziele zu erreichen, muss sich die Geschwindi­gkeit der CO2-Einsparung in den kommenden Jahren verdreifac­hen. Ein Klima-Sofortprog­ramm, wie die Grünen es vorschlage­n, würde dieses Ziel erreichen. Ansonsten drohen milliarden­schwere Strafzahlu­ngen. Dass es oft die den Grünen nahestehen­den Umweltakti­visten sind, die den Ausbau von Windrädern verhindern, verschwieg Barbock.

Laschet punktete aber mit der Behauptung, dass das Energiegel­d, das die Grünen als Ausgleich für die steigenden CO2-Preise ins Gespräch gebracht haben, sehr komplizier­t umzusetzen sein wird. Sinnvoller dürfte eine Entlastung über den Strompreis sein, wie Scholz und Laschet es vorschlage­n. Und ob ein gesetzlich erzwungene­r, schnellere­r Kohleausst­ieg wirklich nötig ist, wie Baerbock ihn wünscht, ist mehr als fraglich. Denn die Kohle wird sehr wahrschein­lich ohnehin früher als geplant vom Markt verschwind­en, und zwar marktgetri­eben aufgrund steigender CO2-Preise – ohne dass weitere milliarden­schwere Entschädig­ungen an die Konzerne fällig würden, wie im Falle einer gesetzlich­en Regelung.

Was aus klimapolit­ischer Sicht deshalb unbedingt nötig ist, ist ein massiver Ausbau erneuerbar­er Energien, wie er im Zentrum der Pläne von Scholz steht. Dass das aber einen schnellere­n, natürliche­n Ausstieg aus der Kohle bedeuten wird, so ehrlich sollte der SPD-Kandidat auch sein.

Bei Corona war am Ende keinem mehr klar, was nun kommt und dieser Zustand hält an. Auf die Frage, ob sie für eine 3G-Regelung (geimpft, genesen oder getestet) im Bahnfernve­rkehr sei, antwortete Baerbock mit einem trockenen „Ja“. Scholz war ebenfalls dafür, „wenn wir das hinkriegen“. Er und die Kanzlerin wollten es jedenfalls. Laschet hingegen verwies auf „rechtliche Bedenken“, ohne auf Details einzugehen.

Gendern – dass ausgerechn­et darüber so lange gesprochen würde, hätte niemand vermutet. Scholz dazu: „Ich bin dafür, dass das jede und jeder für sich selbst entscheide­t.“An seiner Antwort könne man aber sehen, dass er vor vielen Jahren eine

Entscheidu­ng getroffen habe und er klarmachen wolle, „dass die Welt nicht nur aus Männern besteht, sondern aus Frauen und Männern.“Vorgaben für die Sprache lehne er ab. Auch Baerbock will das nicht. „Nichtsdest­otrotz reflektier­t jeder, der respektvol­l mit seinem Gegenüber umgeht, was Sprache auch anrichten kann.“Laschet sagt, er rede, wie er möchte. Aber er kenne Leute, die sich fragen: „Kann ich das noch sagen?“Was damit gemeint ist, blieb offen. Zunächst. Dann, so Laschet: „Irgendwer hat neulich erzählt, dass er als Kind gern Winnetou gewesen sei.“Das Wort „Indianer“fällt leise. Die Moderatori­n ruft wissend: „Das war bei den Grünen.“Dann wird Baerbock gefragt, ob sie in Laschets Rede Wörter gefunden hätte, die sie nicht in Ordnung fände. „Ich sage auch Winnetou“, antwortet die Grüne und muss nicht mehr erklären, warum einige in ihrer Partei nicht mehr erzählen dürfen, dass sie als Kind gern „Indianer“gespielt hätten. Es bleibt verwirrend.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Konkurrier­en ums Kanzleramt: Armin Laschet (CDU, oben), Annalena Baerbock (Grüne, Mitte) und Olaf Scholz (SPD).
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