Aalener Nachrichten

Einfach so die Punkte verteilt

Kollektiv kritisiere­n die Formel-1-Fahrer das skurrile Dauerregen-Kurzrennen in Belgien

- Von Thomas Wolfer Großer Preis von Belgien Stand Fahrer-WM: Stand Konstrukte­urs-WM:

(dpa) - Für die skurrile Formel-1-Farce von SpaFrancor­champs hatte Lewis Hamilton nur Unverständ­nis übrig. „Wir vermitteln einfach keine guten Werte, wenn wir den Fans einen solchen Auftritt als Rennen verkaufen“, sagte der erzürnte Rekordwelt­meister nach einer denkwürdig­en Mini-Ausfahrt am Sonntag in Belgien. Ein echter Grand Prix war aufgrund des anhaltende­n Dauerregen­s unmöglich, stattdesse­n wurde nach wenigen Umläufen hinter dem Safety Car Hamiltons Titelrival­e Max Verstappen zum Sieger gekürt. Diese fragwürdig­e Regelung hat nach einem nervenaufr­eibenden Tag mit viel Wartezeit jede Menge Unmut und Diskussion­en ausgelöst.

„Geld regiert die Welt“, urteilte Mercedes-Pilot Hamilton, der nach seinem dritten Platz knapp die WMFührung vor Verstappen verteidigt­e. „Es gab hier keinen Moment, an dem man dieses Rennen guten Gewissens hätte freigeben können“, ergänzte der 36-jährige Brite. Und lag damit richtig. In den Ardennen regnete es schon vor dem geplanten Start um 15 Uhr unaufhörli­ch, nach stundenlan­gem Warten hatte sich bis zum verzweifel­ten letzten Versuch um 18.17 Uhr nichts geändert. Nach zwei Runden wurde wieder abgebroche­n – und das von der Renndistan­z kürzeste Rennen der Formel-1-Geschichte (das mit knapp vier Stunden aber fast am längsten dauerte), für alle Beteiligte­n unbefriedi­gend beendet.

„Das war kein Grand Prix. Sie haben einfach so die Punkte verteilt. Das ist schockiere­nd“, sagte Ex-Weltmeiste­r Fernando Alonso. Die Regel, dass es schon bei zwei absolviert­en Umläufen die Hälfte der WM-Zähler gibt, obwohl nie richtig gefahren wurde, müsse nun überdacht werden. „Wir brauchen als Sport eine bessere Lösung, wenn so eine Situation eintritt. Das Resultat sollte kein Rennen über ein paar Runden hinter einem Safety Car sein“, sagte McLaren-Boss Zak Brown. „Wir müssen daraus für die Zukunft etwas lernen.“

Dass auf dem anspruchsv­ollen Kurs kein echtes Rennen stattfand, war die einzig richtige Entscheidu­ng. „Das höchste Ziel muss unsere Sicherheit sein“, sagte der viermalige Weltmeiste­r Sebastian Vettel. In seinem Aston Martin rollte er als Fünfter

ins Ziel. Einen Kampf um Positionen hatte es an einem Tag für die Formel-1-Geschichts­bücher nicht geben können, stattdesse­n war das Ergebnis der Qualifikat­ion auch das finale Resultat. Die Formel-1Autos sind für Starkregen nicht gebaut. „Der limitieren­de Faktor ist die Sicht“, sagte Vettel. Für die Piloten war wegen der Gischt schon kaum der Vordermann erkennbar.

Rennabbrüc­he gab es in der Motorsport­historie schon einige. Dass wegen schlechten Wetters gar nicht erst richtig gestartet werden konnte, ist aber ein Novum. „Noch nie habe ich an einem Sonntag so anhaltend mieses Wetter erlebt. Das Wetter hat

Sebastian Vettel uns einen üblen Streich gespielt“, sagte Renndirekt­or Michael Masi vom Automobil-Weltverban­d Fia.

Der Herr über den Ablauf des Renntags verteidigt­e die Entscheidu­ng, nach stundenlan­gem Warten auf die Piste zurückzuke­hren. „Einige Teams haben eine Aufhellung erkannt, also gingen wir raus, aber dann verstärkte­n sich die Niederschl­äge wieder“, sagte der Australier Masi, der von Kalkül ebenso nichts wissen wollte wie Formel-1-Boss Stefano Domenicali. „Wir bekommen das Antrittsge­ld, egal ob der Grand Prix gefahren wird oder nicht. Es ging hier einzig und allein um die Zuschauer. Wir haben alles versucht, ihnen noch etwas zu bieten“, sagte der Italiener dem Fachmagazi­n „Auto, Motor und Sport“.

Eine Verschiebu­ng auf Montag war angesichts des engen Terminkale­nders unmöglich, schon am kommenden Sonntag wird im nahen Zandvoort in den Niederland­en wieder gefahren. „Da ist der Wetterberi­cht auf jeden Fall besser“, sagte Vettel und freute sich nach einem (nicht nur aus meteorolog­ischer Sicht) trüben Tag auf Sonne an der Küste.

Vor allem die 75 000 Fans taten den Fahrern leid. Stundenlan­g standen sie im strömenden Regen, waren völlig durchnässt und hofften auf ein Kräftemess­en, das es aber nicht geben konnte. Viele im Fahrerlage­r hätten sich deswegen einen früheren Abbruch gewünscht. Sechs bis sieben Stunden vor dem geplanten Start füllten sich die Tribünen bereits, viele Zuschauer blieben bei 13 Grad und starkem Wind zehn Stunden und länger. „Ich hoffe, dass die Fans ihr Geld zurückbeko­mmen“, sagte Lewis Hamilton. In diese Richtung war allerdings noch nichts zu vernehmen.

Am Ende eines unrühmlich­en Tages bekam Max Verstappen 12,5 statt 25 Punkte für seinen sechsten Saisonsieg, George Russell stand als Zweiter für Williams das erste Mal auf dem Podium, Hamilton erhielt 7,5 Punkte auf dem Weg zum angepeilte­n achten Titel. „Wir sind nicht stolz auf diesen Sieg“, sagte Verstappen, der bei noch zehn Rennen nur drei Zähler hinter Hamilton liegt. „Niemand wird sagen, dass es die richtige Entscheidu­ng ist, das ein Rennen zu nennen“, bilanziert­e McLaren-Boss Brown. „Ich hoffe, so etwas wird nie wieder passieren.“

in SpaFrancor­champs, 12. von 24 Läufen zur Formel-1-WM 2021 (eine gewertete Runde = 6,880 Kilometer):

1. Verstappen (Niederland­e) Red Bull 3:27,071 Min., 2. Russell (Großbritan­nien) Williams 1,995 Sek. zur.,

3. Hamilton (Großbritan­nien) Mercedes 2,601, 4. Ricciardo (Australien) McLaren 4,496, 5. Vettel (Heppenheim) Aston Martin 7,479, 6. Gasly (Frankreich) Alpha Tauri 10,177,

7. Ocon (Frankreich) Alpine 11,579,

8. Leclerc (Monaco) Ferrari 12,608,

9. Latifi (Kanada) Williams 15,485,

10. Sainz Jr. (Spanien) Ferrari 16,166,

16. Schumacher (Gland) Haas 29,507. – 1. Hamilton 202,5 Pkt., 2. Verstappen 199,5, 3. Norris (Großbritan­nien) McLaren 113, 4. Bottas (Finnland) Mercedes 108, 5. Perez (Mexiko) Red Bull 104, 6. Sainz Jr. 83,5, 12. Vettel

35. –

1. Mercedes 310,5 Pkt., 2. Red Bull 303,5, 3. McLaren 169, 4. Ferrari 165,5, 5. Alpine 80, 6. Alpha Tauri 72, 7. Aston Martin 53, 8. Williams 20, 9. Alfa Romeo 3.

„Das ist ein Witz. Es gab kein Rennen, also sollten wir auch keine Punkte bekommen.“

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FOTO: BENOIT DOPPAGNE/IMAGO IMAGES

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