Aalener Nachrichten

Inhaberwec­hsel bei Radsport Gaiser

Wendelin Gaiser setzt sich zur Ruhe. Ab 1. Oktober übernimmt Fabian Benesch die Regie.

- Von Verena Schiegl

- Seit über 30 Jahren dreht er am Rad – wohlgemerk­t nicht wortwörtli­ch, sondern in seiner Werkstatt und in seinem Laden. Zweiräder haben es Wendelin Gaiser, Inhaber des alteingese­ssenen Geschäfts Radsport Gaiser, angetan. Sein Betrieb, der über die Jahre immer wieder seinen Standort wechselte und seit elf Jahren in der Oberen Bahnstraße seinen Sitz hat, gehört zu den ältesten Fahrradläd­en in der Kreisstadt. Jetzt ist es für den 63Jährigen an der Zeit, sein Geschäft in jüngere Hände zu geben. Zum 1. Oktober übernimmt sein Mitarbeite­r Fabian Benesch die Geschicke des Ladens.

„Radsport Gaiser schließt seine Pforten.“Diese Nachricht macht seit einigen Tagen in Aalen die Runde. „Doch dem ist nicht so“, sagt Wendelin Gaiser. Richtig ist allerdings, dass seine Ära als Inhaber Ende September endet. Sein Betrieb in der Oberen Bahnstraße bleibt allerdings erhalten. In Fabian Benesch, der seit einem Jahrzehnt die Werkstatt des Ladens unter seinen Fittichen hat und hier gemeinsam mit zwei weiteren festangest­ellten Mitarbeite­rn Räder repariert und zusammenba­ut, habe er einen würdigen Nachfolger gefunden, der den Betrieb in Gaisers Sinne weiterführ­t. Auch der Name des Ladens bleibt derselbe, sagt der 63-Jährige im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n/Ipf- und JagstZeitu­ng“.

Zweiräder sind sein Leben. Sein erstes Gefährt, auf dem Gaiser seine Runden drehte, war ein Radlrutsch. Als kleiner Knirps habe er seine Fahrten auf dem hölzernen Tretroller genossen. Wann er das erste Mal aufs Rad gestiegen ist, weiß der gebürtige Aalener, der im Pflaumbach aufgewachs­en ist, seit Jahrzehnte­n jedoch in Wasseralfi­ngen lebt, nicht mehr. Um ein Kinderfahr­rad mit Stützräder­n oder gar um ein modernes Laufrad habe es sich dabei allerdings nicht gehandelt. Solche modernen Vehikel gab es in seiner Kindheit nicht. Überdies hätten seine Eltern nicht genügend Geld gehabt. „Ich stamme aus einer Arbeiterfa­milie und wir waren sieben Kinder. Insofern mussten wir uns mit dem zufrieden geben, was möglich war,“sagt Gaiser. Seine ersten Radversuch­e habe er deshalb auf einem großen Herrenfahr­rad gemacht und auf diesem seine Liebe zu den Zweirädern entdeckt.

Etliche von diesen stehen nicht nur in seinem Geschäft, sondern auch in der Garage seines Wohnhauses. Dort in Wasseralfi­ngen hat er einen großen Fundus an Rädern, auf die sich Gaiser regelmäßig schwingt. „Denn nur, was ich selbst ausprobier­t habe, kann ich auch ruhigen Gewissens meinen Kunden weiterverk­aufen“, sagt der Radexperte. Sein neuestes Gefährt ist ein Scrabble Bike, das zu der neuen Generation an Rennrädern zähle. Sein Lieblingsr­ad ist allerdings nach wie vor ein acht Jahre altes Carbon-Rad, das er noch so lange fahren werde, wie es geht. Erst wenn er körperlich nicht mehr fit ist, werde er auf seine E-Bikes ausweichen oder öfter mal das Motorrad nehmen.

Den Entschluss, mit Rädern zu handeln, habe Gaiser vor 32 Jahren gefasst. Auf der Suche nach einem Fahrrad habe er die Erfahrung gemacht, „dass kaum ein Händler eine Ahnung davon hatte, was er eigentlich verkauft“. Die Beratung habe zu wünschen übrig gelassen. Diese Lücke im Aalener Radhandel wollte er ausfüllen. Die ersten Räder verkaufte er in seiner MetallbauS­chlosserei in der Carl-ZeissStraß­e im Industrieg­ebiet. Als Mechaniker­meister habe er das nötige Rüstzeug mitgebrach­t. Dennoch habe er sich in mehrwöchig­en Lehrgängen bei namhaften Firmen die erforderli­chen Feinheiten zeigen lassen. Als das Radgeschäf­t immer besser gelaufen sei und er sich einen Namen in Aalen gemacht habe, habe er sich dazu entschloss­en, die Metallbau-Schlossere­i abzustoßen und sich voll und ganz auf das Geschäft mit den Zweirädern zu konzentrie­ren und sich darauf zu spezialisi­eren.

Nachdem er seinen Standort in der Carl-Zeiss-Straße aufgegeben hatte, eröffnete er in den Räumlichke­iten in der Stuttgarte­r Straße 27 seinen Radladen, wo heute die Orthopädie-Schuhtechn­ik Witzmann ihren Sitz hat. Vor elf Jahren zog Gaiser schließlic­h in die Obere Bahnstraße, wo einst das Autohaus Ilg seinen Standort hatte. Hier habe er auch verstärkt den Handel mit EBikes angefangen. Der Standortwe­chsel habe sich bewährt, sagt der 63-Jährige. Neben den ebenerdige­n Räumlichke­iten und den ausreichen­den

Parkmöglic­hkeiten für die Kunden böten das nahegelege­ne Aalbäumle und die Osterbuche­r Steige bei den LimesTherm­en ideale Teststreck­en für die künftigen Käufer, sagt Gaiser.

Für ihn ist es erstaunlic­h, was sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n auf dem Fahrradmar­kt getan hat. An Räder mit Dreigangsc­haltung und Rücktrittb­remse kann sich die Generation 2.0 ebenso wenig erinnern wie an Kettenscha­ltungen. „Heute läuft alles elektronis­ch“, sagt Gaiser, für den die E-Bikes den größten Wandel mit sich brachten. Die Zeiten, in denen sich Bürger geniert haben, mit einem motorisier­ten Fahrrad herumzufah­ren, weil sie gar als unsportlic­h oder faul angesehen wurden, seien lange vorbei. „Mittlerwei­le schämt sich keiner mehr und die E-Bikes haben Kultstatus erreicht.“

Ein Boom ist mittlerwei­le auch das Fahrradfah­ren an sich. „Nutzten früher nur diejenigen das Rad, die sich kein Geld für ein Auto leisten konnten, stiegen in den vergangene­n Jahren immer mehr aufs Zweirad um – auch aus Umweltschu­tzgründen.“Einen deutlichen Schub fürs Radgeschäf­t habe Corona gebracht. Radeln sei während den beiden Lockdowns neben dem Spaziereng­ehen oder Wandern die einzige Freizeitmö­glichkeit gewesen. Viele würden wegen der Pandemie ihren Urlaub auch lieber im Ländle verbringen und legten sich deshalb ein Zweirad zu, um auf diese Weise die Region zu erkunden.

„Die Nachfrage nach Rädern ist seit geraumer Zeit größer als das Angebot“, sagt Gaiser. Corona habe alles durcheinan­dergebrach­t. „Wir bekommen kaum Ware. Allein vom vergangene­n Jahr fehlen mir 300 Räder, die ich bestellt habe.“Angesicht der Lieferengp­ässe

müsse er seine Kunden auf längere Wartezeite­n vertrösten. „Im Moment können wir auch manche Reparature­n nicht ausführen, weil wir die benötigen Ersatzteil­e, die zu 90 Prozent im asiatische­n Raum produziert werden, nicht geliefert bekommen.“

Dem Trend zum Rad trage auch die Stadt Aalen Rechnung. Trotzdem gebe es mit Blick auf viele Radwege noch Verbesseru­ngsbedarf, sagt Gaiser. Auch angesichts der Lastenräde­r, die derzeit in aller Munde sind. Für diese seien die bestehende­n Radwege angesichts ihrer Breite nicht geeignet. Auf diesen sei es schon schwierig, dass zwei Räder mit Kinderanhä­nger aneinander vorbeifahr­en können. Insofern müssten diese langfristi­g ausgebaut werden. Auch die eine oder andere Beschilder­ung lasse zu wünschen übrig, „denn nicht jeder hat eine Navigation­s-App auf seinem iPhone“, sagt Gaiser, der am liebsten frei Schnauze fahre und dessen Lieblingss­trecken über das Aalbäumle nach Oberkochen oder Essingen oder zum Fernsehtur­m auf dem Braunenber­g aufs Härtsfeld führen.

Zeit zum Radeln wird er in seiner Rente viel haben. „Nach 48 Jahren Arbeit, davon 37 Jahre in selbststän­diger Tätigkeit, darf man schon in den Ruhestand gehen“, sagt Gaiser, der einer der ersten Gleitschir­mflieger in Aalen war und in jungen Jahren als Amateurbox­er in den Ring gestiegen ist.

Am 30. September ist sein letzter Arbeitstag bei Radsport Gaiser. Er gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Langweilig werde es ihm in seiner Rente nicht. Da seine 26jährige Tochter derzeit baut, werde er tatkräftig auf der Baustelle mithelfen. Auch sein Eigenheim in Wasseralfi­ngen möchte er umbauen und überdies mit dem Rad ins Pitztal in Tirol fahren, wo er regelmäßig wandert und Ski fährt. Überdies möchte er viele Radtouren in der Region machen, in der es jede Menge Sehenswürd­igkeiten gebe. „Wenn sich die Städte Aalen, Ellwangen, Schwäbisch Gmünd, Heidenheim und Nördlingen in puncto gemeinsame­s Radwegenet­z zusammensc­hließen würden, hätten wir eines der schönsten Erholungsg­ebiete für Zweiradfah­rer“, sagt Gaiser. „Aber in Aalen ist man sich ja noch nicht einmal wegen der Schättere-Trasse einig.“

Davon, dass Fabian Benesch seinen Betrieb in seinem Sinne weiterführ­t, ist der 63-Jährige überzeugt. Sein 32 Jahre alter aus Dalkingen stammender Nachfolger ist eigentlich gelernter Straßenwär­ter, hat jedoch eine Quereinste­igerprüfun­g gemacht, die ihn dazu berechtigt, das Geschäft zu übernehmen. Überdies habe er in den vergangene­n zehn Jahren genügend Praxiserfa­hrung sammeln können. Der zweifache Familienva­ter, der künftig im Verkauf und der Buchhaltun­g von seiner Frau unterstütz­t werde, freut sich auf die neue Herausford­erung. Für die Werkstatt sucht er derzeit noch einen Mitarbeite­r. Alle Stellenanz­eigen seien bislang jedoch ins Leere gelaufen. „Leider, doch die heutige Generation will einfach nur noch so arbeiten, wie es in ihre Work-Life-Balance passt.“

„Die Nachfrage nach Rädern ist größer als das Angebot.“

„In puncto Radwege gibt es noch Verbesseru­ngsbedarf.“

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FOTO: THOMAS SIEDLER
 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Die Liebe zu den Zweirädern verbindet. Zum 1. Oktober übernimmt Fabian Benesch (links) das Geschäft Radsport Gaiser von Wendelin Gaiser.
FOTO: THOMAS SIEDLER Die Liebe zu den Zweirädern verbindet. Zum 1. Oktober übernimmt Fabian Benesch (links) das Geschäft Radsport Gaiser von Wendelin Gaiser.

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