Räumung im Forst war rechtswidrig
Der einzige Überlebende des Bataclan-Terrorkommandos äußert sich zum Prozessauftakt
(epd) - Die Räumung von Baumhäusern und anderen Bauten von Umweltaktivisten und Braunkohlegegnern im Hambacher Forst im Jahr 2018 ist laut Gericht rechtswidrig gewesen. Das Verwaltungsgericht Köln stellte in einem Urteil am Mittwoch klar, dass eine entsprechende Weisung der Landesregierung an die Stadt Kerpen mit rechtlichen Mängeln behaftet war. Der Hinweis auf baurechtliche Regelungen zum Brandschutz sei vom Land vorgeschoben worden.
- Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat am Mittwoch in Paris der Prozess um die Anschläge des 13. November 2015 begonnen. Der Hauptangeklagte Salah Abdeslam nutzte seinen ersten Auftritt für islamistische Parolen.
Es war kurz vor halb zwei Uhr nachmittags, als Richter Jean-Louis Périès die Namen der Angeklagten in alphabetischer Reihenfolge aufrief. Er begann mit dem Mann, dem das ganze Interesse des Gerichtssaals galt: Salah Abdeslam, einziger Überlebender des Terrorkommandos, das am 13. November 2015 in Paris 130 Menschen getötet hatte. Der 31-Jährige mit schwarzem T-Shirt, schwarzen, nach hinten gegelten Haaren und dünnem Bart provozierte sofort. „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet“, sagte er hinter Sicherheitsglas. Als Périès nach seinem Beruf fragte, antwortete der Franko-Marokkaner: „Ich habe jedem Beruf entsagt, um Kämpfer des Islamischen Staates zu werden“. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“hatte sich zu der Anschlagserie auf das Stade de France, die Terrassen mehrerer Bars und den Konzertsaal Bataclan bekannt.
Bisher hatte Abdeslam, der vier Monate nach den Attentaten in Brüssel festgenommen wurde, zu den Ereignissen geschwiegen. Er sitzt seit 2016 im Gefängnis Fleury-Mérogis bei Paris ein, von wo ihn ein Polizeikonvoi in den alten Justizpalast im Herzen von Paris brachte. Schon in der knappen Stunde, die die Angeklagten in ihrer Box warten mussten, wirkte der Franko-Marokkaner mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen trotzig. So, als suche er größtmögliche Distanz – auch zu seinem Sitznachbarn Mohamed Abrini, seinem Freund aus Kindertagen. Insgesamt sind in dem Prozess 20 Männer angeklagt. Nicht alle waren direkt an der Attacke beteiligt.
Sechs von ihnen müssen sich in Abwesenheit verantworten, man weiß nicht einmal, ob sie nicht in Syrien umgekommen sind. Neun der zehn Mitglieder des Terrorkommandos starben bei den Anschlägen oder hinterher, darunter der Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud.
Abdeslam, dessen Bruder Brahim sich vor einer der Café-Terrassen in die Luft sprengte, sehen die Staatsanwälte
als Mitverantwortlichen der ganzen Anschlagserie. Ihm droht wegen Mordes und versuchten Mordes im Zusammenhang mit einer terroristischen Tat ebenso wie elf anderen Angeklagten eine lebenslange Haft. Der mutmaßliche Attentäter fuhr drei Komplizen mit dem Auto vor das Stadion Stade de France. Seinen eigenen Sprengstoffgürtel, der laut Experten defekt war, warf er auf einem Gehweg weg, um danach nach Brüssel zu fliehen – mithilfe Abrinis. Im Vorfeld der Anschläge holte er in Ungarn und Deutschland mit dem Auto mindestens sieben Dschihadisten ab, die zum Kommando des 13. November gehörten. Er kaufte auch das Mittel, um den Sprengstoff TATP herzustellen und besorgte Mietwagen und Hotelzimmer.
Der Vorsitzende Richter Périès, für den es der letzte Prozess vor der Pensionierung ist, ließ sich von Abdeslam nicht provozieren. In seinem kurzen Eingangsstatement blieb der 65-Jährige nüchtern. „Wir beginnen an diesem Tag einen Prozess, den ich als historisch, außergewöhnlich bezeichnen würde“, sagte er zu dem 140 Tage dauernden Verfahren der Superlative, für das für 7,5 Millionen Euro ein eigener Gerichtssaal gebaut worden war.
Am Mittwoch saßen von den 1800 Zivilklägern nur wenige tatsächlich auf den hellen Holzbänken – ein paar Meter von den Attentätern entfernt. Viele andere verfolgten die Übertragung des Prozessauftakts in anderen Sälen oder über ein eigens eingerichtetes Webradio. Zahlreiche Psychologinnen und Psychologen kümmerten sich in den Gängen des Gerichtsgebäudes um die Überlebenden und Angehörigen der Opfer.
Reden wollten allerdings nur wenige. Die meisten trugen rote Bänder um ihren Hals, die vor allem den mehr als 150 Journalisten zeigen sollten, dass sie nicht angesprochen werden wollen. „Sie erwarten nichts, aber sie wollen dabei sein. Sie wollen verstehen“, sagte Aurélie Cerceau, eine Opfer-Anwältin. Einigen ging es allerdings um mehr als neue Erkenntnisse.
„Ich will sehen, dass mein Land dieses schlimmste Verbrechen verurteilen kann“, bemerkte Arthur Dénouveaux, Vorsitzender der Opferorganisation Life for Paris. Der Sieg der Justiz über die Barbarei also. „Die Demokratie ist stärker als der Terrorismus“, formulierte es François Hollande ganz ähnlich.
Der Ex-Präsident soll unter strengster Bewachung im November vor Gericht aussagen. Bereits der erste Prozesstag fand unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Rund tausend Polizisten sicherten den alten Justizpalast auf der Île de la Cité im Herzen der Hauptstadt ab. „Die Terrorgefahr in Frankreich ist in dieser Zeit noch höher als sonst“, warnte Innenminister Gérald Darmanin im Radio. Der oberste Polizist des Landes ist besonders wachsam, seit Frankreich im Zuge des Prozesses um den Anschlag auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“im vergangenen Jahr eine neue Terrorserie erlebte. So etwas soll sich diesmal nicht wiederholen.