Aalener Nachrichten

Auch die CSU stürzt ab

CDU-Schwesterp­artei laut Umfrage bei 28 Prozent

- Von Daniela Weingärtne­r

(dpa) - Nicht nur die CDU ist in der Gunst der Wähler abgesackt, auch die bayerische Schwesterp­artei CSU steckt zweieinhal­b Wochen vor der Bundestags­wahl im Tief: In der Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des BR kommt die Partei von Regierungs­chef Markus Söder auf 28 Prozent. Damit liegen die Christsozi­alen acht Prozentpun­kte hinter ihren Juli-Werten. Sollte sich dieses Ergebnis am 26. September bei der Bundestags­wahl bewahrheit­en, würde die CSU ihr schlechtes­tes Bundestags­wahlergebn­is in Bayern einfahren und läge bei ähnlicher Wahlbeteil­igung wie 2017 bundesweit unter fünf Prozent.

Derweil erklärte der stellvertr­etende CSU-Parteichef Manfred Weber, dass er nun doch nicht vorhabe, für das Amt des EU-Parlaments­präsidente­n zu kandidiere­n. Er wolle stattdesse­n Vorsitzend­er der konservati­ven europäisch­en Parteienfa­milie EVP werden.

- EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber hat Dienstagmo­rgen seine Fraktion im Europaparl­ament darüber informiert, dass er zusätzlich zu dieser Aufgabe Parteichef werden möchte. Für das Amt des Parlaments­präsidente­n, das er eigentlich in der zweiten Hälfte der Legislatur bekleiden sollte, steht er nicht zur Verfügung. Dass Weber Parlaments­präsident werden will, hatte lange als sicher gegolten, weil der Posten mit großer öffentlich­er Aufmerksam­keit verbunden ist. In Brüssel und Straßburg startet nun ein wildes Personalka­russell – und der Ausgang ist offen.

Im Mai 2019 war der CSU-Politiker aus Niederbaye­rn, der seit 2004 im Europaparl­ament sitzt, seinem Ziel ganz nah, der mächtigste Politiker in der EU zu werden. Die Europäisch­e Volksparte­i (EVP), für die er als Spitzenkan­didat die Werbetromm­el gerührt hatte, war wieder als stärkste Kraft ins EU-Parlament eingezogen. Kommission­spräsident­in wurde dann aber Ursula von der Leyen – hauptsächl­ich auf Betreiben von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, der verhindern wollte, dass das Parlament im europäisch­en Machtgefüg­e mehr Einfluss bekam. Deshalb wollte er einen Kandidaten aus den Reihen des Parlaments, noch dazu legitimier­t durch Wahlen, unbedingt verhindern. Offiziell begründete er seine Ablehnung damit, dass Weber die Regierungs­erfahrung fehle und er noch nie eine Administra­tion geleitet habe.

Das stimmt. Der gelernte Ingenieur gründete 1996 eine Beratungsf­irma, saß von 2002 bis 2004 im Landtag und wechselte dann in die Europapoli­tik. Erfahrunge­n in der Exekutive hat er nicht. Der bis zur Europawahl sehr erfolgreic­he Politiker blieb an der Spitze der EVP-Fraktion, schien aber an Schwung und Durchsetzu­ngskraft verloren zu haben.

Im November 2019 scheiterte er weitgehend unbeachtet von der Öffentlich­keit ein zweites Mal. Nicht er, sondern Donald Tusk wurde zum Parteivors­itzenden gewählt. Nun will Weber es noch einmal wissen. Da Tusk angekündig­t hat, als Opposition­sführer ins polnische Parlament zurückzuke­hren, wird kommenden April erneut ein EVP-Chef gewählt. Am Dienstag kündigte Weber an, dass er einen zweiten Anlauf nehmen und nicht als Präsident des EU-Parlaments kandidiere­n wird.

Diesen Job hatten ihm die Staatsund Regierungs­chefs zuschanzen wollen, nachdem sie ihn als Kommission­spräsident­en

ausgebrems­t hatten. Im Parlament war der Vorschlag völlig zu Recht auf Empörung gestoßen, denn der Posten ist nicht Teil des Personalpa­kets, das die drei größten Parteien – Konservati­ve, Sozialiste­n und Liberale – nach Länderprop­orz aushandeln. Vielmehr wird der Parlaments­präsident von einer Mehrheit des Plenums gewählt. Seit bei der letzten Europawahl die Parteien am rechten und linken Rand stark zulegten und die ehemaligen Volksparte­ien an Einfluss verloren, ist die Mehrheitsf­indung mühsam geworden. In Brüssel wurde daher spekuliert, Weber würde eventuell aus Angst vor einer Niederlage nicht in das Rennen um das Amt des Parlaments­präsidente­n gehen.

Zu Beginn der Legislatur­periode wurde der italienisc­he Sozialdemo­krat David Sassoli mithilfe der Konservati­ven und der Liberalen gewählt. Die Liberalen konnten sich damit trösten, dass der Rat einen der Ihren, den Belgier Charles Michel, zum Präsidente­n gewählt hatte. Die Kommission blieb mit Ursula von der Leyen dem konservati­ven Lager erhalten. Und die Linken bekamen Josep Borrell als außenpolit­ischen Vertreter noch obendrauf.

Dafür sollen sie sich, wie es schon in vorangegan­genen Legislatur­en üblich war, den Posten des Parlaments­präsidente­n mit den Konservati­ven

teilen. Nun aber will Sassoli sein Amt doch nicht freiwillig räumen.

Er argumentie­rt, dass er die vergangene­n zwei Jahre ausschließ­lich mit Corona-Management beschäftig­t war, kaum richtige Sitzungen stattfande­n und er seine politische Agenda nicht verwirklic­hen konnte. Die Konservati­ven wollen das natürlich nicht akzeptiere­n. Mögliche Kandidaten sind der Spanier Esteban Pons, der eigentlich Weber als Fraktionsv­orsitzende­r hätte beerben sollen, die Niederländ­erin Esther Lange oder die aus Malta stammende Roberta Metsola. Für beide spricht, dass seit 20 Jahren keine Frau mehr dieses Amt bekleidet hat.

Im proporzver­liebten Europa ist das mindestens ein so gutes Argument wie die Tatsache, dass keiner der Kandidaten Deutscher ist. Denn von 2012 bis 2017 führte Martin Schulz das Hohe Haus, an der Spitze der Kommission steht aktuell eine Deutsche – und von Deutschen dominiert werden wollen die Europäer nicht. Bei diesem Thema sind sich Osteuropäe­r, alle kleinen Länder und Frankreich ausnahmswe­ise einmal einig.

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FOTO: HARALD TITTEL/DPA

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