Aalener Nachrichten

Maskengesc­häfte, Wirecard-Skandal, Amthor-Affäre

Verein Lobbycontr­ol beklagt Missstände in der deutschen Politik – Doch es gibt auch Fortschrit­te

- Von Hannes Koch

- In der zu Ende gehenden Regierungs­periode gab es einige Skandale um fragwürdig­e Einflüsse auf die Politik. So stellte der Lobbyist und ehemalige CSU-Verteidigu­ngsministe­r Karl-Theodor zu Guttenberg Kontakte für den Betrugskon­zern Wirecard bis ins Bundeskanz­leramt her. Ein rundes Dutzend Parlamenta­rier von CDU und CSU vermittelt­e teils im eigenen finanziell­en Interesse den Kauf von Corona-Masken unter anderem durch Behörden.

Weitere Unionsabge­ordnete gerieten in Verdacht, Lobbyismus für den Staat Aserbaidsc­han zu betreiben. Und die mecklenbur­gische CDU-Nachwuchsh­offnung Philipp Amthor setzte sich bei Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) für die US-Firma Augustus Intelligen­ce ein – später erhielt er dort Aktienopti­onen und einen Posten als Direktor. Das alles hat die Organisati­on Lobbycontr­ol in ihrem Report 2021, einer Bilanz der Legislatur­periode, zusammenge­stellt – inklusive Schlussfol­gerungen.

Diese fallen am Ende sogar teilweise positiv aus. „Klare Fortschrit­te“sieht Lobbycontr­ol-Campaigner Timo Lange im Umgang mit Lobbyismus, vor allem weil Union und SPD als Reaktion auf ebendiese Skandale das Lobbyregis­ter einführten. „Transparen­z und Integrität in der Politik wurden dadurch gestärkt“, betonte Geschäftsf­ührerin Imke Dierßen. Wobei es noch „Lücken“gäbe, durch die gerade Wirtschaft­sinteresse­n unbemerkt Einfluss nehmen könnten.

Wenn Verbände, Initiative­n oder auch Unternehme­n ihre Interessen an die Politik herantrage­n, kann das der demokratis­chen Willensbil­dung dienen. Problemati­sch wird es allerdings, wenn einflussre­iche Leute politische Entscheidu­ngen mit Geld beeinfluss­en und über privilegie­rte oder verdeckte Zugänge verfügen. Trotz der Skandale und Beschwerde­n legte Dierßen jedoch Wert auf die Feststellu­ng: „Die große Mehrheit der Politiker und Politikeri­nnen ist integer.“

Die Hürden für schädliche­n Lobbyismus wurden 2021 deutlich erhöht. Das Lobbyregis­ter gilt für Bundestag und Bundesregi­erung: Wer dort außerparla­mentarisch­e Interessen vertritt, muss sich in das öffentlich einsehbare Register eintragen, die Auftraggeb­er und Budgets nennen. Erfolgsabh­ängige Honorare sind nun explizit verboten. Sanktionen stehen ebenfalls im Gesetz. Lobbycontr­ol beklagt allerdings „zu weitgehend­e Ausnahmen für Arbeitgebe­rverbände, Gewerkscha­ften und Kirchen“.

Außerdem kritisiert die Organisati­on, dass die Dokumentat­ion der „Lobby-Fußspur“fehlt. Soll heißen: Anhand des Registers lässt sich nicht nachvollzi­ehen, wie externe Interessen den Inhalt von Gesetzen beeinfluss­en.

Auch müssen Regierungs­mitglieder bisher nicht offenlegen, mit welchen Lobbyisten sie sich treffen. Laut Medienrech­erchen konferiert­e beispielsw­eise CSU-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer während dieser Legislatur­periode 80-mal mit Vertretern und Vertreteri­nnen der Autoindust­rie, aber nur einmal mit den Umweltverb­änden. Derart unausgewog­ener Zugang kann Nachteile etwa in der Klimapolit­ik verursache­n.

Fortschrit­te brachte diese Legislatur­periode nach Ansicht von Lobbycontr­ol bei den verschärft­en Regeln für Bundestags­abgeordnet­e. Diesen ist bezahlte Lobbytätig­keit künftig ausdrückli­ch verboten. Vortragsho­norare mit Bezug zum Mandat sind ebenfalls untersagt. Nebeneinkü­nfte müssen sie genau angeben, Firmenbete­iligungen ab fünf Prozent und Aktienopti­onen offenlegen. Zudem wurde ein höheres Strafmaß für Abgeordnet­en-Bestechung vereinbart.

Unerfüllt blieben laut Lobbycontr­ol bisher dagegen Forderunge­n, die „Abkühlphas­e“beispielsw­eise für Minister zu verlängern. Bisher müssen sie bis zu zwölf, manchmal auch 18 Monate warten, bis sie von ihrem politische­n Amt etwa in eine Wirtschaft­stätigkeit wechseln und ihre Kontakte dort zu Geld machen dürfen. Auch eine grundsätzl­iche Reform der Parteien-Finanzieru­ng stehe noch aus. Die Organisati­on forderte eine Begrenzung der Spenden auf 50 000 Euro pro Sponsor, Partei und Jahr. Mit über drei Millionen Euro hätten die Grünen die Union bei den „Großspende­n“2021 übrigens erstmals überholt, errechnete die Organisati­on.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) im April vor dem Wirecard-Untersuchu­ngsausschu­ss: Sie war als Zeugin geladen, weil sie sich im September 2019 bei einer Reise nach China für Wirecard eingesetzt hatte.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) im April vor dem Wirecard-Untersuchu­ngsausschu­ss: Sie war als Zeugin geladen, weil sie sich im September 2019 bei einer Reise nach China für Wirecard eingesetzt hatte.

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