Durchschnittliche Apfelernte am See
Die Ernte fällt trotz Spätfrost im Frühjahr versöhnlich aus – Viele Obstbauern profitieren von Versicherungspolicen
(ank) Für die rund 1000 Obstbauern am Bodensee hat die Apfelernte begonnen. Die Landwirte rechnen in diesem Jahr mit einer durchschnittlichen Ernte von rund 257 000 Tonnen. Vor allem die Witterungsbedingungen und Einschränkungen aufgrund der Pandemie bedeuteten für die Obstbauern ein sehr anspruchsvolles Jahr, hieß es vom Verein Obstregion Bodensee am Donnerstag in Lindau. Spätfröste hatten im April zum Teil erhebliche Schäden in den Kernobstkulturen verursacht. Den Ertragsausfall müssen viele Obstbauern inzwischen aber nicht mehr alleine tragen.
- Am Bodensee hat nun auch offiziell die Apfelsaison begonnen. Zusammen mit Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und der baden-württembergischen Staatssekretärin im Agrarministerium, Sabine Kurtz (CDU), haben die Obstbauern am Donnerstag auf dem Gelände der Landesgartenschau in Lindau den Start der Apfelernte eingeläutet.
Die etwa 1000 Betriebe von Lindau in Bayern über Tettnang, Ravensburg bis nach Stockach im Kreis Konstanz rechnen in diesem Jahr mit einer durchschnittlichen Ernte. In Zahlen heißt das: rund 257 000 Tonnen Äpfel. Die Qualität: gut bis sehr gut. Ein anspruchsvolles Jahr sei es gewesen, ließ der Verein Obstregion Bodensee wissen. Die Einschränkungen aufgrund der Pandemie und vor allem die Witterungsbedingungen hätten es den Obstbauern nicht leicht gemacht.
Dietmar Rist kann das bestätigen. Der Landwirt treibt in Meckenbeuren (Bodenseekreis) in dritter Generation einen Obstbaubetrieb um, und baut auf rund 15 Hektar Fläche Stein- und Kernobst an – Kirschen, Birnen und natürlich Äpfel. Seit Montag läuft bei ihm die Ernte des beliebten Kernobsts, und wie viele seiner Berufskollegen hat er auch in diesem Jahr mit Frostschäden zu kämpfen.
Rückblick: In der zweiten Aprilwoche, in den Nächten vom 6. bis zum 9. April, waren die Temperaturen deutlich unter Null gesackt und hatten bei den Obst- und Weinbauern im Südwesten erhebliche Schäden an der Blüte verursacht. Sachverständige der Vereinigten Hagelversicherung kamen bei Rist damals zu dem Ergebnis, dass nur 20 bis 25 Prozent der Apfelblüten in seinen Kulturen überlebt hatten. Auch bei Kirschen und Birnen sah es nicht besser aus.
Bei idealen Witterungsbedingungen im weiteren Jahresverlauf hätte diese Quote für einen normalen Ernteertrag ausgereicht. Dann müssten jetzt 100 bis 120 Äpfel an jedem Baum hängen. Doch diese Idealbedingungen stellten sich nicht ein. Nach der Blüte, in der für die spätere Fruchtgröße wichtigen Zellteilungsphase, war es laut Rist zu kalt. Die Folge: Zu wenig Zellen und zu kleine Früchte. „Bei der Sorte Elstar sieht man das ganz deutlich. Da sind die Früchte kleiner als im Vorjahr“, sagt Rist. Bei
Jonagold sei der Behang sehr schwach, der Frostschaden folglich sehr hoch. Bei Jonagored hingegen hingen die Bäume voll.
Wie sich das alles im Ergebnis niederschlägt, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch offen, sagt Rist. Zum einen sei die Preisentwicklung noch nicht absehbar. Und zum anderen bekomme er einen Teil des Frostschadens durch die Vereinigte Hagelversicherung erstattet. Denn Landwirt Rist ist einer von 1290 Obst- und Weinbauern in BadenWürttemberg, die im vergangenen Jahr beim Pilotprojekt „Ertragsversicherung Obst- und Weinbau“teilgenommen und eine Police gegen Wetterrisiken
wie Starkfrost, Sturm und Starkregen abgeschlossen haben.
Nach den verheerenden Frostnächten im Frühjahr 2017, die den Landwirten im Südwesten erhebliche Ernteausfälle gebracht und das Land rund 50 Millionen Euro an Soforthilfen gekostet haben, hatte sich Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) für eine Kofinanzierung bei Ein- und Mehrgefahrenversicherungen im Obst- und Weinbau stark gemacht. Erstmals im vergangenen Jahr konnten Landwirte Zuschüsse von 50 Prozent der Versicherungsprämie beantragen, woraufhin die Assekuranz entsprechende Versicherungsprodukte entwickelte und
Deckungszusagen vor allem für Frostrisiken gab.
Vor zwei Wochen waren die Sachverständigen der Vereinigten Hagelversicherung zum Endgutachten auf Rists Flächen. Von den rund 20 versicherten Parzellen stellten sie Frostschäden zwischen 15 und 90 Prozent fest. Die Auszahlung der entsprechenden Versicherungssumme sollte, abzüglich des vereinbarten Selbstbehalts von 20 Prozent, „in den nächsten zwei Monaten über die Bühne gehen“, hofft Rist.
Profitabel ist das für die Assekuranz bislang nicht. „Die Frostschäden machen uns Kopfzerbrechen“, gesteht Hans-Ulrich Eppler, Bezirksdirektor
Baden-Württemberg bei der Vereinigten Hagelversicherung, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Infolge der Frostnächte im April hätten die Obstbauern im Bodenseeraum knapp 1100 Hektar an Kernobst – hauptsächlich Apfel – bei dem Spezialversicherer als geschädigt gemeldet. Das werde auf Entschädigungszahlungen im Volumen von acht bis zehn Millionen Euro hinauslaufen. Schon 2020 sei ähnlich schadenträchtig gewesen. In den vergangenen fünf Jahren, so Eppler, habe es drei schwere Frostjahre gegeben.
Was das für die Versicherungsprämien bedeutet, die die Landwirte zahlen müssen, ließ Eppler offen. „Wir machen uns Gedanken“, sagte der Manager. Beschlossen sei eine Erhöhung aber noch nicht. Im April betonte Unternehmenschef Rainer Langner im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, trotz des schadenträchtigen Starts in Deutschland weiterhin Deckungszusagen für Frostschutzrisiken geben zu wollen. Er machte aber deutlich, dass das auch vom Engagement von Bund und Ländern abhängt und verwies auf die Praxis in anderen EU-Staaten, wo bis zu 70 Prozent der Versicherungsprämien aus nationalen Fördertöpfen beglichen werden.
Dietmar Rist und viele andere Obstbauern in der Bodenseeregion jedenfalls sind froh, dass es Versicherungslösungen gegen Frostrisiken gibt. Er habe einen Fünfjahresvertrag abgeschlossen und wolle dabeibleiben, sagt der Landwirt. Denn damit sei die wichtigste Einnahmequelle seines Betriebs abgesichert. Das lasse ihn „ruhiger schlafen“. Schließlich gab es in den vergangenen Jahren kaum ein Frühjahr ohne Spätfröste. Und Meteorologen gehen davon aus, dass die Häufigkeit in den kommenden Jahren eher zu- als abnimmt.
Auf dieses Problem gingen am Donnerstag in Lindau auch Michaela Kaniber und Sabine Kurtz ein. Für Spätfröste brauche es einerseits technische Lösungen wie Beregnungsanlagen, aber auch Versicherungsleistungen, sagte die bayerische Landwirtschaftsministerin. Sowohl Bayern als auch Baden-Württemberg bezuschussen die Prämien für Mehrgefahrenversicherungen mit 50 Prozent. Nun will der Süden in Berlin und Brüssel dafür werben, dass solche Förderprogramme für ganz Deutschland eingeführt werden.