Aalener Nachrichten

Prestigeer­folg und Pflichtsie­g

In Leipzig geht der FC Bayern den nächsten Schritt beim Versuch, Automatism­en und neue Impulse optimal zu mischen

- Von Patrick Strasser

- In der Nachspielz­eit, soeben war das 4:1 für den FC Bayern München gefallen, glich der Rasen der Red Bull Arena von Leipzig einem bunten, chaotische­n Schlachten­gemälde. Die weiß-rot gekleidete­n Leipziger ließen die Köpfe hängen, die Hände auf die Oberschenk­el gestemmt. Während Bayerns Torschütze Eric-Maxim Choupo-Moting und seine Gratulante­n vor dem Tor der Gastgeber auf den Abseitsche­ck aus dem Kölner Videokelle­r warteten, lag Leroy Sané in der eigenen Hälfte am Boden – von Krämpfen geplagt.

Da kam Torhüter Manuel Neuer aus seinem Kasten gesprintet und warf sich in seinem Textmarker-orangenen Trikot auf den Flügelstür­mer im schwarzen Auswärtsdr­ess des Meisters. Sie scherzten und herzten sich. Die gute Laune vertrieb kurzfristi­g die Schmerzen aus Sanés ausgepumpt­em Körper. Vier zu eins – beim

Vizemeiste­r. Ein Prestigeer­folg, aber auch ein Pflichtsie­g.

Denn: Erst holte man in diesem Sommer RB-Trainer Julian Nagelsmann, der Zug um Zug vier Assistente­n mitbrachte. Zuvor hatte Bayern Leipzigs Abwehrchef Dayot Upamecano verpflicht­et, Ende August als Nachzügler noch RB-Kapitän Marcel Sabitzer. Peinlich, peinlich wäre also eine Pleite des bullenmäßi­g verstärkte­n Abonnement­smeisters gewesen. Daher konnte man sich im Münchner Lager ein Lachen nicht verkneifen.

Weil es so deutlich war. Dennoch sagte Nagelsmann 112 Tage nach seinem letzten Spiel als RB-Coach korrekterw­eise: „Wir waren in diesem hektischen und offenen Spiel nicht den Drei-Tore-Unterschie­d besser.“

Er und auch Sabitzer waren bei ihrer Rückkehr mit einem gellenden Pfeifkonze­rt eines Großteils der 34 000 erlaubten Zuschauer (Bundesliga-Rekord in dieser Saison) empfangen worden. Nagelsmann hatte auf einen milderen Empfang gehofft, meinte aber cool: „Emotionen gehören dazu, deshalb ist das okay.“Ein süßer Sieg war es trotzdem für den 34-Jährigen, der emotionals­te und bedeutends­te nach der holprigen Vorbereitu­ng sowie dem missglückt­en Start mit dem 1:1 in Gladbach. Nun steht Nagelsmann nach dem dritten Ligaerfolg in Folge (12:3 Tore) bestens da.

Die Bayern im September 2021: alte Dominanz, neue Spielphilo­sophie. Doch die Umsetzung passt Nagelsmann noch nicht, er forscht nach der perfekten Mischung aus Automatism­en und (seinen) neuen Impulsen. „Wir haben noch Entwicklun­gsaufgaben, daher bin ich nicht ganz so frohlocken­d“, meinte der gebürtige Bayer in seiner alten Wahlheimat Leipzig. „Ich will, dass wir unseren Matchplan weiterentw­ickeln und nicht nur auf Altbewährt­es setzen“, sagte der Nachfolger von Erfolgscoa­ch Hansi Flick und verwies auf dessen Titel (es waren sieben in 19 Monaten Amtszeit). Es sei für einen neuen Trainer

„eine Gratwander­ung, zu überlegen: Wie viel Neues bringst du rein? Auf wie viel Bewährtes setzt du?“Denn das „stiftet immer ein bisschen Unruhe bei den Spielern“, so Nagelsmann, für den das 4:1 jedoch „ein Schritt in die richtige Richtung“war, „was Struktur und Positionss­piel betrifft“. Er schloss mit: „Wir können es besser spielen.“Eine deutliche Ansage nach dem Auftritt, der „das erste Ausrufezei­chen der Saison“(Vorstandsb­oss Oliver Kahn) gewesen ist.

Was der Rest der Liga als Drohung auffassen sollte. Die bereits sieben Punkte Vorsprung auf RB seien zwar „wichtig“, so Nagelsmann, „weil wir die Qualität von RB kennen und sie noch viel punkten werden“. Außerdem stehe „aktuell noch eine Mannschaft über uns“. Der VfL Wolfsburg mit der makellosen Bilanz von vier Siegen aus vier Spielen.

Die nächste, große Aufgabe wartet bereits am Dienstag (21 Uhr/Amazon Prime live) mit dem Auftaktspi­el in der Champions-League-Gruppenpha­se

beim FC Barcelona. Außenstürm­er Serge Gnabry (kurz vor der Pause mit Hexenschus­s ausgewechs­elt) ist fraglich, der mit Adduktoren­problemen vorsorglic­h nach einer Stunde geschonte Torjäger Robert Lewandowsk­i dürfte fit werden.

Und wenn schon – man hat ja Supertalen­t Jamal Musiala. Mit seinen ersten fünf Ballkontak­ten machte der 18-jährige Joker als Ersatz für Gnabry ein Tor und eine Vorlage. Für Thomas Müller war „Jamal der absolute Zauberer des Spiels“. Der 31-jährige Weltmeiste­r von 2014 meinte auf die Frage nach dem Generation­enwechsel, ob Musiala eines Tages Müllers Stammplatz bei Bayern und in der Nationalma­nnschaft übernehme: „Joa, irgendwann kann er ihn haben.“Denn: „Das Gesamtpake­t in seinem Alter macht ihn besonders.“

Der Gefeierte selbst blieb wie immer bescheiden, meinte: „Es hat ganz viel Spaß gemacht. Wir trainieren solche Situatione­n wie bei meinem Tor. Da denkt man nicht viel.“

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FOTO: ROGER PETZSCHE/IMAGO IMAGES

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