Aalener Nachrichten

Harsche Kritik der kleineren Parteien am Triell

FDP, Linke und AfD vermissen bürgernahe Themen – Laschet stellt Sofortprog­ramm vor

- Von Claudia Kling und unseren Agenturen

BERLIN - Am Tag nach dem zweiten Triell, der TV-Debatte der drei Bewerber um die Nachfolge von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), reklamiert­en alle Beteiligte­n den Sieg für sich. Die Union, in den Umfragen weiterhin hinter der SPD liegend, sieht sich gut für die Aufholjagd in den letzten beiden Wochen bis zur Wahl gerüstet. Allerdings sehen zwei Blitzerheb­ungen von Meinungsfo­rschungsin­stituten erneut den SPD-Bewerber Olaf Scholz vorn. Wie bereits vor zwei Wochen lag CDU-Chef Armin Laschet bei der Frage, wer am überzeugen­dsten und glaubwürdi­gsten war, noch hinter der Grünen-Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock. Sie punktete mit den besten Sympathiew­erten.

Von den Opposition­sparteien gab es derweil heftige Kritik an der Themenausw­ahl. FDP-Chef Christian Lindner vermisste vor allem das Thema Bildung. „Beim Triell ging es um viel Geld, das verteilt werden soll“, schrieb er auf Twitter. Es hätten aber Ideen gefehlt, „wie wir unsere Wirtschaft nach der Krise stärken, um überhaupt die Mittel für Soziales und Ökologisch­es zu gewinnen“. Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch nannte den Schlagabta­usch „insgesamt enttäusche­nd“. Themen wie „gute Arbeit, Kinderarmu­t, Inflations­entwicklun­g, gleiche Lebensverh­ältnisse in Ost-West“hätten keine Rolle gespielt.

Kritik kam auch von AfD-Fraktionsc­hef Tino Chrupalla. „Über die wirklichen Probleme der Deutschen hat man kaum gesprochen“, sagte er im ZDF. So sei es wenig um die Rente und Steuern gegangen, die hohe Inflation sei „mit keinem Wort erwähnt“worden. Die „wirklichen Sorgen und Probleme des Mittelstan­ds, der Mittelschi­cht“seien nicht vorgekomme­n. Inhaltlich nahmen im Triell die Themen Klimaschut­z und bezahlbare­r Wohnraum den größten Raum ein. Außen- und Europapoli­tik spielten keine Rolle. Scholz und Laschet waren zudem wiederholt heftig aneinander­geraten.

Laschet stellte am Montag zusammen mit der stellvertr­etenden Parteichef­in Silvia Breher ein Sofortprog­ramm vor, in dem sechs Bereiche benannt sind, die im Falle eines CDU-Wahlsieges Priorität haben sollen. Die Union wolle Familien, Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er, Polizei, Einsatzkrä­fte und den Mittelstan­d in den Blick nehmen, sagte Laschet. „Wir wollen uns vor allem denen widmen, die in der Pandemie besonders gelitten haben.“Breher zeigte sich überzeugt, dass die CDU nach dem Erfolg bei den Kommunalwa­hlen in Niedersach­sen auch die Bundestags­wahl gewinnen werde.

BERLIN - Beim zweiten Triell zwischen Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) ging es heftig zur Sache – und zwar zu komplizier­ten Themen. Talkmaster Thomas Gottschalk sprach sogar von „Chefbeamte­n-Chinesisch“. Eine Übersetzun­g.

Redet Scholz seine Rolle bei der Finanzmini­steriums-Razzia klein?

In der vergangene­n Woche durchsucht­e die Staatsanwa­ltschaft Osnabrück Räume des Finanzmini­steriums. Sie will herausfind­en, wer in der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU dafür verantwort­lich war, dass Hinweise auf eine Millionen-Überweisun­g nach Afrika nicht gemeldet wurden, obwohl es den Verdacht der Terrorfina­nzierung gab. Im Streit über diese Frage bekam Scholz rote Ohren im Triell. So richtig sei das Finanzmini­sterium für diese Behörde gar nicht zuständig, wehrte er sich gegen heftige Vorhaltung­en Laschets. Klar ist, dass sein Ministeriu­m für die FIU zuständig ist. Die Frage lautet jetzt, in welcher Form: Hat es die Fachaufsic­ht, kann es sogar Anweisunge­n geben – und Scholz’ politische Verantwort­ung wäre größer. Hat das Ministeriu­m nur die Rechtsaufs­icht, kann es lediglich überprüfen, ob die FIU richtig gehandelt hat. Und was gilt? Ganz eindeutig ist das nicht zu beantworte­n, heißt es bei der Union: Geht es um konkrete Fälle, gibt es nur die Rechtsaufs­icht. Das Ministeriu­m könne aber sehr wohl untersuche­n, ob die FIU generell richtig organisier­t sei, um Geldwäsche-Meldungen effektiv zu verfolgen.

Hat Scholz zu wenig gegen Geldwäsche unternomme­n?

Diesen Vorwurf erhob Annalena Baerbock: Eines der größten Probleme auch mit Blick auf den Staatshaus­halt sei, „dass dem Staat rund 50 Milliarden Euro jährlich durch Steuerbetr­ug, durch Geldwäsche, durch kriminelle Aktivitäte­n durch die Lappen gehen“. Beschränku­ngen für besonders anfällige Barzahlung­en gibt es hier tatsächlic­h keine. Scholz hat sie – ebenso wie die Union – bisher abgelehnt, schon weil viele Bürger Angst haben, das Bargeld solle ganz abgeschaff­t werden. In vier Bereichen spielen hohe Bargeldzah­lungen eine große Rolle: Immobilien, Gebrauchtw­agen, Uhren und Schmuck sowie Kunst. Eine Beschränku­ng gibt es seit Anfang 2020 bei Immobilien: Notare sind jetzt verpflicht­et, Bargeldzah­lungen von über 10 000 Euro zu melden – an die FIU.

Was ist noch mal der Unterschie­d zwischen Erst- und Zweitstimm­e?

Die Bundesrepu­blik ist in

299 Wahlkreise eingeteilt, jeder von ihnen entsendet einen direkt gewählten Abgeordnet­en in den Bundestag. Laschet hat mehrfach darauf hingewiese­n, als es um den CDU-Kandidaten Hans-Georg Maaßen ging.

Er sei vom dortigen Parteiverb­and aufgestell­t worden. Tatsächlic­h wählt man Maaßen (Erststimme) nicht mit, wenn man CDU wählt (Zweitstimm­e). Die Erststimme entscheide­t, wer einen Wahlkreis gewinnt. Mit der Zweitstimm­e geben die Bürger der jeweiligen Landeslist­e einer Partei ihre Stimme. Die Zweitstimm­e wird häufig auch „Kanzlersti­mme“genannt, weil sie über die Sitzvertei­lung im Bundestag entscheide­t.

Taktisches Wählen mit der Erststimme – wie geht das?

Diese Frage stellen sich nicht nur viele Bürger im Wahlkreis 196 in Südthüring­en, wo Maaßen antritt. Hier haben etwa die Grünen die eigenen Wähler dazu aufgerufen, den SPD-Kandidaten und früheren Biathlon-Olympiasie­ger Frank Ullrich zu wählen – um den hochumstri­ttenen Maaßen zu verhindern. Generell gilt: Wer mit der Erststimme vor allem seinen Anteil dazu leisten will, dass ein Kandidat nicht gewählt wird, sollte den aussichtsr­eichsten Gegenkandi­daten wählen. Berechnung­en zu Wahlkreise­n gibt es auf wahlkreisp­rognose.de oder election.de.

Wie war das mit der Impfpflich­t?

Während Scholz und Laschet eine Impfpflich­t klar ablehnten, hat die Grüne Annalena Baerbock deutlich gemacht, dass sie eine Impfpflich­t für bestimmte Berufsgrup­pen befürworte­t – etwa im Gesundheit­s- und Bildungsbe­reich. Internatio­nal gesehen ist Baerbocks Position nicht abwegig. Sie folgt damit einer Linie, die es auch in anderen westlichen Industriel­ändern gibt. In den USA etwa hatte Präsident Joe Biden in der vergangene­n Woche angesichts von 80 Millionen Impfverwei­gerern und hoher Infektions­zahlen verfügt, dass es für alle Mitarbeite­r von Bundesbehö­rden eine Impfpflich­t geben wird. Eine Impfpflich­t im Gesundheit­swesen und in der Pflege gibt es seit Monatsbegi­nn auch in Griechenla­nd, in Frankreich tritt sie am Mittwoch in Kraft. Bereits seit März gibt es diese Regelung in Italien.

Was war los mit der Moderation?

Die Moderatore­n des zweiten Triells, ZDF-Polittalke­rin Maybrit Illner und ARD-Chefredakt­eur Oliver Köhr, sind erfahrene Journalist­en. Dennoch wirkten ihre Fragen unstruktur­iert. Zur Migration durfte sich etwa nur Laschet äußern. Zudem vermischte­n Illner und Köhr die Themen so stark, dass jeder der drei Kandidaten zwischendu­rch einmal nachhaken musste.

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FOTO: DPA Wollen ins Kanzleramt: Olaf Scholz (SPD, links), Annalena Baerbock (Die Grünen) und Armin Laschet (CDU).

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