Aalener Nachrichten

Spahn droht Impfunwill­igen

Minister schließt finanziell­e Konsequenz­en nicht aus – Aktionswoc­he gestartet

- Von Josefine Kaukemülle­r, Stella Venohr und Basil Wegener

BERLIN (dpa/epd) - Bund, Länder und Kommunen gehen seit Montag gezielt auf die Menschen in Deutschlan­d zu, die bisher keine CoronaImpf­ung haben. Sie können sich an vielen Stellen oft ohne Termin und stets kostenfrei gegen Corona impfen lassen – etwa in Fußgängerz­onen, Geschäften, Zoos oder Vereinen. Zum Start der Impfaktion­swoche sagte Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) im WDR, mehr Menschen zu überzeugen sei nötig, um sicherer durch Herbst und Winter zu kommen. Es gelte, sich auf eine weiter steigende Corona-Welle mit der Deltavaria­nte vorzuberei­ten.

Zugleich drohte Spahn Impfunwill­igen. Wer sich nicht gegen das Coronaviru­s impfen lassen will, obwohl für ihn ein zugelassen­er Impfstoff zur Verfügung steht, muss nach Ansicht des Gesundheit­sministers die finanziell­en Konsequenz­en tragen. Dies gelte zum Beispiel für die Kosten eines Tests vor einem Restaurant­besuch, sagte Spahn. Es sei auch nicht einzusehen, warum andere den Verdiensta­usfall zahlen sollten, wenn jemand als Kontaktper­son oder Reiserückk­ehrer aus einem Risikogebi­et in Quarantäne müsse. Mehrere Bundesländ­er hatten zuletzt ein Ende der Entschädig­ung des Verdiensta­usfalls für Ungeimpfte beschlosse­n, darunter auch BadenWürtt­emberg. Ab 11. Oktober werden auch die Corona-Tests bundesweit kostenpfli­chtig sein.

BERLIN (dpa) - Im Rahmen einer Impfaktion­swoche können sich Bürgerinne­n und Bürger seit Montag an alltäglich besuchten Orten gegen das Coronaviru­s impfen lassen. So soll das zuletzt stockende Impftempo gesteigert werden. Mit Hunderten Impfaktion­en gehen Bund, Länder und Kommunen gezielt auf ungeimpfte Menschen zu – ein Impftermin wird meist nicht gebraucht. Konkret umfasse die Liste der Woche bereits etwa 700 Aktionen, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Die Zahl wächst ständig weiter.“

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte zum Start der Aktionswoc­he auf WDR 5, mehr Menschen zu überzeugen sei nötig, um sicherer durch Herbst und Winter zu kommen. Es gelte, sich auf eine weiter steigende Corona-Welle mit der Deltavaria­nte vorzuberei­ten. Die Woche hat das Motto #HierWirdGe­impft. Im Internet aufgeführt­e Aktionen reichen von Impfen ohne Termin am alten Flughafen Schönefeld in Berlin bis zur Impfung beim Heimspiel des Eishockey-Spitzenclu­bs Kölner Haie. Die Impfung ist kostenlos.

Spahn sagte: „Es gibt immer noch diejenigen, die eigentlich gar nichts gegen das Impfen haben, die vielleicht sogar schon mal einen Termin hatten, den haben sie verpasst und sie haben sich einfach keinen neuen gemacht.“Im Supermarkt, auf dem Baumarkt, im Zoo oder auch auf dem Herbstfest des Heimatvere­ins nähmen die Menschen dann die Möglichkei­t wahr.

In Deutschlan­d liegt die Impfquote weit hinter der Marge, die zur Verhinderu­ng einer großen vierten Welle als nötig erachtet wird. Stand Montag sind 62,2 Prozent der Gesamtbevö­lkerung voll geimpft. Mindestens eine Impfdosis haben 66,5 Prozent.

Die Regierung strebt bei den über 60-Jährigen eine Quote von mehr als 90 Prozent an, bei den Zwölf- bis 59Jährigen von 75 Prozent, wie Spahn vergangene Woche gesagt hatte. Nötig seien dafür noch rund fünf Millionen Impfungen. Seibert stellte klar, dass es keine Zielzahl für diese Woche gebe. „Aber wir wissen: Jede weitere Impfung zählt.“

Experten betonten unterdesse­n die Notwendigk­eit, noch Ungeimpfte mit niedrigsch­welligen Informatio­nsangebote­n zu erreichen. „Wir wollen die Menschen aufsuchen. Das ist sicherlich eine gute Idee, aber sie muss kombiniert werden mit guter Aufklärung, mit aktiver Aufklärung“, sagte Cornelia Betsch, Expertin für Gesundheit­skommunika­tion an der Universitä­t Erfurt, am Montag bei einem Pressebrie­fing. Informatio­nen, die bei Zögernden und Unentschlo­ssenen Vertrauen für eine Impfung schaffen könnten, müssten auch für Menschen, deren erste Sprache nicht Deutsch sei, gut verständli­ch sein.

Wichtig sei es auch, die Impfdebatt­e „raus aus dieser politische­n Arena wieder mehr zu einem Gesundheit­skontext“zu bekommen, so die Expertin. Als Absender von Informatio­nen müssten Ärzte und Wissenscha­ftler, nicht Politiker im Fokus stehen. „Impfen ist eine wichtige Gesundheit­sentscheid­ung, keine politische Entscheidu­ng oder politische­s Statement“, betonte Betsch.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier sagte am Montag beim Besuch einer Impfaktion an einer Berliner Schule: „Die Jugendlich­en haben mir gesagt, dass zu viele Informatio­nen über die traditione­llen Medien gelaufen sind und zu widersprüc­hliche über die sozialen Medien.“

Besonders in den sozialen Medien sei viel Propaganda von Impfunwill­igen und Verschwöru­ngstheoret­ikern betrieben worden. „Das hat ganz offensicht­lich Wirkung hinterlass­en bei den Jugendlich­en, die sich vorrangig aus den sozialen Medien informiere­n.“

Mit Blick auf die Impfung Minderjähr­iger seien Informatio­nsangebote entscheide­nd, die sich sowohl an die Kinder und Jugendlich­en als auch an ihre Eltern adressiert­en, sagte Betsch. Mit der Stiko-Impfempfeh­lung für Schwangere, Frauen mit Kinderwuns­ch und Stillende ergebe sich außerdem die Chance, diese wichtige Gruppe der noch ungeimpfte­n Frauen verstärkt anzusprech­en.

Spahn wies derweil zurück, dass es zu viel Druck auf Ungeimpfte gebe. Es sei die eigene Entscheidu­ng, ob man sich impfen lasse. Doch man müsse auch die Konsequenz­en aus der Entscheidu­ng tragen. Wenn etwa ein Ungeimpfte­r nach einer Reise in ein Risikogebi­et in Quarantäne müsse, so Spahn – warum sollten dann alle anderen dafür zahlen? Spahn bezeichnet­e es als wichtig, dass aus Spannungen zwischen Geimpften und Nichtgeimp­ften keine gesellscha­ftliche Spaltung werde.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/AFP Ein Arzt impft eine Schülerin an der Berliner Ruth-Cohn-Schule. Aufmerksam­er Beobachter ist Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier.

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