Schüler schwach bei Wirtschaftsthemen
Schüler sind sich ihrer Defizite bewusst und wollen mehr über Grundlagen und Zusammenhänge lernen
BERLIN (dpa) - Neue Umfragen lassen Zweifel aufkommen, ob an deutschen Schulen ausreichend über Wirtschaftsthemen informiert wird. Die Mehrheit der 14- bis 24-Jährigen fühlt sich bei Begriffen wie Inflation, EZB, Investmentfonds oder Aktie unsicher. So können laut einer Kantar-Erhebung im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) 44 Prozent nichts mit dem Begriff Inflationsrate anfangen. Knapp ein Drittel (31 Prozent) kann nicht erklären, was eine Aktie ist.
BERLIN - Was wissen Deutschlands Jugendliche über Wirtschaft? Nicht viel, wie eine Umfrage des Bankenverbands zeigt. Schon Grundbegriffe wie Inflation oder die Arbeitsweise der Europäischen Zentralbank bereiten Probleme. An den 14- bis 24-Jährigen selbst liegt es nicht, sie würden gern mehr lernen, können es aber nicht – weil das entsprechende Fach an vielen Schulen fehlt. Der Bankenverband spricht von einer beachtlichen Diskrepanz zwischen dem, was sie wissen, und dem, was sie wissen wollen.
68 Prozent der Befragten haben an ihrer Schule nichts oder fast nichts über Wirtschaft gelernt. Gleichzeitig wünschen sich 76 Prozent, dass das Thema im Unterricht einen höheren Stellenwert bekommt. 77 Prozent halten ein eigenes Schulfach „Wirtschaft“für wichtig. Nur bei jedem 20. Befragten gab es das bereits. Übersetzt in eine Schulnote wäre das vielleicht gerade noch eine Vier minus. Für die repräsentative Jugendstudie hat der Bankenverband im Juli 700 Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland befragen lassen.
„Die jungen Menschen haben ein klares Bewusstsein, dass sie nicht genug wissen“, sagte Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Er sieht in den Ergebnissen auch ein klares Signal an die Politik, die Situation zu ändern. Der Bankenverband vertritt die privaten Banken in Deutschland.
Ein eigenes Fach für Wirtschaft gibt es demnach in Baden-Württemberg und in Niedersachsen an bestimmten Schultypen. Seit diesem Schuljahr können Schüler auch in Nordrhein-Westfalen wirtschaftliches Grundwissen lernen – kombiniert mit Politik. In allen anderen Bundesländern laufen wirtschaftliche Zusammenhänge im Unterricht irgendwie mit – wenn überhaupt. „Das steht und fällt mit dem Engagement der Lehrer“, sagte Krautscheid.
Die können ihre Schüler zum Beispiel motivieren, am Planspiel Börse der Sparkassen teilzunehmen. Dabei wird mit einem fiktiven Konto an einer fiktiven Börse spekuliert, die die echte Börse abbildet. Der Bankenverband bietet ein Planspiel, bei dem Schüler eine Bank gründen und durch die Widrigkeiten des echten Lebens steuern müssen. Es gibt auch Newsletter, die Lehrer mit Hintergrundinformationen zu aktuellen Themen versorgen – alles kein echter Ersatz für ein klassisches Schulprogramm, wie Krautscheid sagte.
Die Kultusminister der Länder vom Thema zu überzeugen, ist offenbar schwierig. Krautscheid berichtete, dass über das Fach Wirtschaft seit Jahren diskutiert wird. Er sagte auch, dass man den Stundenplan nicht beliebig ausweiten könne. Wirtschaft konkurriert da zum Beispiel auch mit Informationstechnologie, ein Bereich, der in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden ist und elementar für den Industriestandort Deutschland. Die Schüler können dann vielleicht in Grundzügen verstehen, wie ein Roboter programmiert wird, nicht aber, was die Altersvorsorge ausmacht.
Der Bankenverband fragte nach bestimmten Begriffen. „Inflationsrate“kannten demnach 56 Prozent der Befragten. Das waren deutlich weniger als in der Umfrage 2018. Bei der Höhe mussten allerdings 84 Prozent passen. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) darauf achtet, dass die Preise in der Euro-Zone weitgehend stabil bleiben, beantwortete nur ein Drittel richtig. 2018 wussten es noch fast zwei Drittel der Befragten. Mit einem Investmentfonds konnten 40 Prozent etwas anfangen, nur 28 Prozent konnten auch erklären, was sich hinter dem Begriff verbirgt.
Es ist bereits die siebte Umfrage dieser Art seit 2003. Die Ergebnisse ähneln sich seit Jahren. Sie schwanken etwas, hatten aber einen leichten Aufwärtstrend. Die Jugendlichen lernten offenbar dazu. Im Vergleich zur Umfrage 2018 ist der Wissensstand jetzt allerdings deutlich schlechter. Der Bankenverband erklärt sich das mit der Corona-Krise, die die Schüler bundesweit dazu zwang, von zu Hause aus zu lernen.
Und die Krise hat Spuren hinterlassen. 83 Prozent der Befragten sind optimistisch, was die Zukunft angeht, allerdings waren es 2015 immerhin 90 Prozent, 2018 noch 85 Prozent. Gleichzeitig sehen 44 Prozent der Befragten die Zukunftschancen durch die Corona-Krise beeinträchtigt. Die Politik in der Krise ist an den 14- bis 24-Jährigen vorbeigegangen. Grundsätzlich fühlten sich zwei Drittel im Vergleich zu älteren Menschen benachteiligt.
In einer ebenfalls am Montag veröffentlichten Forsa-Erhebung im Auftrag des Fondsanbieters Union Investment bekamen Schulen von jungen Erwachsenen in Deutschland schlechte Noten für die Vermittlung von Finanzwissen. 64 Prozent der hierbei befragten 18- bis 29-Jährigen beurteilen die Leistung der Schulen in dieser Frage als mangelhaft oder ungenügend – Durchschnittsnote: 4,8. Gerade einmal sechs Prozent finden, dass Schulen bei der Vermittlung von Finanzwissen gute beziehungsweise sehr gute Leistungen erbringen. Entsprechend schwach schätzen die 18- bis 29-Jährigen in der Umfrage von Union Investment ihr eigenes Finanzwissen ein. Sie beschäftigen sich weder oft noch gerne mit Finanzthemen, räumen aber zugleich ein, dass es eines der wichtigsten Themen sei, um gut auf das Leben vorbereitet zu sein. „Beim Thema Finanzbildung wären die Schulen nach dieser Beurteilung stark versetzungsgefährdet“, kommentierte Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment.