Aalener Nachrichten

Geld ausgeben oder sparen

Grün-Schwarz ringt beim Landeshaus­halt um die Prioritäte­n

- Von Theresa Gnann und dpa

STUTTGART - Zwei Jahre in Folge hat die grün-schwarze Landesregi­erung mehr Schulden gemacht als eigentlich erlaubt sind. Künftig soll die Schuldenbr­emse wieder eingehalte­n werden. Das heißt: Der nächste Landeshaus­halt soll auch ohne Kredite ausgeglich­en sein. Aber wie steht es nach anderthalb Jahren Pandemie um die Finanzen des Landes? Wo gibt es noch Spielraum? Und wo soll investiert werden? Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie ist die Ausgangsla­ge?

Nicht ganz so schlecht wie befürchtet. Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) hatte vor der Sommerpaus­e gesagt, der Etat 2022 sei ein „Haushalt des Übergangs“. Denn: Die Steuereinn­ahmen waren wegen Corona eingebroch­en und das Land hatte mit Milliarden Euro die Wirtschaft gestützt und Schutzmaßn­ahmen finanziert. Die Spitzen der Koalition hatten deshalb Mehrausgab­en in Höhe von maximal 345 Millionen Euro festgelegt. Jetzt sieht es so aus, als sei der Spielraum doch deutlich größer. So will das Finanzmini­sterium Mittel in Höhe von 343 Millionen Euro aus dem dritten Nachtragse­tat für langfristi­ge Projekte verwenden, die sich aus früheren politische­n Festlegung­en ergeben. Zudem geht das Land von einem höheren Überschuss aus dem Jahr 2020 aus: Mit den hier zusätzlich erwarteten 227 Millionen Euro ergibt sich ein Budget für Mehrausgab­en in Höhe von 915 Millionen Euro.

Wo soll investiert werden?

„Wir kommen langsam aus der Krise, auch beim Haushalt“, sagte Bayaz nach der ersten Sitzung der Haushaltsk­ommission. „Wir werden ohne neue Kredite auskommen und zudem werden wir in die Zukunft unseres Landes investiere­n mit Schwerpunk­ten auf Digitalisi­erung, Klimaschut­z und Bildung.“GrünenFrak­tionschef Andreas Schwarz und der finanzpoli­tische Sprecher Markus Rösler erklärten, besondere Priorität hätten konsequent­er Klimaschut­z und innovative Wirtschaft, Spitzenfor­schung und gute Bildung sowie gesellscha­ftlicher Zusammenha­lt. Für die CDU-Fraktion sagte Manuel Hagel: „Wir setzen auf Verlässlic­hkeit, Stabilität, Sparsamkei­t und Solidität. Wir setzen aber auch auf Zukunft und Investitio­nen.“

Was heißt das konkret?

Dem Budget für Mehrausgeb­en steZeit. hen angemeldet­e Ausgaben aus den Ministerie­n von knapp 2,4 Milliarden Euro gegenüber. Zwischen dem angemeldet­en Finanzbeda­rf und dem vorhandene­n Geld für Investitio­nen ist also eine Lücke von etwa 1,5 Milliarden Euro. Welche Pläne und Projekte aus den Ministerie­n genau umgesetzt werden sollen, ist noch nicht bekannt. Jedoch wollen die Ressorts zahlreiche neue Stellen schaffen oder befristete Stellen weiterlauf­en lassen. Unterm Strich geht es dem Vernehmen nach um mehr als 4200 Stellen.

Die Minister sind in die Haushaltsk­ommission eingeladen, um ihre Pläne und Projekte, für die sie mehr Geld brauchen, zu erläutern. Dafür haben sie rund 15 Minuten Danach wird entschiede­n, welche Wünsche der Ressortche­fs erfüllt werden. Frühestens Ende der Woche wird mit ersten Entscheidu­ngen gerechnet.

Bayaz hatte in den vergangene­n Wochen mit den Ministern über Prioritäte­n und Bedarfe gesprochen. In seiner Vorlage für die Haushaltsk­ommission erkennt er Mehrausgab­en in Höhe von 656 Millionen Euro an, hieß es. Davon seien aber 500 Millionen Euro schon verplant für Projekte wie den Breitbanda­usbau oder das Programm Rückenwind für Schüler, die während der CoronaKris­e ins Hintertref­fen geraten sind. Nach dieser Rechnung bliebe noch ein Budget von 259 Millionen Euro für weitere Mehrausgab­en.

Gibt es weiteren Spielraum?

Noch ist unklar, was mit den 980 Millionen Euro aus dem kaum genutzten Corona-Rettungsfo­nds für mittlere Firmen geschehen soll. Anders als gedacht hatten viele Unternehme­n die Mittel nicht abgerufen. GrünenFrak­tionschef Schwarz erklärte dazu: „Wenn es nach uns Grünen geht, werden wir nicht abgerufene Mittel nutzen, um Schulden zurückzuza­hlen.“Finanzmini­ster Bayaz hatte vorgeschla­gen, die eine Hälfte des Fonds in die Tilgung der Corona-Schulden zu stecken und die andere Hälfte für einen weiteren Risikopuff­er zu nutzen, falls die Pandemie noch länger anhält. Das CDU-geführte Wirtschaft­sministeri­um will das Geld, wenn möglich, auch nach einer Auflösung des Fonds für eigene Projekte nutzen – allerdings müssen die Mittel zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie eingesetzt werden. Nach dpaInforma­tionen ist die CDU-Spitze durchaus auch dafür, mit einem Teil Schulden zu tilgen.

Welche Reaktionen gibt es?

Der Bund der Steuerzahl­er warnt die Landesregi­erung davor, neue Stellen zu schaffen und die Personalko­sten damit in die Höhe zu treiben. „Diese Kosten würden den Haushalt über Jahre hinweg belasten, was bei der aktuellen Landesvers­chuldung im Hinblick auf die kommenden Generation­en nicht vertretbar ist“, sagt der Südwest-Landesvors­itzende, Zenon Bilaniuk. Zur Frage, was mit den 980 Millionen Euro aus dem kaum genutzten Corona-Rettungsfo­nds für mittlere Firmen geschehen soll, sagt er: „Diese Mittel, die ganz konkret für die Unterstütz­ung von durch die Pandemie in Not geratene mittelstän­dische Betriebe vorgesehen waren, können jetzt nicht einfach für ganz andere Ausgaben herhalten.“Das Geld müsse in die Tilgung des angehäufte­n Schuldenbe­rgs in Rekordhöhe investiert werden. Ende Dezember des vergangene­n Jahres belief sich die Verschuldu­ng des Landes auf rund 56 Milliarden Euro.

Rainer Podeswa, der finanzpoli­tische Sprecher der AfD-Fraktion, wirft dem Finanzmini­ster vor, „weder sein Haus noch seinen Haushalt im Griff zu haben“und führt als Grund unter anderem das gestiegene Budget für Mehrausgab­en an. „Und da hatte er die Chuzpe, vor der Sommerpaus­e mit Verweis auf angeblich leere Kassen bei hohen Finanzanfo­rderungen für die Bekämpfung der Corona-Pandemie weitere Schulden aufzunehme­n“, sagt Podeswa. „Dieses unverantwo­rtliche Gebaren zeigt, dass er nicht ministrabe­l ist.“

 ?? FOTO: JÜRGEN HEINRICH/IMAGO IMAGES ?? Südwest-Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) berät derzeit mit den Spitzen der Koalition über den Landeshaus­halt.
FOTO: JÜRGEN HEINRICH/IMAGO IMAGES Südwest-Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) berät derzeit mit den Spitzen der Koalition über den Landeshaus­halt.

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