Europa-Pläne der Ampel sind richtig
In Zeile 4415 des Koalitionsvertrages haben die Ampel-Parteien ihre Europa-Ziele aufgeschrieben: Sie wollen die Union weiterentwickeln zu einem „föderalen europäischen Bundesstaat“, die Vereinigten Staaten von Europa sozusagen. Das ist natürlich einerseits nicht völlig überraschend, weil dies dem ja bekannten europapolitischen Konsens von SPD, Grünen und FDP entspricht. Es besteht aber, wie auch die Ampel-Parteien nun merken, durchaus ein Unterschied zwischen einem grundsätzlichen Bekenntnis zum föderalen Europa und der Niederschrift als konkretes Regierungsziel.
Bundeskanzler Olaf Scholz bekam die heftigen Abwehrreaktionen bereits zu spüren – beispielsweise bei seinem Besuch in Warschau vor einigen Tagen. Regierungschef Mateusz Morawiecki warnte vor „bürokratischem Zentrismus“und sogar vor „Gleichschaltung“. Nun ist Polen derzeit nicht gerade als verlässlicher Gradmesser in Europafragen geeignet. Grundsätzlich aber werden die Bedenken gegen einen Bundesstaat Europa – und sei er noch so föderal und subsidiär – auch anderswo geteilt. Die Vorstellungen über die politische Zukunft des Kontinents klaffen auf ebendiesem Kontinent weit auseinander. Selbst die kleineren Schritte, die die rot-grün-gelbe Koalition sich vorgenommen hat, von der Mehrheitsentscheidung in der Außenpolitik bis zu echten europäischen Wahllisten, dürften in nächster Zeit nicht durchsetzbar sein.
Europa hat derzeit ohnehin alle Hände voll zu tun: Rechtsstaatsdebatte, Brexit, Migrationskrise, Inflation, Pandemie binden fast alle Aufmerksamkeit. Die EU wirkt so gesehen wie ein dringend reparaturbedürftiges Auto, das quietscht und klappert, bei dem die Koalition aber trotzdem das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken will.
Dennoch: Scholz und seine Koalitionäre haben recht. Für die EU gibt es eigentlich keine andere Möglichkeit, als in Zukunft entschlossen nach vorne durchzustarten. 400 Millionen Europäer haben in einer Welt von acht Milliarden Menschen nur dann eine Chance, wenn sie sich so eng wie möglich unterhaken.