Steinmeier gibt Fehler in Russland-Politik zu
Heutiger Bundespräsident hat Verhältnis zu Putin über Jahre maßgeblich mitgestaltet
- Wie kaum ein anderer wurde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zuletzt für die deutsche Russland-Politik kritisiert. Nun hat er dazu Stellung genommen.
Es ist wenige Wochen her, da hatte Steinmeier unmissverständliche Worte an Russlands Präsidenten Wladimir Putin gerichtet: „Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine!“, forderte der gerade wiedergewählte Bundespräsident in seiner Antrittsrede. Genutzt hat es nichts, wenige Tage später begann Putin den Krieg.
Seither wächst die Kritik an der bisherigen deutschen Russland-Politik. Vor allem Steinmeier geriet zuletzt in den Fokus: Denn als Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder (SPD) und als Außenminister unter Angela Merkel (CDU) hat der Sozialdemokrat das deutsche Verhältnis zu Putin über viele Jahre hinweg maßgeblich mitgestaltet. Ein Verhältnis, das inzwischen viele als zu eng und zu naiv kritisieren. Immer lauter wurde eine öffentliche Korrektur gefordert.
Dem ist Steinmeier nun nachgekommen. Im Gespräch mit Journalisten am Montag im Schloss Bellevue räumte Steinmeier Fehleinschätzungen ein. „Die bittere Bilanz: Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird. Wir sind gescheitert mit dem Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden“, sagte er.
Konkret und ausdrücklich nannte Steinmeier auch sein persönliches
Beharren auf der Fertigstellung der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. „Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben“, sagte er.
Die Gasröhre, die trotz der russischen Eskalation erst im Februar auf Eis gelegt wurde, war von Kanzlerin Merkel wie auch ihrem Nachfolger Olaf Scholz (SPD) stets als rein privatwirtschaftliches Projekt bezeichnet worden. Zu dessen Verteidigern gehörte auch Steinmeier.
Noch vor einem Jahr, also lange nach der Annexion der Krim beispielsweise, nannte der Bundespräsident die Energiebeziehungen die „letzte Brücke zwischen Russland und Europa“und fügte hinzu: „Ich finde: Brücken abzubrechen ist kein
Zeichen von Stärke.“Genau diese Haltung wurde ihm allerdings zunehmend als Schwäche ausgelegt. Vor allem der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, macht Steinmeier seither schwere Vorwürfe. Die bislang härtesten Worte wählte der seinerseits nicht unumstrittene Melnyk am Wochenende: „Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal, was geschieht, auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle.“
Der Bundespräsident, der gerade erst von einer Corona-Infektion genesen ist, ging in seinen Äußerungen vom Montag nicht auf die Angriffe des ukrainischen Diplomaten ein. Er verwahrte sich aber gegen den Vorwurf, das Schicksal des Landes zu vernachlässigen. „Ich leide sehr mit den Menschen in der Ukraine mit. Nach Anfang 2014 hat kein anderes Land meine Arbeit so geprägt“, sagte Steinmeier, der als Außenminister unter anderem bei der Umsetzung der nun gescheiterten Friedenspläne von Minsk half.
Steinmeier räumte ein, sich in dem russischen Präsidenten getäuscht zu haben. „Meine Einschätzung war, dass Wladimir Putin nicht den kompletten wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt.“Hoffnungen auf eine wirklich befriedigende Verhandlungslösung mit dem amtierenden russischen Präsidenten hat Steinmeier nicht mehr. „Mit einem Russland unter Putin wird es keine Rückkehr zum Status quo vor dem Krieg geben.“