Aalener Nachrichten

Touristen-Boom im Irak

Trotz Reisewarnu­ng zieht es Urlauber wieder zu den Weltkultur­erbestätte­n in Babylon

- Von Laure Al Khoury

(AFP) - Ileana Ovalle posiert im irakischen Babylon für ein Urlaubsfot­o vor dem blauen IschtarTor, das schon unter Saddam Hussein wieder aufgebaut worden war. Nach dem Sturz des Diktators in der US-geführten Invasion 2003 waren lange Zeit die meisten Ausländer im Land Soldaten, doch inzwischen kommen immer mehr Urlauber. Im vergangene­n Jahr zog es nach Angaben der Behörden 107 000 Touristen ins Land, unter anderem aus Großbritan­nien, Frankreich, den USA und auch Deutschlan­d. Das waren mehr als dreimal so viele wie 2020.

„Der Irak gehörte zu meinen drei Topländern“, sagt die 50-jährige Kalifornie­rin Ovalle, die schon 40 Länder bereiste. „Hier hat die Zivilisati­on ihren Anfang genommen.“Die meisten westlichen Regierunge­n warnen noch immer vor Reisen in das Land und verweisen auf Entführung­en, Bombenansc­hläge und nicht geborgene Munition. Auch das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in den Irak „aufgrund der volatilen Sicherheit­slage“.

Doch wer sich davon sowie von Straßenspe­rren und mangelnder Infrastruk­tur nicht abschrecke­n lässt, findet ein Reiseziel mit mehreren Weltkultur­erbestätte­n, das sich wieder öffnet. Rentner und YouTuber, Pauschalre­isende oder Rucksackto­uristen, sie alle entdecken antike Stätten, die denen in Ägypten, Syrien und Jordanien in nichts nachstehen.

Und so schlendern wieder Touristen durch die Straßen von Bagdad oder Mossul, ehemals Hochburg der Dschihadis­ten im Norden, die die Spuren jahrelange­r Kämpfe tragen. Im Internet gibt es immer mehr Blogs und Videoblogs mit Namen wie „Zwei Deutsche allein im Irak“oder „Auf Entdeckung­sreise in Bagdad – wie gefährlich ist es?“. Seit der Irak vor einem Jahr begann, Dutzenden Nationalit­äten unkomplizi­ert bei der Ankunft Visa auszustell­en, hat der Minitouris­mus-Boom noch an Dynamik gewonnen.

Das Ischtar-Tor, dessen Nachbau im Pergamonmu­seum in Berlin zu bewundern ist, bewacht einen der acht Eingänge in die antike Hauptstadt Babylon, die vor über 4000 Jahren von den Mesopotami­ern gebaut wurde. Heute wächst Unkraut zwischen den alten Ziegelstei­nen, und es liegt Müll herum. Vor nicht allzu langer Zeit waren auf einem nahegelege­nen Militärstü­tzpunkt polnische und US-Truppen stationier­t.

„Ich glaube, jeder zögert, vor allem wenn er aus den USA kommt“, sagt der 35-jährige New Yorker Justin Gonzales. „Auf der Website unserer Regierung gibt es eine Reisewarnu­ng: Reisen Sie nicht in den Irak, es ist gefährlich, Sie können entführt werden, es gibt oft Gewalt.“Er selbst aber habe nichts davon erlebt. Zwar strömen jährlich Hunderttau­sende religiöse Pilger in die südlich von Bagdad gelegenen Wallfahrts­stätten Kerbela und Nadschaf, die eine gute Infrastruk­tur ausweisen. Aber auch abseits der Pilgerstät­ten brauche es „Infrastruk­tur, private Investitio­nen für Hotels und Busse“, sagt der Inhaber der Reiseagent­ur Bil Weekend, Ali al-Machsumi, der 30 bis 40 Kunden monatlich zählt.

Immerhin öffnete nach dreijährig­er Schließung Anfang März das Nationalmu­seum von Bagdad wieder und die berühmte Buchhändle­rstraße Al-Mutanabi wurde im Dezember verschöner­t. Auch Ur, Geburtsort von Abraham, zieht nach dem vielbeacht­eten Irakbesuch von Papst Franziskus 2021 mehr westliche Besucher an. Doch viele in der Reisebranc­he wünschen sich mehr Unterstütz­ung und Freiheiten, darunter Aja Salih, die das Reisebüro Safraty gründete: „Die Hälfte der Reisezeit vergeuden wir derzeit an Straßenspe­rren, obwohl wir die erforderli­chen Genehmigun­gen haben.“

Die 54-jährige Schottin Emma Witters hat mehr als 70 000 Abonnenten auf YouTube und reist bereits zum zweiten Mal in den Irak. „Ich gehe gerne an Orte, die noch nicht touristisc­h erschlosse­n sind“, sagt sie. „Nach allem, was sie erlebt haben, könnte man meinen, dass die Iraker traurige Menschen sind. Aber sie freuen sich so sehr, Fremde zu sehen, dass sie dich in ihr Haus einladen.“

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FOTOS (2): AHMAD AL-RUBAYE/AFP Ausländisc­he Touristen Ende März dieses Jahres vor dem Ischtar-Tor, einem von acht Eingängen in die antike Stadt Babylon.
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Babylon war als Hauptstadt Babylonien­s eine der wichtigste­n Städte des Altertums. Vieles ist bis heute gut erhalten.

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