Siegeszug bei den Grammys für Jon Batiste
Der ukrainische Präsident Selenskyj appelliert an die Kraft der Musik – Weitere Auszeichnungen für Olivia Rodrigo und Silk Sonic
LAS VEGAS (dpa) - Jon Batiste, Olivia Rodrigo und Silk Sonic räumen bei der diesjährigen Grammy-Gala ab. Doch auch in Las Vegas überschattet der Ukraine-Krieg den Abend. Präsident Selenskyj meldet sich sogar persönlich zu Wort.
„Füllt die Stille mit eurer Musik“: Dieser eindringliche Appell bei der Grammy-Verleihung in Las Vegas stammt nicht etwa von einem der unzähligen Musikstars des Abends, sondern vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj persönlich. Per Videobotschaft bat er am Sonntagabend (Ortszeit) um Unterstützung für sein Land. „Was könnte gegenteiliger zu Musik sein als Krieg?“, sagte Selenskyj bei der fast vierstündigen Gala.
Abgesehen davon aber versuchten die Veranstalter der Grammys, die Gala weitgehend fröhlich und sorglos zu gestalten. „Seht es gar nicht als Preisverleihung. Seht es als Konzert, wo es auch Preise gibt“, sagte Moderator Trevor Noah zum Auftakt – bevor er auf den OhrfeigenEklat um Schauspieler Will Smith bei der Oscar-Gala vor einer Woche anspielte: „Wir werden Musik hören, wir werden tanzen, wir werden singen, wir werden die Namen von Menschen aus unseren Mündern lassen und wir werden Auszeichnungen vergeben.“
In den Hauptkategorien der Grammys räumten der Musiker Jon Batiste, die Sängerin Olivia Rodrigo und das Duo Silk Sonic ab. Der in Europa eher unbekannte Afroamerikaner Batiste siegte in insgesamt fünf Kategorien. Die wichtigste ist die für das Album des Jahres, die er für sein politisch motiviertes, bürgerrechtsbewegtes Album „We Are“erhielt. Er setzte sich damit gegen starke PopKonkurrenz durch und dürfte damit wohl endgültig in den Kreis der Musik-Superstars aufsteigen.
Der in New Orleans geborene Sänger, Pianist, Bandleader und Komponist sagte einmal in einem Interview, das Album sei für ihn „ein Fest“gewesen, und auch eine Hommage an seine Heimatstadt: „Dieses Album hebt so viele unglaubliche ältere Musiker hervor, und die Geschichten, die sie während der Arbeit mit mir teilten, sind unschätzbar wertvoll.“
Auf dem Albumcover ist Batiste in einer Art Predigergewand zu sehen, ein Hinweis auf die Gospel-Färbung seiner Musik. Tatsächlich klingt „We Are“wie ein 38-minütiges Hochamt für die schwarze Popkultur. Der Piano-Jazz, von dem Batiste eigentlich herkommt, ist in den 13 Stücken nur noch ein Element unter vielen. Daneben sind Motown-Soul wie bei Stevie Wonder, Funk wie von Prince, Tanzmusik im Stil von Earth Wind & Fire, sogar Hip-Hop zu hören. Der RapSlang von „Whachutalkinbout“erinnert an Barack Obamas berührenden „Amazing-Grace“-Gesang für Rassismusopfer in Charleston.
Vor seinem großen Durchbruch in Amerika mit dem Soundtrack zu dem Pixar-Film „Soul“und mit „We Are“im vorigen Jahr war er Gründer und Frontmann der Band Stay Human,
mit der er als musikalischer Leiter der „Late Show“von Stephen Colbert auftrat. Zudem fungierte Batiste als Kreativdirektor des National Jazz Museum in Harlem. Er glaube eigentlich gar nicht daran, dass es so etwas wie einen besten Künstler gebe, sagte der 35-Jährige im schwarzen
Glitzerumhang bei seiner Dankesrede. „Die kreativen Künste sind subjektiv und sie finden einen Menschen an einem bestimmten Punkt in seinem Leben, wenn er es am meisten braucht.“
Sängerin Rodrigo gewann insgesamt drei Grammys, darunter den als „beste neue Künstlerin“. „Damit ist mein größter Traum wahr geworden“, sagte die 19-Jährige unter Tränen und erzählte in einer späteren Dankesrede auch noch, dass sie bereits als Neunjährige ihrer Mutter gesagt habe, dass sie eines Tages einen Grammy gewinnen werde. Das Duo Silk Sonic, bestehend aus Bruno Mars (36) und Anderson .Paak (36), gewann mit dem Song „Leave the Door Open“in den Kategorien „Aufnahme des Jahres“und „Song des Jahres“. „Wir versuchen ja wirklich bescheiden zu bleiben, aber in der Branche nennt man das Abräumen“, sagte .Paak. „Die Getränke gehen alle auf Silk Sonic heute.“
Die 64. Grammy-Gala war ursprünglich für den 31. Januar geplant gewesen, wurde dann aber wegen der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus verschoben und fand nun erstmals in Las Vegas sowohl drinnen als auch draußen statt. „Wir haben es geschafft, Leute, besser spät als nie“, kommentierte Moderator Noah. Rund 13 000 Mitglieder der Recording Academy entscheiden über die Preisträger der Grammys, die zu den begehrtesten Musikpreisen der Welt zählen.
Stars und Bands wie Billie Eilish, Brandi Carlile, Lil Nas X, die Brothers Osborne, BTS, Justin Bieber, H.E.R., Nas, Lenny Kravitz und Lady Gaga traten bei der Veranstaltung auf. Anmoderiert wurden sie teilweise von Mitgliedern ihrer BühnenCrew, die dadurch nach der langen Pandemiezeit ohne Liveauftritte besonders geehrt werden sollten.
Für besondere Aufmerksamkeit sorgten auch zwei selten gewordene Gäste: Die gesundheitlich angeschlagene 78-jährige Sängerin Joni Mitchell moderierte unter sichtlichen Mühen ihre Kollegin Carlile an und der an Alzheimer erkrankte Tony Bennett in einem kurzen Video seine frühere Duett-Partnerin Lady Gaga. „Ich liebe dich, Tony. Wir vermissen dich“, sagte Gaga nach ihrem Auftritt.
„Und jetzt wäre der Moment der Show gekommen, in dem ich die Foo Fighters angekündigt hätte“, sagte Moderator Noah danach. Nach dem überraschenden Tod ihres Schlagzeugers Taylor Hawkins vor wenigen Tagen im Alter von nur 50 Jahren hatte die Band ihren Grammy-Auftritt aber abgesagt und konnte die drei gewonnenen Preise nicht persönlich in Empfang nehmen. Hawkins wurde, wie zahlreichen weiteren im vergangenen Jahr gestorbenen Musikstars, bei der Gala speziell gedacht.