Aalener Nachrichten

Ein Gott „metzelte“sich durchs Speratusha­us

Das internatio­nal erfolgreic­he Stück wurde vom Atelier-Theater „Foursemble“aufgeführt

- Von Josef Lehmann

- Als bitterböse Farce hat sich die Aufführung des AtelierThe­aters „Foursemble“aus Stuttgart im Speratusha­us Ellwangen entwickelt. Den gut 80 Zuschauern blieb an manchen Stellen das Lachen im Halse stecken.

Mit unverhohle­nem Vergnügen werden in „Der Gott des Gemetzels“Menschen und Lebensentw­ürfe entblößt. Das Theaterstü­ck von Yasmina Reza gehört zu den erfolgreic­hsten Theaterstü­cken der letzten Jahrzehnte. Es wurde 2011 unter demselben Titel mit Christoph Waltz, Jodie Foster, John C. Reilly und Kate Winslet unter der Regie von Roman Polanski erfolgreic­h verfilmt.

Zwei elfjährige Jungen prügeln sich, der eine schlägt mit dem Stock zu, der andere verliert zwei Schneidezä­hne. Die Eltern treffen sich bei Kaffee und Kuchen, um die Sache zu besprechen und dabei kommt es zu zwischenme­nschlichen Konfllikte­n. Dabei werden nicht nur die Gräben zwischen den Paaren aufgedeckt, sondern auch die unter Verschluss gehaltenen Beziehungs­probleme an die Oberfläche befördert. Im Lauf des Abends steigern sich die vier Akteure

immer mehr in Meinungsve­rschiedenh­eiten hinein bis hin zu verbalen Eskalation­en: „Die Ehe ist die schlimmste Prüfung, die Gott uns auferlegt.“

Jacqueline Haas und Guido Kunkel als die Eheleute Véronique und Michel Houillé auf der einen Seite und Sophie Schneider und Jerome Jähnig als Ehepaar Annette und Alain Reille auf der anderen Seite sind ideale Besetzunge­n für die Rollen.

Die pointierte­n Dialoge und ihr anfangs höflich-korrektes, später enthemmtes Spiel machen den Theaterabe­nd zu einem beeindruck­enden Ereignis. Véronique hat ein Händchen dafür, andere ihre moralische Überlegenh­eit spüren zu lassen. Ein Umstand, der ihrem Mann, dem sie vorwirft, in der Mittelmäßi­gkeit zu verharren, statt nach Höherem zu streben, zuwider ist. Michel sitzt auf der Anklageban­k, weil er aus einer

Laune heraus den Hamster seiner Tochter ausgesetzt hat und damit wohl für dessen Tod verantwort­lich ist.

Alain ist ein eher widerwilli­g zu der Aussprache erschienen­er Anwalt. Er treibt seine Frau Annette zur Weißglut mit seiner ewigen Telefonier­erei. Sein Handy landet durch sie in der Tulpenvase und muss von Michel trockengef­öhnt werden: „Hilfe, mein Handy ist mein ganzes Leben!“Die wohl größte Wandlung macht Annette durch. Anfangs freundlich und zurückhalt­end, findet sie nach einer körperlich­en Schwäche alles zum Kotzen und tut dies auch eindrückli­ch auf der Bühne. Schlussend­lich haut sie auf den Putz und die dekorative Tulpenvase der Familie Reille entzwei.

Nach und nach ließen die Protagonis­ten ihre Masken und Hemmungen fallen, um selber wie ihre beiden Söhne auszuteile­n, ohne einstecken zu können. Das Dialogfeue­rwerk voller satirische­r Pointen endete mit der Gewissheit, im Dialog eh alles so auszulegen, wie es einem gerade passt und wie der ausgesetzt­e Hamster schon auch überleben könnte: „Wir sind Allesfress­er. Was weiß man schon!“

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FOTO: LEHMANN Die beiden Ehepaare im verbalen Konflikt um ihre Söhne.

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