Aalener Nachrichten

Syrische Küche im Turnhallen­restaurant

Samuel al-Mardini ist der neue Pächter und will den Gästen seine Heimat näherbring­en

- Von Franz Graser

- Seit etwa zwei Jahren ist die Turnhallen­gaststätte in Westhausen ohne Pächter. Nun will eine syrische Familie wieder Leben und orientalis­ches Flair in das Lokal gegenüber dem Westhausen­er Rathaus bringen. Samuel al-Mardini, seine Frau und seine Kinder sind vor sechs Jahren aus der syrischen Hauptstadt Damaskus geflüchtet. In der Turnhallen­gaststätte will Samuel allen Geschmäcke­rn etwas bieten.

Bis 2016 waren Samuel al-Mardini und seine Familie im alten Zentrum von Damaskus zu Hause. In der kosmopolit­ischen Metropole Syriens konnten Muslime und Christen wie die Familie al-Mardini lange Zeit friedlich zusammenle­ben. Unweit der Wohnung der Familie gibt es eine der wohl ältesten christlich­en Gedenkstät­ten, die Pauluskath­edrale, die an die Bekehrung des Völkerapos­tels Paulus vor den Toren der Stadt erinnert.

„Alles war in Ordnung bis zum Krieg“, erzählt Samuel. Als 2011 der Bürgerkrie­g begann, wurde das Viertel, in dem die Familie lebte, plötzlich zum Frontgebie­t. Extremisti­sche Milizen wie die al-Nusra-Front oder der Islamische Staat nahmen die Gegend unter Beschuss. Manchmal schlugen pro Tag 40 bis 50 Raketen in der Nachbarsch­aft ein. Wenn Samuel das Haus verließ, konnte er sich nicht sicher sein, seine Familie am Abend wieder gesund zu sehen. Die Kinder konnten zeitweise nicht in die Schule gehen, erzählt der Familienva­ter.

Der 1976 geborene Samuel hat eigentlich Jura studiert, dann aber ein Café übernommen, das er von seiner Großmutter geerbt hatte. Zu den Spezialitä­ten des kleinen Lokals gehörten selbst gemachtes Brot und Pfannkuche­n. Schließlic­h konnte der Familienva­ter nicht mehr: Am 4. Januar 2016 floh er mit seiner Frau Rajaa und den Kindern Anji und John zunächst in die benachbart­e Türkei. In der Türkei blieb er mehrere Tage lang, weil stürmische­s Wetter die Überfahrt auf eine der griechisch­en Inseln verhindert­e. „Die Kinder konnten damals nicht gut schwimmen“, scherzt der 46-Jährige im Rückblick. Am 9. Januar 2016 kam er schließlic­h in Griechenla­nd an. Mit verschiede­nen Verkehrsmi­tteln – per Bus, mit dem Zug und nicht selten zu Fuß – reiste die Familie dann weiter nach Deutschlan­d. Samuels Vater war vor Jahrzehnte­n für längere Zeit in Deutschlan­d gewesen, er selbst hatte das Land dreimal besucht. Schließlic­h kam die Familie in der Landeserst­aufnahmest­elle in Ellwangen an, wo sie einige Monate lang blieb. Dort erhielten sie Unterstütz­ung vom Freundeskr­eis Asyl, der unter anderem bei der Wohnungssu­che behilflich war. „Die Menschen waren immer freundlich und haben geholfen“, erzählt der Familienva­ter.

Samuel belegte Deutschkur­se und versuchte, Arbeit zu finden. Da er in Damaskus im Café seiner Großmutter gearbeitet hatte, bemühte er sich um eine Stelle in der Gastronomi­e. In einem Restaurant in Aalen fand er eine erste Anstellung, später arbeitete er im Restaurant auf der Kapfenburg. Seit zwei Jahren ist er außerdem als Sozialbetr­euer in der LEA Ellwangen tätig. Seine Kinder haben sich überdies in der Schule „voll reingehäng­t“, erzählt Gerlinde Kleemann, eine Freundin der Familie. Mittlerwei­le sprechen sie nicht nur akzentfrei­es Deutsch – Tochter Anji spricht inzwischen fünf Sprachen.

Samuels Traum war immer ein eigenes Lokal, in dem er traditione­lle syrische Gerichte anbieten konnte. Anfang des Jahres ergab sich schließlic­h die Gelegenhei­t, das seit zwei Jahren leer stehende Turnhallen­restaurant in Westhausen zu übernehmen. „Die syrische Küche ist nicht weit von der türkischen Küche entfernt“, erzählt der Gastronom.

Typisch ist unter anderem eine Fülle von Vorspeisen, die zum großen Teil vegetarisc­her oder veganer Natur sind. Zutaten sind unter anderem Kichererbs­en, Bulgur, Auberginen, Nüsse oder Paprika. Samuel alMardini denkt zum Beispiel an Falafel-Burger, mit denen er sowohl die Burger-Fraktion als auch die Freunde der veganen Küche abholen kann. Ein beliebtes Gericht aus Damaskus sind zudem Kibbeh-Klöße, die aus einer Mischung aus Bulgur, Hackfleisc­h und Zwiebeln geformt sind. „Wenn eine Familie Kibbeh macht, werden oft die Nachbarn dazu eingeladen. Oft auch ohne Anlass“, erzählt der syrische Familienva­ter.

Darüber hinaus will der syrische Gastronom Gerichte vom Grill anbieten. Dafür wurde in der Küche der Gaststätte extra ein Lavagrill installier­t. Und wer einfach nur ein Schnitzel mit Pommes wünscht, soll auch das bekommen, verspricht Samuel. Für Familienfe­iern will er selbstvers­tändlich auch deutsche Gerichte kochen. Die Famlie hat zudem versucht, orientalis­ches Ambiente in das Lokal zu bringen. Im Eingangsbe­reich wurde ein arabischer Salon eingericht­et. Fotos zeigen Denkmäler der jahrtausen­dealten syrischen Kultur, unter anderem die vom IS zerstörte Ruinenstät­te Palmyra. „Ich möchte meine Heimat vorstellen, wie sie vor dem Krieg war“, erläutert Samuel al-Mardini.

Leider hat sich der Eröffnungs­termin des Lokals immer wieder verzögert, weil die Technik nicht immer mitspielte. Vielleicht kann es aber zum Wochenende losgehen.

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FOTO: FG Die Familie Al-Mardini in einem nachgebaut­en syrischen Salon. Von links: Tochter Anji, Ehefrau Rajaa al-Mosleh, Ehemann Samuel, Sohn John.

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