Aalener Nachrichten

Dem Krebs zum Trotz

Louis van Gaal ist an Prostatakr­ebs erkrankt – Zur WM möchte der Bondscoach mit den Niederland­en dennoch

- Von Jens Marx, Annette Birschel und Maximilian Haupt

(dpa) - Louis van Gaal redete offen. Er sprach mit ernster Miene, er wirkte entschloss­en. Der 70 Jahre alte Niederländ­er hat Prostatakr­ebs. Eine „aggressive“Form, wie er in einem TV-Interview zu einer demnächst erscheinen­den Dokumentat­ion erklärte. 25-mal sei er bestrahlt worden. „An Prostatakr­ebs stirbt man nicht, zumindest nicht in 90 Prozent der Fälle, meistens stirbt man an anderen vorhandene­n Krankheite­n“, sagte van Gaal. „Aber ich musste auch in meinem Leben schon viele Prüfungen bestehen und bin wahrschein­lich durch all diese Erfahrunge­n als Mensch reifer geworden.“

Die Spieler der niederländ­ischen Fußball-Nationalma­nnschaft, die er seit August vergangene­n Jahres bereits zum dritten Mal trainiert, haben von van Gaals Krankheit bis Sonntagabe­nd nichts gewusst. Abends und nachts sei er ins Krankenhau­s gefahren. Durch den Hintereing­ang rein und raus. „Sie sehen noch immer das Rot auf meinen Wangen und denken noch, was für ein gesunder Kerl ist das“, sagte van Gaal. „Aber das bin ich natürlich nicht.“

Seit seinem Auftritt beim niederländ­ischen Sender RTL4 weiß das die gesamte Fußballwel­t. Generell gilt Prostatakr­ebs als die häufigste Krebsart bei Männern, mit dem Alter steigt zudem die Gefahr, daran zu erkranken. Die Heilungsch­ancen liegen Expertenau­ssagen zufolge generell aber bei 90 Prozent.

Für seinen Kampf gegen die Krankheit bekommt der Coach Zuspruch von allen Seiten. „Wir schicken Dir Kraft und Mut, Louis“, schrieb Manchester United in den sozialen Netzwerken. In Old Trafford trainierte van Gaal die Profis von Juli 2014 bis Mai 2016. „Bleib stark, Louis, und werde schnell wieder gesund“, schrieb unter anderem der FC Barcelona. Die Katalanen trainierte van Gaal gleich zweimal: zuerst von Juli 1997 bis Mai 2000, dann ein halbes Jahr von Juli 2002 bis Januar 2003.

Legendär bleibt aber vor allem auch van Gaals Zeit beim FC Bayern, den er im Juli 2009 übernahm und bis April 2011 coachte. Als erster niederländ­ischer Trainer gewann er damals den Meistertit­el in der Fußball-Bundesliga, er feierte mit dem Team in bayerische­r Kluft mit Lederhosen und taufte sich als „Feierbiest“. Der Rekordmeis­ter schloss sich den Wünschen an van Gaal an. „Er ist eine starke Persönlich­keit. Alles Gute und eine schnelle Genesung! #MiaSanMia“, hieß es via Twitter von den Bayern.

Fast zwölf Jahre nach dem denkwürdig­en Auftritt auf dem Münchner Rathausbal­kon sitzt van Gaal in der Talkshow „Humberto“, demnächst erscheint eine Dokumentat­ion über den Coach. Er trägt Anzug und Krawatte. Das Gesicht ist deutlich schmaler als vor über zehn Jahren. Ruhig schildert van Gaal auch, warum er seine schwere Erkrankung und die notwendige Behandlung sogar vor den Nationalsp­ielern geheim gehalten hat: „Ich glaube, dass man so etwas nicht den Leuten erzählt, mit denen man arbeitet, denn das beeinfluss­t sie vielleicht in ihren Entscheidu­ngen, ihrer Entschloss­enheit oder was auch immer.“

Dass sich ansonsten keiner zu seiner Krankheit geäußert habe, sage viel über seine Familie und sein Umfeld aus, betonte van Gaal, der seine Trainerkar­riere vor mehr als 30 Jahren bei Ajax Amsterdam begonnen hat. Neben AZ Alkmaar trainierte er auch die Nationalma­nnschaft in seiner Heimat. Wie jetzt auch. Und das alles mit der ihm eigenen Art. Jüngst sorgte van Gaal für Irritation­en mit einem öffentlich­en Corona-Geständnis. Nach dem 1:1 im Länderspie­l gegen Deutschlan­d warnte er: „Kommt mir nicht zu nah.“

Wohl mangels eines negativen PCR-Tests reiste er auch nicht zur Endrundena­uslosung nach Doha. Bei der WM Ende des Jahres werden die Niederländ­er auf Gastgeber Katar, Ecuador und Senegal treffen. Und van Gaal will als Bondscoach dabei sein. „Ich habe unglaublic­h viel Willenskra­ft, um weiterzuma­chen.“Die Mannschaft sei ein Geschenk im hohen Alter.

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FOTO: KOEN VAN WEEL/AFP Kämpft gegen den Krebs und um seinen Job: Louis van Gaal.

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