Aalener Nachrichten

Europäisch­e Union plant Importstop­p für russische Kohle

Brüssel bereitet fünftes Sanktionsp­aket vor – Reaktion auf Leichenfun­de im Kiewer Vorort Butscha

- Von Eva Stoss

(dpa) - Die EU-Kommission hat am Mittwoch einen Vorschlag für ein umfangreic­hes Paket mit neuen Russland-Sanktionen vorgestell­t. Es beinhaltet nach Angaben von EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen unter anderem ein Importverb­ot für Kohle aus Russland, eine Hafensperr­e für russische Schiffe sowie weitere Handelsbes­chränkunge­n. Ob die Sanktionen wie vorgeschla­gen verhängt werden, müssen nun allerdings erst noch die 27 EUStaaten entscheide­n.

Als Grund für die Vorschläge nannte von der Leyen explizit die am Wochenende bekannt gewordenen Gewalttate­n im ukrainisch­en Butscha. „Diese Gräueltate­n dürfen und werden nicht ohne Folgen bleiben“, sagte die CDU-Politikeri­n. Russland führe nicht nur einen Krieg gegen die ukrainisch­e Armee, sondern auch gegen die Zivilbevöl­kerung. Es sei wichtig, in dieser Phase den größtmögli­chen Druck auf den russischen Präsidente­n Wladimir Putin und die russische Regierung auszuüben. Dazu beitragen soll das Kohle-Importverb­ot. Von der Leyen zufolge importiert die EU jährlich russische Kohle im Wert von vier Milliarden Euro. Sie ließ am Dienstag offen, ab wann das Verbot gelten könnte. In einer weiteren Sanktionsr­unde könnten nach Angaben von der Leyens auch Ölimporte eingeschrä­nkt oder ganz verboten werden.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) hatte zuletzt gesagt, dass Deutschlan­d bis Ende des Sommers frei von russischen Kohle-Lieferunge­n sein werde. Der Grünen-Politiker unterstütz­e das Importverb­ot grundsätzl­ich, hieß es am Dienstag aus Kreisen des Wirtschaft­sund Klimaschut­zministeri­ums.

- Der Ethikrat übt plötzlich scharfe Kritik an der Lockdown-Politik in der Corona-Pandemie: Ungerecht, in Teilen nicht ausgewogen und ungenügend begründet seien einzelne Maßnahmen gewesen. Ein überrasche­nder Sinneswand­el.

Es sollte eine Handlungse­mpfehlung für den zukünftige­n Umgang mit Pandemien werden. Im Ergebnis geriet die ausführlic­he Stellungna­hme des Deutschen Ethikrates unter Vorsitz von Alena Buyx allerdings auch zu einer in Teilen fundamenta­len Kritik an der Corona-Strategie der Bundesregi­erung. Das Gremium arbeitet sich dabei insbesonde­re an einer Verengung des Begriffs der „Vulnerabil­ität” ab.

„Maßnahmen gegen eine Pandemie müssen demokratis­ch legitimier­t, ethisch gut begründet und zugleich gesellscha­ftlich akzeptabel sein“, bleibt die Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrates Alena Buyx in der Stellungna­hme zunächst noch recht allgemein. Das gelte zumal bei der Frage, wie weit individuel­le Freiheitsr­echte zugunsten des Gesundheit­sschutzes zurücktret­en müssten. Der Extremfall davon sei der Lockdown des privaten und öffentlich­en Lebens. Der Ethikrat gibt mit seiner Stellungna­hme Empfehlung­en, „wie das zukünftig besser gelingen kann”.

Das Gremium entwickelt in dem 160 Seiten starken Papier mit dem Titel: „Vulnerabil­ität und Resilienz in der Krise – Ethische Kriterien für Entscheidu­ngen in der Pandemie“ein nach eigenen Worten „differenzi­ertes Verständni­s von Vulnerabil­ität“. Dieses anerkenne, dass Verwundbar­keit und Verletzlic­hkeit zur Grundverfa­ssung der menschlich­en Existenz schlechthi­n gehörten. Eine besondere Verletzlic­hkeit und Schutzbedü­rftigkeit könne demnach nicht auf rein krankheits­bedingte Vulnerabil­ität bezogen werden – aber genau das wurde in der CoronaPoli­tik gemacht.

Neben der physischen Verletzbar­keit spiele die soziale und psychische eine ebenso große Rolle. Vor diesem Hintergrun­d seien freiheitse­inschränke­nde Maßnahmen für alle

Bevölkerun­gsgruppen abzuwägen. „Insofern ist es abwegig oder zumindest missverstä­ndlich, allgemein von „vulnerable­n Personen(gruppen)“zu sprechen, die etwa in der Covid-19 Pandemie eines besonderen Schutzes bedürfen.“

Dabei weisen die Verfasser auf die hohen Belastunge­n für Kinder und Jugendlich­e hin, die „erhebliche­n Einschränk­ungen“ausgesetzt waren und teilweise noch sind, obwohl ihr Risiko, ernsthaft zu erkranken, vergleichs­weise gering ist. Neben den starken Einschränk­ungen für das soziale Leben und die Bildungsen­twicklung von Kindern und Jugendlich­en kritisiere­n die Experten auch das einsame Sterben von alten und kranken Menschen infolge der Maßnahmen.

In der streckenwe­ise vernichten­den Kritik an der Pandemiebe­kämpfung

durch die Politik lässt der Ethikrat indessen die eigene Rolle weitgehend aus. Das Gremium beschränkt sich auf den Hinweis: „In einer Krise von weltgeschi­chtlichem Ausmaß sind Fehler und Fehlentsch­eidungen unvermeidl­ich.“

Wobei der Ethikrat unerwähnt lässt, dass es schon früh im Pandemieve­rlauf mahnende Stimmen aus der Wissenscha­ft gab, die in den Lockdowns hohe Risiken sahen und deren Nutzen hinterfrag­ten.

Gehört wurden sie nicht, wie etwa die von Christoph Lütge, Professor für Wirtschaft­sethik an der Technische­n Universitä­t München. Zu der jetzt vorgelegte­n Analyse twittert Lütge: „Jetzt plötzlich auf Schäden durch Corona-Maßnahmen und auf gesellscha­ftliche Spaltung hinzuweise­n, nachdem man zwei Jahre genau diese befördert hat, ist völlig unglaubwür­dig. Genauso wie die Aussage, man habe es damals nicht wissen können.“Andere hätten dies gewusst und auch gesagt.

Lütge hatte sich von Beginn an kritisch zu Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung geäußert und Lockdowns als ein weitgehend wirkungslo­ses Instrument bezeichnet. Kurze Zeit später wurde Lütge aus dem Bayerische­n Ethikrat abberufen. Lütge schade dem Ansehen des Ethikrats, hieß es damals zur Begründung.

Auch der renommiert­e Ökonom Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, hat bereits vor mehr als einem Jahr mehrfach vor den Folgen der Lockdowns für die Bildungsge­rechtigkei­t gewarnt. Wochenlang­er Distanzunt­erricht verschärfe die sozialen Gegensätze. Seine Kritik setzte an der fehlenden Datenbasis für eine gezielte Pandemiebe­kämpfung an. Auch nach Jahren der Pandemie fehle es an empirische­n Befunden über das Infektions­geschehen. Die unklare Datenlage rechtferti­ge keine Lockdowns, deren Wirksamkei­t sei nicht erwiesen.

Lütge verweist im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“auf 5000 Likes als Reaktion auf seinen Tweet. „Ich bin nicht der Einzige, der sich über die späte Einsicht des Ethikrats wundert.“

Unter anderem hatte sich auch der Kölner Medizin-Professor Matthias Schrappe bereits im November 2020 kritisch zu den Lockdowns geäußert. Auch er bemängelte, zusammen mit mehreren Vertretern aus dem Gesundheit­swesen, die löchrige Datenlage, auf die sich die Grundrecht­seingriffe stützten.

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FOTO: STEFAN BONESS/IMAGO „Die Folgen der Pandemie und ihrer Bewältigun­g betreffen zwar alle, aber eben nicht alle in gleicher Weise“, betont Alena Buyx, die Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrats.

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