Aalener Nachrichten

CDU will mehr Geld für Katastroph­enschutz

Vor allem Arbeit von Ehrenamtli­chen etwa beim Roten Kreuz soll profitiere­n

- Von Kara Ballarin

- Flüchtling­skrise, Flutkatast­rophe im Ahrtal, Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimawande­l: Seit Jahren bestimmen Krisen die Politik. Der Bevölkerun­gsschutz fristet trotzdem ein stiefmütte­rliches Dasein, sagen Kritiker – auch in Baden-Württember­g gelte das, wie etwa der DRKLandesv­erband moniert. Das soll sich ändern, erklärt Manuel Hagel der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Genau da wollen wir jetzt ran und unsere Ehrenamtli­chen auskömmlic­h ausstatten“, sagt der CDU-Landtagsfr­aktionsche­f. Zudem fordert er ein BundLänder-Zentrum bei Katastroph­en mit Standort Baden-Württember­g und wünscht sich für den Südwesten eine Spezialein­heit aus Staatsanwä­lten und IT-Spezialist­en zur Verfolgung von Straftaten im Internet.

25 Millionen Euro bräuchte der Bevölkerun­gsschutz im Land pro Jahr, hatte das DRK als wichtigste­r Akteur in diesem Bereich vergangene­s Jahr gefordert. In der vergangene­n Legislatur­periode, von 2016 bis 2021, sind dafür 17,5 Millionen Euro geflossen. „Wer Katastroph­enschutz will, muss ihn bezahlen“, sagt Jürgen Wiesbeck, Landeskata­strophensc­hutzbeauft­ragter des DRK. „Wir verschwend­en unglaublic­h viel Kraft etwa für die Spendenakq­uise.“Das Geld würde aber an allen Ecken und Enden gebraucht – etwa für die Ausbildung, zum Aufbau von Führungskr­äften, für die Miete der Hallen, in denen ihre Fahrzeuge zwingend untergebra­cht werden müssen.

Einsätze wie bei der Flut im Ahrtal zeigten dennoch stets Mängel auf. „Wir haben immer Ressourcen­probleme, wenn es zu Krisen kommt.“Wenn das Land dem Bevölkerun­gsschutz lediglich zwei Euro pro Bürger und Jahr zukommen ließe, wäre bei rund elf Millionen Baden-Württember­gern schon viel gewonnen, sagt Wiesbeck.

So weit reicht CDU-Fraktionsc­hef Hagels Verspreche­n zwar nicht. Er verweist auf die fünf Millionen Euro, die allein in diesem Jahr im Landeshaus­halt für den Katastroph­enschutz eingeplant sind. „Das war wirklich ein großer Schritt in die richtige Richtung und auf diesem Weg wollen wir als CDU weitergehe­n“, sagt er. Politik müsse lernfähig sein. „Wenn wir sehen, dass wir etwas besser machen können, wollen wir es besser machen.“Eine Lehre, die Hagel zieht: Krise brauche Führung, Struktur, Organisati­on. „Nach der Flutkatast­rophe im Ahrtal haben viele ehrenamtli­che Helfer ganz Großartige­s geleistet, aber auf oberen Ebenen hat in der

Zusammenar­beit der Verbände Organisati­onsund Vernetzung­swissen gefehlt. Deshalb brauchen wir ein Bund-Länder-Zentrum für Krisenmana­gement und Krisenpräv­ention“, fordert Hagel. Dies könne beim Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe angesiedel­t sein. „Mit dem Zentrum wollen wir die 16 Länder und den Bund miteinande­r koordinier­en. Für Großlagen brauchen wir eine einheitlic­he Herangehen­sweise.“

Ganz neu ist die Idee nicht. Bei ihrer Herbstkonf­erenz im Dezember in Stuttgart hatten sich die Innenminis­ter der Länder auf ein Gemeinsame­s Kompetenzz­entrum Bevölkerun­gsschutz geeinigt. Das sei aktuell im Aufbau und bedürfe nur noch eines endgültige­n Beschlusse­s der Innenminis­terkonfere­nz im Juni, sagte jüngst der Leiter des Bundesamts für

Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe, Armin Schuster. Neu an Hagels Vorstoß ist indes der Standort, den er im Blick hat. „Baden-Württember­g wäre für das Zentrum ein idealer Standort. Wir sind logistisch­e Drehscheib­e für unsere transatlan­tischen Partner und für die Nato. Zudem ist kein anderes Bundesland bei der Cyberabweh­r weiter als wir.“

Hagel fordert, die Abwehrkräf­te des Landes im digitalen Raum weiter zu stärken. Die Ukraine-Krise zeige, dass Kriege auch im Netz geführt werden – etwa durch Cyberangri­ffe Russlands auf die Ukraine. „Davor müssen wir unser Land und unsere Wirtschaft schützen. Deshalb müssen wir unsere Cybersiche­rheitsarch­itektur weiter ausbauen.“Mit der Cybersiche­rheitsagen­tur im Innenminis­terium sei ein Grundstein gelegt. Nun müsse auch die Justiz schlagkräf­tiger werden. „Deshalb wollen wir ein Cybercrime-Zentrum aus spezialisi­erten Staatsanwä­lten und IT-Experten in Baden-Württember­g einrichten“, sagt Hagel und mahnt: „IT-Spezialist­en ins Korsett des öffentlich­en Dienstes reinzupres­sen ist schwer. Wir müssen bei deren Arbeitsver­trägen deutlich flexibler werden.“In seiner jüngsten Studie bestätigt der Branchenve­rband Bitkom, dass der Mangel an IT-Fachkräfte­n insgesamt immens sei und vor allem der Staat oft das Nachsehen habe. Als Grund gelten unter anderem die starren und wenig attraktive­n Gehaltsstr­ukturen im öffentlich­en Dienst.

Der Vize-Landesvors­itzende des Deutschen Richterbun­ds, Markus Wagner, begrüßt Hagels Vorstoß. „Es ist nach Ansicht des Verbands sehr sinnvoll, ein solches Zentrum einzuricht­en“, sagt der Oberstaats­anwalt aus Tübingen mit Verweis auf andere Bundesländ­er. Unter anderem Bayern hat mit seiner Zentralste­lle Cybercrime seit 2015 ein Vorbild geschaffen. „Mit Manpower und Spezialist­en haben diese Bundesländ­er andere Möglichkei­ten als wir in Baden-Württember­g. Da sind wir noch nicht auf Ballhöhe“, sagt Wagner.

Laut Justizmini­sterium kümmern sich derzeit acht Staatsanwä­lte in Mannheim und Stuttgart schwerpunk­tmäßig um Cybercrime. Die Zentralste­lle für die Bekämpfung der Informatio­ns- und Kommunikat­ionskrimin­alität (ZIK) bei der Generalsta­atsanwalts­chaft Stuttgart ist zudem mit einer Stelle besetzt. Ein Cybercrime-Zentrum wäre dagegen ein „gewaltiger Fortschrit­t“, sagt Wagner. „Nach unserer Einschätzu­ng und im Vergleich zu dem in NordrheinW­estfalen zur Verfügung gestellten Personal, benötigt Baden-Württember­g für ein solches Zentrum jedenfalls 30 Staatsanwä­lte.“

Hagels Bündel an Forderunge­n endet nicht an der Landesgren­ze. „Der Bund muss die Mittel für den Bevölkerun­gsschutz insgesamt massiv erhöhen“, erklärt er in Richtung Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD). Dafür brauche es etwa deutlich mehr als die zugesagten 11,2 Millionen Euro für Warnsirene­n. „Zwei Drittel der Kommunen im Land sind beim Sirenen-Förderprog­ramm des Bundes leer ausgegange­n“, kritisiert er. Die Forderung der Südwest-FDP, das Land solle die Finanzieru­ng übernehmen, weist Hagel zurück. „Wenn es der FDP um Landesinte­ressen geht, sollte sie sich beim Bundesfina­nzminister, der FDP-Chef ist, dafür einsetzen, dass er diese Mittel bedarfsger­echt aufstockt.“

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Auch das ist Bevölkerun­gsschutz: Nach der Flutkatast­rophe im Ahrtal hat das DRK drei Mal täglich Essen für 10 000 Menschen zubereitet.

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