Aalener Nachrichten

Der Druck auf die Sparer wächst weiter

Von Negativzin­sen sind durchschni­ttliche Guthaben immer häufiger betroffen

- Von Friederike Marx

(dpa) - Bittere Zeiten für Sparer in Deutschlan­d: Nicht nur gestiegene Inflations­raten nagen am Geld auf dem Konto, sondern auch Negativzin­sen, die immer mehr Kreditinst­itute verlangen. Nach Daten des Vergleichs­portals Verivox erheben inzwischen 449 von rund 1300 ausgewerte­ten Banken und Sparkassen Negativzin­sen ab bestimmten Summen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto (Stand 31. März 2022). Ende 2021 waren es 423, ein Jahr davor nur 281. Zugleich setze sich der Trend zu immer niedrigere­n Freibeträg­en fort, die von Negativzin­sen ausgenomme­n sind. Verbrauche­rschützer kämpfen vor Gericht gegen das sogenannte Verwahrent­gelt. Das Verbrauche­rportal Biallo.de kommt sogar auf 572 Institute, die Negativzin­sen auf private Guthaben verlangen (Stand: 30. März 2022) und stellt ebenfalls den Trend zu sinkenden Freibeträg­en fest.

„Schon längst müssen nicht mehr nur besonders vermögende Bankkunden Negativzin­sen zahlen. Auch Klein- und Durchschni­ttssparer sind immer häufiger betroffen“, berichtete Oliver Maier, Geschäftsf­ührer der Verivox Finanzverg­leich GmbH. Einige Kreditinst­itute kassierten schon ab 5000 oder 10 000 Euro auf dem Tagesgeld-, Giro- oder Verrechnun­gskonto ein Verwahrent­gelt. Mindestens 175 Kreditinst­itute beschränkt­en den Freibetrag für das Gesamtguth­aben auf 50 000 Euro oder weniger. Vor einem Jahr seien es erst 90 und zum Jahreswech­sel 155 Geldhäuser gewesen.

Zuletzt hatten einige Banken ein Ende der Negativzin­sen in Aussicht gestellt, sobald der Strafzins auf Bankeinlag­en bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) wegfällt. So betonte beispielsw­eise die Deutsche Bank: „Wenn die EZB den Satz der Einlagenfa­zilität ändert, werden wir im Privatkund­engeschäft das Entgelt kurzfristi­g entspreche­nd anpassen.“Sollte der Strafzins wegfallen oder über null Prozent liegen, entfalle das Verwahrent­gelt im Privatkund­engeschäft.

„Bislang ist das allerdings noch Zukunftsmu­sik“, sagte Maier. „Angesichts der jüngsten Entwicklun­gen weist der Trend momentan eher in die entgegenge­setzte Richtung.“

Seit Juni 2014 müssen Geschäftsb­anken im Euroraum Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Aktuell liegt dieser Einlagenzi­ns – im Fachjargon Einlagefaz­ilität genannt – bei minus 0,5 Prozent. Seit einiger Zeit gewährt die Notenbank Freibeträg­e für bestimmte Summen, um die Institute zu entlasten. Die EZB treibt angesichts der hartnäckig hohen Inflation den Ausstieg aus ihrer ultralocke­ren Geldpoliti­k voran. Wann die Zinsen angehoben werden, lässt sie aber offen.

Die meisten Institute orientiere­n sich Verivox zufolge am Einlagenzi­ns der EZB. Allerdings gehen 19 Geldhäuser noch darüber hinaus berechnen zumindest einem Teil ihrer Kunden

Verwahrent­gelte in Höhe von 0,55 bis ein Prozent.

Ob Kreditinst­itute überhaupt Negativzin­sen erheben dürfen, ist rechtlich umstritten. Die Verwahrent­gelte treffen vor allem Neukunden. Will ein Geldhaus einen Negativzin­s von Bestandsku­nden verlangen, muss es diesen mit den Betroffene­n individuel­l vereinbare­n. Für Unmut sorgt, dass einige Kreditinst­itute Kunden inzwischen kündigen, die dem Verwahrent­gelt nicht zustimmen.

Verbrauche­rschützer halten Negativzin­sen auf private Guthaben auf Giro- und Tagesgeldk­onten generell für unzulässig. Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) hat daher Klagen gegen verschiede­ne Kreditinst­itute erhoben und sieht sich durch erste Urteile bestätigt. So entschied das Landgerich­t Düsseldorf, dass Geldhäuser für Einlagen auf Girokonten kein gesonderte­s Entgelt berechnen dürfen. Das Landgerich­t Berlins erklärte Verwahrent­gelte für Tagesgeld- und Girokonten für unzulässig. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräf­tig.

Gibt es Zinsen für das Ersparte, liegen diese im Schnitt deutlich unter der Inflations­rate. Nach Berechnung­en der zur Commerzban­k gehörenden Comdirect verloren Sparer in Deutschlan­d allein im vergangene­n Jahr in Summe 80 Milliarden Euro wegen niedrig verzinster Einlagen.

Verivox wertet die im Internet veröffentl­ichten Preisaushä­nge von etwa 1300 Banken und Sparkassen in Deutschlan­d aus. Da nicht alle Institute ihre Negativzin­sen frei zugänglich auf ihrer Website veröffentl­ichen, dürften mehr als die ermittelte­n 449 Institute Verwahrent­gelte erheben. Nach jüngsten Daten der Deutschen Bundesbank gab es 2020 in Deutschlan­d 1679 eigenständ­ige Kreditinst­itute.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Sparbuch der Sparkasse: Die Zahl der Geldhäuser, die Negativzin­sen von ihren Kunden nehmen, steigt weiter.

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