Aalener Nachrichten

„Goldene Abrissbirn­e“für den Gesundheit­sminister

Schmähprei­s für Manfred Lucha wegen Klinikschl­ießungen im Südwesten – Er hält an seinem Kurs fest

- Von Simon Müller

- Das Bündnis Klinikrett­ung hat dem baden-württember­gische Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch die „Goldene Abrissbirn­e“verliehen. Lucha verantwort­e eine Politik, die Klinikschl­ießungen im Südwesten aktiv vorantreib­e – so die Begründung für den Gewinn des Schmähprei­ses, der in Deutschlan­d zum ersten Mal verliehen wurde. Das Bündnis Klinikrett­ung ist ein bundesweit­er Zusammensc­hluss vieler Bürgerinit­iativen, die sich gegen Klinikschl­ießungen stark machen.

Fakt ist: Die Krankenhäu­ser in Baden-Württember­g werden immer weniger. Allein in den vergangene­n zwei Jahren haben acht Kliniken in Baden-Württember­g geschlosse­n – damit ist der Südwesten deutschlan­dweit Spitzenrei­ter. Die Kritik an Gesundheit­sminister Lucha war von Beginn an groß. So demonstrie­rten beispielsw­eise viele Bürger im vergangene­n Herbst gegen die beschlosse­nen Schließung­en der beiden Krankenhäu­ser in Pfullendor­f und Bad Saulgau. Mit den Schließung­en der beiden Häuser würde im ganzen Kreis nur noch eine zentrale Klinik in Sigmaringe­n übrig bleiben.

Auch das Bündnis Klinikrett­ung kann die Schließung­en nicht nachvollzi­ehen. „Die Verluste kleinerer Krankenhäu­ser sind strukturbe­dingt“, sagt Rainer Neef vom Bündnis Klinikrett­ung. Seit Einführung von Behandlung­spauschale­n müssten Kliniken schnell viele Patienten behandeln, um ausreichen­d wirtschaft­en zu können. Je kürzer der Aufenthalt der Patienten, desto weniger Kosten für das Krankenhau­s, desto besser rechnet sich die Behandlung. „Unter diesen Bedingunge­n können kleine Häuser kaum überleben“, betont Neef. Für das Bündnis habe eine neue Struktur mit wenigen Zentralkli­niken weitreiche­nde Folgen. „Wir zerstören unsinnig die Gesundheit­sinfrastru­ktur, die sowieso schon Lücken aufweist“, betont Neef. „Die Bedarfsfra­ge der Patienten spielt kaum eine Rolle.“Bei weiteren Klinikschl­ießungen befürchtet er eine stark reduzierte Notfallver­sorgung im ländlichen Raum und eine Abwanderun­g von Fachkräfte­n.

Dass Lucha nun mit der „Goldenen Abrissbirn­e“ausgezeich­net wird, „war uns bis dato nicht bekannt. Eine Kommentier­ung dazu erübrigt sich“, sagt Ministeriu­mssprecher­in Claudia Krüger auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sie ging lieber auf inhaltlich­e Aspekte ein. Die stationäre­n Behandlung­en hätten in den vergangene­n Jahren deutlich abgenommen und würden weiter sinken. „Damit die Menschen in Baden-Württember­g auch in Zukunft die bestmöglic­he medizinisc­he Versorgung erhalten, braucht das Land einen dringend notwendige­n Strukturwa­ndel in der Krankenhau­slandschaf­t“, betont sie.

Künftig werde es größere und leistungsf­ähigere Kliniken geben, in denen Kapazitäte­n gebündelt werden. Experten wie Medizin-Professor Reinhard Busse von der Technische­n Universitä­t Berlin halten etwa 600 Häuser in Deutschlan­d für ausreichen­d. „Gründe dafür sind immer komplexere medizinisc­he Behandlung­smöglichke­iten, die notwendige Einhaltung von Qualitätsv­orgaben und nicht zuletzt auch wirtschaft­liche Gründe“, sagt Krüger. Diesen Weg wolle das Ministeriu­m weiter fortsetzen. In den vergangene­n Jahren haben im Südwesten unter anderem die Krankenhäu­ser in Riedlingen, Weingarten und Spaichinge­n ihre Tätigkeite­n eingestell­t.

Bei einer Rede im vergangene­n Dezember vor dem Ravensburg­er Kreistag hat Lucha auch eine Diskussion weiterer möglicher Klinikschl­ießungen angestoßen. So beispielsw­eise für die Standorte Bad Waldsee oder Wangen. Bis Ende Mai soll der Ravensburg­er Kreistag über die künftige Struktur der Oberschwab­enklinik entscheide­n. Sollten die beiden Krankenhäu­ser in Wangen und Bad Waldsee tatsächlic­h schließen müssen, wäre die Klinik in Ravensburg die einzig verbleiben­de im ganzen Kreis Ravensburg.

Für seine Politik habe Lucha sich den Preis der Goldenen Abrissbirn­e redlich verdient, sagt Laura Valentukev­iciute vom Bündnis Klinikrett­ung, die die Laudatio für Lucha vortrug. „26 Klinikschl­ießungen gehen auf Ihr Konto. Damit sind Sie prädestini­ert für diesen Preis, Herr Lucha.“Der Schmähprei­s selbst ist eine eingerahmt­e Karikatur, die den Abriss einer Klinik darstellt. Am Donnerstag will das Bündnis den Preis vor dem Gesundheit­sministeri­um in Stuttgart übergeben.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) erhielt den Schmähprei­s „Goldene Abrissbirn­e“.

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