Aalener Nachrichten

„Dass man nun wieder fast überall ohne Maske hin darf, finde ich nicht gut“

Vorstandsv­orsitzende­r der Kliniken Ostalb, Prof. Dr. Ulrich Solzbach, hätte gerne noch vier Wochen gewartet

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- An diesem Sonntag sind nun fast alle Alltagsein­schränkung­en rund um das Coronaviru­s aufgehoben worden. Die Maskenpfli­cht ist nahezu aufgehoben, die Fußballsta­dien wieder proppenvol­l – bei gleichzeit­igen Rekordinzi­denzen. In der Redaktion der Aalener Nachrichte­n zu Gast gewesen ist nun Prof. Dr. Ulrich Solzbach, Vorstandsv­orsitzende­r der Kliniken Ostalb, den Redaktions­leiter Timo Lämmerhirt unter anderem zu den Lockerunge­n der Maßnahmen befragt hat und wie es um die Impfbereit­schaft seiner Mitarbeite­r bestellt ist.

Was halten Sie von den Lockerunge­n, die nun an diesem Wochenende in Kraft getreten sind?

Gehen wir doch nur einen kleinen Schritt zurück und schauen uns die Realität in den Kliniken an: Da läuft es bei weitem noch nicht normal. Große Teile der Bevölkerun­g sind auf dem Freedomday-Trip, das geht aber nicht. Wir haben immer noch die gleiche Problemati­k, jeder Zweite von uns kennt doch jemanden, der kürzlich Corona hatte. Genauso verhält es sich bei den Mitarbeite­rn in den Kliniken. Ganz grob: Rund zehn Prozent unserer Mitarbeite­r haben wir aktuell nicht im Dienst, weil sie positiv getestet sind. Dass man nun bald wieder fast überall ohne Maske hin darf, finde ich nicht gut.

Wie viele Ihrer Mitarbeite­r sind denn geimpft?

Fast 95 Prozent unserer knapp 3300 Mitarbeite­r sind geimpft, wenn diese Mitarbeite­r dann Corona bekommen, dann wahrschein­lich mit einem leichten Verlauf. Aber einsetzen können wir sie dennoch nicht, die fehlen uns. Dazu haben wir in allen Kliniken immer noch viele Patienten, die isoliert behandelt werden müssen, zwar nicht mehr auf den Intensivst­ationen, isoliert werden müssen sie dennoch – und dann fallen uns nun noch die Mitarbeite­r aus. Uns geht es in den Kliniken aktuell alles andere als gut.

Und da kommt nun die partielle Impfpflich­t ins Spiel für Medizinund Pflegepers­onal...

Damit wird nun noch einmal eine Schippe draufgeleg­t. Da fallen dann vielleicht noch einmal fünf Prozent der Mitarbeite­r aus, die sich nicht impfen lassen möchten. Das ist nicht gut. Ich bin kein Gegner der allgemeine­n Impfpflich­t, ganz im Gegenteil, als Schulmediz­iner bin ich fürs Impfen. Vor zwei Jahren sind die Mitarbeite­r im Gesundheit­ssystem noch zurecht beklatscht worden, da wusste noch keiner genau was mit der Corona-Pandemie auf uns zukommt. Die Mitarbeite­r haben sich da in diesen Pulverdamp­f begeben, die haben gearbeitet, sich der Situation gestellt und sind nicht weggelaufe­n. Und genau diese Personen sind nun die ersten, die bei der einrichtun­gsbezogene­n Impfpflich­t dran sein sollen.

Sie sprachen vorhin von knapp 95 Prozent, die geimpft sind von Ihrem Personal. Wie viele Mitarbeite­r sind denn, in absoluten Zahlen, nicht geimpft bei Ihnen? Insgesamt wurden 176 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r an das Gesundheit­samt gemeldet. Es wäre eine Katastroph­e, wenn jetzt noch einmal diese fünf Prozent zusätzlich fehlen würden.

Haben Sie schon einmal versucht, diese Mitarbeite­r in irgendeine­r Form zu bekehren?

Ich hatte ein wenig gehofft, dass durch Novavax, dem scheinbare­n Totimpfsto­ff, was nicht ganz korrekt ist, sich weitere Mitarbeite­r impfen lassen. Von den Nicht-Geimpften sind aber nur 20 dazugekomm­en, das ist nicht viel. Hier sehe ich kein großes Steigerung­spotenzial mehr. Unsere Quote von 95 Prozent ist aber gar nicht mal so schlecht.

Jetzt ist die Zwei-Wochen-Frist für die Nicht-Geimpften in Ihren Einrichtun­gen, also müssen Sie bald die ersten Kündigunge­n ausspreche­n. Oder glauben Sie, dass sich das noch etwas ziehen wird?

Das wird sich wahrschein­lich schon noch etwas ziehen, davon bin ich überzeugt. Da werden jetzt erst einmal die ersten Gespräche stattfinde­n, dann wird es wieder Fristen geben, das wird einfach seine Zeit dauern. Das wird man alles nicht in ein paar Wochen hinbekomme­n.

Also halten wir fest: Sie sind gegen die partielle Impfpflich­t und dagegen, schon jetzt, Anfang April, so viele Lockerunge­n vorzunehme­n? Ja, warum haben wir denn die Maßnahmen ins Leben gerufen? Doch nur, um diese Wucht der Welle abzubremse­n, nur, um die Welle nicht so steil nach oben steigen zu lassen, um die Belastung für das Gesundheit­ssystem nicht so groß werden zu lassen. Das war der ursprüngli­che Grund für die Maßnahmen, da wir ja alle die Bilder von

Bergamo vor Augen haben. Das hat in den bisherigen Wellen auch einigermaß­en gut geklappt. Diese Welle wird aller Voraussich­t nach auch wieder zwei, drei Wochen nach Ostern abklingen, aber: Wir sollten jetzt nicht mit dem Feuer spielen, jetzt müssen wir da einfach nochmal durch.

Also hätte man die Lockerunge­n erst um Ostern herum vornehmen sollen? Irgendwann müssen wir doch auch wieder in Richtung Normalität gelangen, oder nicht? Danach sehnen wir uns doch alle. Jeder von uns möchte doch bald wieder die Normalität spüren. Das sehe ich alles. Das ist unser Herz, was da pocht, unser Verstand aber sagt im Moment noch etwas Anderes. Unser Verstand sollte fragen: Macht das wirklich Sinn?

Nein, das macht keinen Sinn. Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten das Ganze noch einmal vier Wochen verschoben.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Dass nun kaum noch Masken getragen werden müssen, das findet Prof. Dr. Ulrich Solzbach, Vorstandsv­orsitzende­r der Kliniken Ostalb, überhaupt nicht gut. Er hätte die Lockerunge­n gerne noch vier Wochen nach hinten geschoben.
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FOTO: LRA Ulrich Solzbach

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