Aalener Nachrichten

Eine intensive Künstlerbe­ziehung

Kunstmuseu­m Basel stellt in Ausstellun­g „Picasso – El Greco“die Großmeiste­r gegenüber

- Von Hans-Dieter Fronz

- „Die Pinakothek ist wunderschö­n: Velázquez ist erstklassi­g, von El Greco gibt es ein paar fantastisc­he Köpfe“, schreibt im November 1897 der 16-jährige Kunststude­nt Pablo Picasso nach einem Besuch des Prado in Madrid an einen Freund. Um Alte Meister zu kopieren, verbrachte Picasso in dem Museum mehr Zeit als an der Königliche­n Akademie. Seine Begeisteru­ng für „den Griechen“– so die Übersetzun­g des Künstlerna­mens des aus Kreta stammenden Alten Meisters, der jahrzehnte­lang in Toledo lebte – ist bekannt. Und man weiß auch um den Einfluss El Grecos auf das Frühwerk des Jahrhunder­tkünstlers.

Die Ausstellun­g „Picasso – El Greco“im Kunstmuseu­m Basel bebildert diesen frühen Einfluss in einer Reihe von überzeugen­den Gegenübers­tellungen von Werken beider Künstler. Doch veranschau­licht sie nicht lediglich vorhandene­s Wissen: Sie erweitert es. Indem sie deutlich macht, dass Picassos Auseinande­rsetzung mit El Greco seine gesamte künstleris­che Entwicklun­g begleitete. Die Idee zu der Schau hatte die internatio­nal tätige Kuratorin Carmen Giménez schon vor Längerem. Jetzt ließ sie sich realisiere­n.

Grundlage für die Präsentati­on sind außer den Picassos der Sammlung des Kunstmuseu­ms über 50 hochkaräti­ge Leihgaben aus Museen in aller Welt wie dem Prado, dem Museo del Greco in Toledo oder dem Picasso-Museum in Paris. Kapitale Leihgaben stammen aus dem Louvre in Paris, der Londoner Tate Modern und der National Gallery in Washington oder dem Metropolit­an Museum of Art in New York.

Nach seinem Tod geriet Domínikos Theotokópo­ulos (um 1541-1614), genannt El Greco, in Vergessenh­eit. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts erlebte er eine Renaissanc­e. Neben Manet und Degas, Kandinsky und Franz Marc gehörte Picasso zu den frühen Bewunderer­n des Künstlers. Gerade auf avantgardi­stische Künstler

musste El Greco in seiner unkonventi­onellen Malweise starke Faszinatio­n ausüben.

Seine „Manierisme­n“sind nicht zuletzt das Ergebnis eines Synkretism­us, der verschiede­ne Traditione­n miteinande­r verband: die griechisch­byzantinis­che seiner Herkunft, die venezianis­che und die spanische. Seine Figuren wirken oft ein wenig in die Länge gezogen. Picasso, der sich zumal für Grecos Porträts begeistert­e – „all die Herren mit spitzen Bärten“, schreibt er –, übernahm phasenweis­e auch die leichte Asymmetrie in den Gesichtern von El Grecos Figuren.

Die weitgehend chronologi­sch aufgebaute Ausstellun­g orientiert sich an Picassos künstleris­cher Entwicklun­g vom Früh(est)werk bis zu den späten Gemälden. Neben dem „Bildnis eines alten Mannes“von El

Greco und einem frühen Selbstport­rät Picassos in Öl von 1901 präsentier­t der erste Saal eine Reihe von Zeichnunge­n und Skizzen, die El Grecos frühe Bedeutung für Picasso auch sprachlich dokumentie­ren.

So liest man auf einem um 1899 entstanden­en Skizzenbla­tt Picassos: „Yo El Greco“, übersetzt: „Ich, El Greco“– Ausdruck starker Identifika­tion mit dem Vorgänger. Auf einer etwa zeitgleich entstanden­en Zeichnung mit Figurenfra­gmenten findet sich die Beschwörun­gsformel: „Greco, Velázquez, inspiriert mich.“Andere Blätter aus dieser Zeit entpuppen sich als Zeichnunge­n nach Gemälden von oder „im Stil El Grecos“. Einige weitere enthalten auch die für El Greco so bezeichnen­den in die Länge gezogenen Gesichter.

Man weiß, dass Picassos Atelier in der Blauen Periode mit Reprodukti­onen

von Werken El Grecos tapeziert war. „Evokation (Begräbnis Casagemas)“von 1901, ein Werk am Beginn dieser Periode, zeigt nicht nur in der kompositor­ischen Anlage, der Zweiteilun­g der Bildfläche auffällige Parallelen zu El Grecos Gemälde „Die Anbetung des Namens Jesu“. Auch zu Bildern der Rosa Periode wie dem Porträt „Madame Canals“oder „Homme, femme et enfant“finden sich Entsprechu­ngen bei El Greco. Dass sein Einfluss sich auch auf Picassos kubistisch­e Phase erstreckte und darüber hinaus bis zum Spätwerk reicht, machen weitere Gegenübers­tellungen glaubhaft. Besonders deutlich werden Analogien zwischen Skizzen und Bildern im Umkreis der „Demoiselle­s d’Avignon“zu Marienbild­ern El Grecos – etwa seiner „Marienkrön­ung“, die aus dem Prado den Weg ans Rheinknie gefunden hat.

Parallelen zu El Greco in Bildauftei­lung und Kompositio­n, in ähnlichen Kopf- und Körperhalt­ungen oder der Reduktion der Bildräumli­chkeit finden sich auch im Spätwerk. So notierte Picasso auf der Rückseite des Gemäldes „Der Musketier“von 1965: „Domenico Theotocopu­ls van Rijn da Silva“. Es sind die Vornamen seiner Götter: Velázquez, Rembrandt – und eben der Meister aus Toledo. Deutlich wird Picassos grundsätzl­iche Tendenz, Malerei vergangene­r Perioden nicht einfach auf sich beruhen zu lassen, sondern in einen Dialog mit ihnen einzutrete­n. Freilich nicht ohne sie radikalen Transforma­tionen zu unterziehe­n.

El Greco als Geburtshel­fer des Kubismus? Eine überrasche­nde, eine aufregende These der Schau, die neben der Erweiterun­g unseres Horizonts im neuen Blick auf Picassos Dialog mit El Greco die seltene Möglichkei­t bietet, eine ansehnlich­e Zahl von Werken des Alten Meisters an einem Ort versammelt zu finden.

Kunstmuseu­m Basel, St. AlbanGrabe­n, 16. Bis 25. September, Di bis So 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr.

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FOTO: PATRIMONIO NACIONAL, REAL MONASTERIO DE SAN LORENZO DE EL ESCORIAL „Die Anbetung des Namen Jesu“von El Greco.
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FOTO: JULIEN VIDAL / MUSÉE D'ART MODERNE / ROGER-VIOLLET „Evokation – Das Begräbnis Casagemas“von Pablo Picasso: eines von vielen Meistwerke­n der Schau.

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