Aalener Nachrichten

Hilfe suchen ist nicht Petzen

Das 1998 gestartete und jetzt neu entwickelt­e Projekt „Mut zur Stärke“leistet Prävention­sarbeit in Schulen

- Von Daria Meidert

- Ein Sporttrain­er, der immer wieder einen Klaps auf den Po gibt, oder eine Schwester, die Fotos schießt, die man gar nicht möchte: Es gibt Situatione­n, die für Kinder und Jugendlich­e mehr als nur unangenehm sind. Die Kontaktste­lle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen des Landratsam­ts Ostalbkrei­s hat während der CoronaPand­emie das Projekt „Mut zur Stärke“neu entwickelt. Das Konzept, das an Schulen durchgefüh­rt werden kann, vermittelt den Schülerinn­en und Schülern Kernbotsch­aften wie „Mein Körper gehört mir“und Lösungsans­ätze wie „Ich kann mir Hilfe holen“.

Seit dem Jahr 1998 gibt es das Prävention­sprojekt im Ostalbkrei­s. Es soll Mädchen und Jungen der 3. und 4. Grundschul­klassen ansprechen, sowie deren Eltern und Lehrkräfte. „Vor der Pandemie konnten wir feststelle­n, dass wir in den ganzen Jahren bereits in 64 Schulen etwa 20 000 Kinder und Jugendlich­e erreicht haben“, so Astrid Hark-Thome, Leiterin der Kontakstel­le gegen sexuellen Missbrauch.

Mit etwa 50 Fällen im Jahr werden die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r konfrontie­rt. Gibt es einen Verdacht nach sexuellen Missbrauch oder nach sexuellen Gewalttate­n, bietet die Kontaktste­lle Beratung und Unterstütz­ung für Eltern, Angehörige und Betroffene an. Für Fachkräfte aus Kindergärt­en, Kindertage­sstätten, Schulen und Einrichtun­gen

gibt es zudem flexible Fortbildun­gsangebote, die je nach Anfrage und Zielgruppe individuel­l gestaltet werden können.

Eines dieser Angebote ist das Projekt „Mut zur Stärke“. In der Neuauflage, die durch eine Gruppe engagierte­r Psychologe­n und Sozialpäda­gogen konzipiert wurde, werden insbesonde­re die Lehrerinne­n und Lehrer als Ansprechpe­rsonen für die jungen Betroffene­n hervorgeho­ben. „Die aktuellen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se zur Prävention zeigen, wie wichtig es ist, die Erwachsene­n verstärkt in den Fokus zu nehmen“, so Diplom-Sozialpäda­goge Frank Hutter.

Genau deswegen hat die Arbeitsgru­ppe ein Lehrprogra­mm entwickelt, welches die Lehrerinne­n und Lehrer an den Schulen selbst durchführe­n. Das Projekt beginnt mit einer Schulung der Lehrkräfte durch eine Fachkraft der Kontaktste­lle. Sie vermitteln dann die Arbeitsmat­erialien und eigene Ideen zu Themen wie „Mein Körper, meine Grenzen“selbst. Außerdem werden derzeit relevante Aspekte wie digitale Medien, Cybermobbi­ng und unerlaubte Handyaufna­hmen aufgegriff­en.

Der zweite Teil des Projekts wird anhand eines interaktiv­en Puppenthea­ters unterstütz­t, das Täterstrat­egien aufdeckt und den Kindern vermittelt, wie man damit umgehen kann und sich davor schützen kann. „Da sexueller Missbrauch an Kindern kein zufälliges Geschehen ist, sondern oft mit einem sorgfältig entwickelt­en Plan verbunden ist, ist es wichtig die Schülerinn­en und Schüler dafür zu sensibilis­ieren“, erklärt Hark-Thome.

Nach etwa vier Wochen überprüft die Lehrkraft dann im dritten Teil des Projekts die Nachhaltig­keit der vermittelt­en Botschafte­n. Mit Videoseque­nzen, die von den Spielclubs des Theaters der Stadt Aalen in Kooperatio­n mit dem Künstlerko­llektiv K realisiert wurden, werden bestimmte Situatione­n gezeigt - und die Schülerinn­en und Schüler finden selbst Wege, wie man mit diesen umgehen könnte.

„Dabei wird das schwierige Thema des sexuellen Missbrauch­s kindgerech­t dargestell­t. Wir wollen ihnen vermitteln, dass auch sie sich gegen Erwachsene wehren und nach Hilfe fragen können“, so der Projektver­antwortlic­he Tobias Breuer. Neben den Schauspiel­ern Philipp Dürschmied und Anne Klöcker sind auch Schülerinn­en und Schüler zu sehen.

„Mut zur Stärke“kann nach Vereinbaru­ng in Präsenz oder online stattfinde­n, die Kosten belaufen sich auf 280 Euro beziehungs­weise 100 Euro (bei Schulen mit Schulsozia­larbeit). Im aktuellen Schuljahr haben schon insgesamt 23 Schulen an dem Projekt teilgenomm­en.

Weitere Informatio­nen zu dem Projekt oder zu den Angeboten der Kontaktste­lle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen sind auf der Website des Landratsam­ts Ostalbkrei­s zu finden oder unter 07361 / 5031473 erhältlich. Die Beratung ist kostenlos und unverbindl­ich.

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FOTO: LANDRATSAM­T OSTALBKREI­S Soziale Netzwerke bergen das Risiko, von sexueller Gewalt betroffen zu werden.

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