Aalener Nachrichten

Die „Hölle des Nordens“als privater Himmel

John Degenkolb freut sich auf das Kopfsteinp­flaster rund um Roubaix – Viele Radprofis fürchten die Tour-Etappe

- Von Christoph Leuchtenbe­rg

(SID) - Bei Kilometer 123,4 kommt John Degenkolb nach Hause. Zumindest erreicht er seine zweite Heimat. Dann biegt das Feld der Tour de France am Mittwoch auf den Kopfsteinp­flaster-Sektor ein, der seit zwei Jahren offiziell den Namen des deutschen Radstars trägt. Und wahrschein­lich wird „Dege“, der sich diesen Ritterschl­ag mit seinem grandiosen Sieg bei Paris-Roubaix 2015 verdient hat, dann trotz aller Anstrengun­g ein wenig warm ums Herz werden.

„Es gibt immer noch keine Worte, die meine Gefühle beschreibe­n. Ich konnte mir die Ehre nicht vorstellen, bei der Königin aller Klassiker meine eigene Pflasterpa­ssage mit meinem Namen zu erhalten“, sagte Degenkolb im Rückblick auf die emotionale „Taufe“vor 100 Ehrengäste­n. Kein Wunder, dass die Rückkehr auf das Terrain seines „Lieblingsr­ennens“zum Höhepunkt der achten Tour des 33-Jährigen wird. „Auf die Pflasterst­ein-Etappe blicke ich mit großer

Vorfreude“, sagt Degenkolb. Elf Kopfsteinp­flaster-Sektoren, die berüchtigt­en Paves, mit 19,4 Kilometer Gesamtläng­e warten auf dem fünften Tour-Teilstück nach Arenberg – darunter auch Degenkolbs „Privat-Pave“beim Weiler Wandignies-Hamage. Weit weniger als beim „OriginalRo­ubaix“(zuletzt 30 Sektoren über 54,8 Kilometer), aber genug, um Spezialist­en wie Degenkolb deutlich zu bevorteile­n. „Ich weiß, dass das die

Etappe ist, die wir am besten kennen“, sagt der Geraer, der nach fünf Jahren zum DSM-Team (einst GiantAlpec­in) zurückgeke­hrt ist: „Wir waren vor Ort, haben uns das angesehen. Das gehört zu unseren Hausaufgab­en – genauso wie die Kletterer die Hochgebirg­setappen kennen.“

Wenn es nach und um Roubaix geht, hat Degenkolb seine Hausaufgab­en stets erledigt, zwei seiner größten Erfolge feierte er auf den

Rumpelrout­en des nordfranzö­sischen Kohlenpott­s. Die Hölle des Nordens wurde für ihn der Himmel auf Erden. 2015 triumphier­te er in seinem besten Karriere-Jahr kurz nach seinem Mailand-Sanremo-Sieg als nach Josef Fischer (1896) zweiter Deutscher bei Paris-Roubaix. 2018 gewann Degenkolb auch die Tour-Pave-Etappe nach Roubaix. Es war sein emotionals­ter Sieg – zwei Jahre zuvor war er im Training von einer Autofahrer­in umgemäht und schwer verletzt worden, litt lange an den Folgen.

Heute, das muss man nüchtern festhalten, ist Degenkolb nicht mehr der einstige Supersprin­ter und Klassiker-Favorit, den bis dato letzten seiner 48 Profisiege feierte er 2020 bei der Luxemburg-Rundfahrt, der letzte große Coup war der TourEtappe­nsieg 2018. Doch Degenkolb hat sich neu erfunden, lotst nun die jungen Teamkolleg­en als erfahrener „Road Captain“durch die Rennen.

„Es ist eine neue Rolle für mich, aber ich freue mich auf diese Position“, sagt er. Beim Höllenritt hat der stolze Pave-Besitzer alle Freiheiten.

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FOTO: IMAGO SPORTFOTOD­IENST Für John Degenkolb wird die Rückkehr auf das Terrain seines „Lieblingsr­ennens“, Roubaix, zum Höhepunkt seiner achten Tour.

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