Kontroverse Debatte um Sozialleistungen für Flüchtlinge
Migrationsministerin Marion Gentges erntet Kritik von Kabinettskollege Manfred Lucha
(dpa) - Mit ihrer Kritik an der Ausweitung von Sozialleistungen für Geflüchtete hat sich die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) nicht nur Ärger mit der Opposition eingehandelt. Auch Landessozialminister Manfred Lucha widerspricht seiner Kabinettskollegin. „Es kommt derzeit keiner, weil Anreize durch Sozialleistungssysteme geschaffen wurden. Die Menschen sind weltweit auf der Flucht“, sagte der Grünen-Minister dem SWR. „Die kommen jetzt an, weil die Krisen- und Notherde in der Welt jetzt mehr werden.“Man müsse nach humanitären und sozialstaatlichen Gesichtspunkten Chancen gewähren und damit die Gesellschaft stärken.
Auch der SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch kritisierte Gentges. „Wer als zuständige Ministerin für Migration nichts Besseres zu tun hat, als gegen Flüchtlinge zu hetzen, hat in dieser Funktion nichts zu suchen“, twitterte er. „Und für parteipolitische Spielchen ist dieses Thema auch nicht geeignet, Frau Gentges.“Diese Menschen suchten Schutz. Zuvor hatte bereits der Flüchtlingsrat die Äußerungen der Justiz- und Migrationsministerin als
„schwere Anschuldigungen“bezeichnet, die erst einmal mit einer Quelle belegt werden müssten.
Gentges kritisiert, die Menschen kämen nicht in allen Fällen aus rein politischen Gründen nach BadenWürttemberg. „Es gibt bei uns mehr Sozialleistungen als in anderen Ländern. Und deshalb treffen wir auch häufig Menschen, die bereits in anderen Staaten Schutz gefunden hatten, die aber aus wirtschaftlichen
Gründen weitergereist sind“, hatte sie der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Der Bund habe zuletzt „Fehlanreize“durch das Ausweiten der Sozialleistungen gesetzt. Ukrainische Geflüchtete erhalten seit 1. Juni Hartz IV und können dank des sogenannten Rechtskreiswechsels auch eine eigene Wohnung anmieten und eine Arbeit aufnehmen.
Die Landkreise und Städte hatten sich der Kritik von Gentges angeschlossen. „Ohne den sogenannten Rechtskreiswechsel und die damit verbundenen höheren Sozialleistungen wären wir als Kommunen nicht jetzt vor die Situation gestellt, Notunterkünfte vorzubereiten und bereitzustellen“, hatte der Präsident des Landkreistags, der Tübinger Landrat Joachim Walter, bemängelt. Die Anziehungskraft der im europäischen Vergleich höchsten Sozialleistungen in Deutschland mache alle Versuche einer gleichmäßigen Verteilung von Geflüchteten in Europa zunichte.
Angesichts der zunehmend stärker steigenden Zahl von Flüchtlingen suchen die Städte und Gemeinden händeringend nach Wohnungen und Schlafplätzen für Tausende von Menschen. Seit dem Beginn des Kriegs im Februar sind laut Ministerium allein aus der Ukraine mehr als 115 000 Menschen nach Baden-Württemberg gekommen, von denen rund 80 Prozent privat untergebracht werden konnten.
Weitere 10 500 Menschen aus Staaten wie Syrien, der Türkei und Afghanistan sind im laufenden Jahr nach der Registrierung im Land verblieben. Insgesamt liege die im laufenden Jahr registrierte Zahl der Hilfesuchenden im Südwesten bereits über der aus dem gesamten Jahr 2015.