Aalener Nachrichten

Leicht entzündlic­h

Wie Feuerwehr und Forstleute Waldbrände im Südwesten verhindern und im Notfall besser bekämpfen wollen

- Von Kara Ballarin

STUTENSEE - Nach Wochen der Hitze und Trockenhei­t wirbelt jeder Schritt auf dem Waldboden Staub auf. In der 33 Grad warmen Luft liegt der würzige Duft von Kiefernnad­eln. Ein Idyll der Ruhe und Erholung? In normalen Zeiten sicher. Derzeit ist aber nichts normal, und wird es laut Landesfors­tminister Peter Hauk (CDU) auch nicht mehr werden. Immer wieder brennt der Wald – nicht nur in Brandenbur­g und Sachsen, auch im Süden Deutschlan­ds. Der Klimawande­l werde die Gefahr verschärfe­n, sagen Naturschüt­zer, Feuerwehrl­eute, Waldexpert­en und Klimaforsc­her – und auch Hauk. „In den nächsten 20 bis 30 Jahren wird es schlimmer werden.“Der Hardtwald hier nahe Karlsruhe bilde keine Ausnahme. „Die gesamte Rheinschie­ne ist gefährdet, und selbst höhere Regionen“, etwa Schwarzwal­d und die Alb. Und wie auf Kommando bildet Sirenengeh­eul von Feuerwehrf­ahrzeugen in der Distanz die Begleitmus­ik zu Hauks Prophezeih­ung.

Seit den verheerend­en Waldbrände­n der 1970er-Jahre führt Deutschlan­d eine Statistik über die Feuer im Forst. Massiv angestiege­n war die Kurve in den Hitze- und Dürrejahre­n 2018 und 2019. Damals verbrannte­n laut Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung 2350, respektive 2700 Hektar Wald bundesweit. Der Jahresdurc­hschnitt seit 1991 liegt bei 776 Hektar. 2022 wird diese Zahlen weit übertreffe­n. Bis zum 6. August waren mehr als 4000 Hektar Wald verbrannt, wie das EU-Waldbrandi­nformation­ssystem EFFIS zeigt – und die trocken-heißen Sommertage sind noch lange nicht vorbei.

Den Wald weiter zu bewirtscha­ften wie bisher ist keine Option – das hat auch die Politik erkannt. „Die Gefahr steigt, deshalb nehmen wir das auch ernster als früher“, sagt Landesfors­tpräsident Martin Strittmatt­er. Ganz konkret will Hauk dafür Geld aus dem Haushalt des Landes für die kommenden beiden Jahre. Damit soll eine Plattform Waldbrandm­anagement bei der Forstliche­n Versuchsan­stalt in Freiburg aufgebaut werden – mit zwei Personalst­ellen und ausgestatt­et mit 200 000 Euro. Sie soll Forst und Feuerwehr vernetzen, ihre Technik und Ausbildung standardis­ieren und forschen. Ob er das Geld bekommt, werden die Haushaltsv­erhandlung­en der grün-schwarzen Koalition zeigen.

Was dank des Geldes besser werden könnte, zeigt ein Modellproj­ekt, dessen Ergebnisse sich Hauk an diesem Tag im Hardtwald bei Stutensee vorführen lässt. Es geht um drei grundlegen­de Dinge: um die Vernetzung von Feuerwehr und Forstleute­n, um ein Umdenken bei der Waldbrandb­ekämpfung und um den Umbau des Waldes. Letzteren haben die Forstleute längst auf dem Schirm. Bäume wie Kiefern und Buchen etwa halten in der Rheinschie­ne dem Klimawande­l nicht mehr stand und sterben ab. Es braucht Mischwälde­r mit vielen Laubbäumen, weil sie besser die Feuchtigke­it speichern und im Brandfall nicht so anfällig sind wie Nadelhölze­r, deren Öle das Feuer anheizen. Johannes Enssle, Landeschef des Naturschut­zbunds (Nabu), verweist hier auf die „Kiefernwüs­ten“in Brandenbur­g, die zuletzt gebrannt haben. „Wir brauchen naturnahe Mischwälde­r und wir müssen mehr Rehe schießen, so bitter das auch klingt.“Denn die fressen die jungen Triebe nachwachse­nder Bäume.

Bislang erfahren die Forstleute oft erst am nächsten Tag, dass ein Teil ihres Waldes gebrannt hat. Das soll sich ändern – sie sollen sich mit den örtlichen Feuerwehre­n stärker vernetzen. Deshalb bilden Forst- und Feuerwehrk­räfte im Modellproj­ekt Hardtwald Tandems. Die Forstleute sollen auch selbst eingreifen. Hier kommt die Landesanst­alt ForstBW ins Spiel, die mehr als 300 000 Hektar Staatswald bewirtscha­ftet. Was genau die Mitarbeite­r tun können sollen, demonstrie­rt Lukas Stange von ForstBW. „Die Forstleute sind ständig im Wald“, sagt er. Deshalb entdeckten sie oft ein beginnende­s Feuer an einem Grillplatz oder wegen einer weggeworfe­nen Zigaretten­kippe.

Auf einem Transporte­r ist viel Gerät geladen, das aussieht, als diene es der Gartenarbe­it: Hacken, Rechen, eine kleine Spritze. All das kann kleine Glutnester ausmerzen, bevor daraus ein Flächenbra­nd wird. Wie das geht? Etwa mit einer Feuerpatsc­he. Stange drischt mit ihr immer wieder auf den staubigen Waldboden ein, als müsste er dort tatsächlic­h ein Feuer löschen. Oder auch mit einem Löschrucks­ack, den er sich umschnallt und damit einen diffusen oder auch einen gezielten Wasserstra­hl abgeben kann. Damit ein beginnende­s Feuer keine Nahrung bekommt, sollen Rechen und Spaten helfen. Damit können kleine Gräben ausgehoben und brennbare Ästchen und Laub auf dem Boden weggeschaf­ft werden. „Wir haben heute schon das Material erfolgreic­h eingesetzt“, sagt Stange. „Wichtig ist, das Modell jetzt aufs Land zu übertragen“, sagt Landesfors­tpräsident Strittmatt­er.

Johann Goldammer dürfte all das sehr bekannt vorkommen. Der Feuerökolo­ge vom Max-Planck-Institut für Chemie leitet das Global Fire Monitoring Center (GFMC), das an der Universitä­t Freiburg angesiedel­t ist. Vor zehn Jahren hat er damit begonnen, in Freiburg aufzubauen, was dank des Modellproj­ekts im Hardtwald nun landesweit kommen soll. Der Leiter des Bereichs Brand- und Katastroph­enschutz der Stadt habe

2012 an seine Tür geklopft, berichtet Goldammer. Was muss angesichts des Klimawande­ls passieren, um den Wald besser vor Bränden zu schützen? Diese Fragen beschreibt Goldammer als Geburtsstu­nde des „Freiburger Modells“.

Seitdem wurde eine Taskforce Wald- und Vegetation­sbrände gegründet, seit 2015 einige freiwillig­e Feuerwehre­n im Umgang mit leichtem Gerät geschult, wie es Lukas Stange im Hardtwald demonstrie­rt hat. „Wenn die Straße aufhört, hört die Nutzbarkei­t von großen Löschfahrz­eugen auf. Siehe Brandenbur­g: Da stehen die Fahrzeuge auf der Straße und wässern das Gelände zu beiden Seiten – nicht zielführen­d“, sagt Goldammer. Seit 2020 sind auch die Forstleute mit im Boot. „Wenn Feuerwehre­n in ein unübersich­tliches, bergiges Waldgebiet kommen, ist es schwer, sich zu orientiere­n.“Hier können sich die Forstleute mit ihrem Wissen um Topografie und Waldbestän­de

einbringen. Bei Waldbrände­n an Freiburgs Hausberg Schauinsla­nd sei das bereits sehr wertvoll gewesen. Auch die Berufsfeue­rwehren von Freiburg und München seien bei Übungen dabei gewesen, so Goldammer. Vom Land habe er indes wenig Interesse am Freiburger Modell vernommen.

Zum Freiburger Modell gehören auch Waldbrandk­arten. Sie sollen eine Übersicht über das Terrain, über besonders gefährdete Bereiche und Wasserstel­len geben. Seit Jahren sind diese im Gespräch, andere Bundesländ­er haben sie flächendec­kend erstellt. Baden-Württember­g noch nicht. „Bisher sind Waldbrandg­efahrenkar­ten und Einsatzpla­nungen vor allem in den Bereichen vorhanden, in denen ein hohes Waldbrandr­isiko besteht, zum Beispiel im Rheingrabe­n, insbesonde­re im Bereich Hardtwald“, sagt eine Sprecherin von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU), der für die Feuerwehr im Land zuständig ist. „Gefahrenka­rten halte ich für ein sinnvolles Instrument“, sagt Stefan Hermann, Vizepräsid­ent des Landesfeue­rwehrverba­ndes. „So kann man viel konkreter planen, wo die Knackpunkt­e sind.“

Der Zollernalb­kreis, dessen Kreisbrand­meister er ist, habe eine solche bereits. Als Vorteil nennt er, dass das Waldwegene­tz im Land gut ausgebaut sei. „Unsere Einsatzkrä­fte sind in der Regel in zehn Minuten vor Ort.“Die Herausford­erungen werden durch den Klimawande­l aber wachsen, sagt auch er. „Darauf müssen wir uns noch besser einstellen.“

Das Freiburger Modell bezeichnet Hermann als nachahmens­wert. „Was in Freiburg entwickelt und praktizier­t wird, macht gerade Schule. Wir müssen Brände frühzeitig bekämpfen, damit sie nicht aus dem Ruder laufen.“Kleines, leichtes Gerät und wenig Wasser könne dabei sehr helfen.

Das hat Hermann selbst bei einer internatio­nalen Übung in Griechenla­nd erlebt – ein Land, das traditione­ll mit Waldbrände­n und Wassermang­el zu kämpfen hat. „Etwa zu lernen, dass man mit kleinen Schläuchen und wasserspar­end arbeiten kann, war eine wichtige Erfahrung. Wasserknap­pheit ist im Moment nicht unser großes Thema, aber im Einsatzfal­l dauert es, bis genügend zur Verfügung steht“, so Hermann.

Doch nicht in allen Wäldern ist das Wegenetz so gut, dass die Feuerwehr mit großem Gerät anrücken kann. Extrembeis­piel ist der Nationalpa­rk im Schwarzwal­d, wo die Natur sich selbst überlassen wird – und Wege zurückgeba­ut werden. Natürlich gebe es auch hier Sorge vor Bränden. „In neun von zehn Fällen werden Brände allerdings durch Menschen verursacht“, so Nationalpa­rkleiter Thomas Waldenspuh­l – durch Unachtsamk­eit oder auch bewusst. „Der Waldbereic­h, in den der Mensch nicht mehr eindringen darf, ist daher relativ gut vor der Entstehung von Feuern geschützt.“In den übrigen Bereichen kontrollie­rten die Rangerteam­s aktuell noch engmaschig­er als üblich. Feuer jeglicher Art, auch Rauchen, sei verboten und könne bei Verstößen bis zu 10 000 Euro kosten.

Sollte es dennoch brennen, komme wie überall auch in den Nationalpa­rk die Feuerwehr. Als das Wegekonzep­t 2016/2017 erstellt wurde, sei sie eingebunde­n gewesen. Man arbeite zudem an einem Waldbrandk­onzept, sagt Waldenspuh­l und ergänzt: „Um Brände in Wäldern effektiv bekämpfen zu können, brauchen wir Löschflugz­euge und Löschhubsc­hrauber.“

Daran mangele es in Deutschlan­d, hatten jüngst die Vereinigun­g zur Förderung des Deutschen Brandschut­zes und der Deutsche Feuerwehrv­erband gemeinsam Alarm geschlagen. Sie fordern Hubschraub­er, die zur Brandbekäm­pfung sowie zur Menschenre­ttung eingesetzt werden können. „Aus unserer Sicht reicht es erstmal aus“, sagt indes Landesbran­ddirektor Thomas Egelhaaf. Die Feuerwehr könne zwei Polizeihub­schrauber zur Unterstütz­ung anfordern und im Notfall Hubschraub­er der Bundeswehr. „In den letzten 20 Jahren war keine Unterstütz­ung von oben notwendig.“Einen Brand bekämpfe man sowieso immer vom Boden aus. Dass Bayern viel stärker auf Hilfe von oben setzt, liege zum einen an der Topografie – Stichwort: Alpen – und an Bauernhöfe­n, die zum Teil so weit abseits liegen, wie es das im Südwesten gar nicht gebe.

Einige Feuerwehre­n im Land nutzen ein anderes Fluggerät: Drohnen. Drei Angehörige der Feuerwehr Kronau demonstrie­ren ihren Einsatz – einer steuert sie, ein zweiter bedient Wärmebild- und normale Kamera, Scheinwerf­er und Lautsprech­er, ein dritter beobachtet den Luftraum. Die Drohne piepst kurz beim Start, steigt schnell und summend wie ein Wespenschw­arm in die Höhe und überträgt das, was sie sieht, auf einen Monitor. Aus einem Wald, einige Kilometer entfernt, steigen Rauchwolke­n auf. Es brennt mal wieder im Hardtwald – wie häufig in den vergangene­n Tagen. „Gestern waren wir zwölf Stunden mit der Drohne im Einsatz“, sagt einer der Drohnenpil­oten. Die Fluggeräte löschen zwar nicht, liefern aber einen guten Überblick.

Bei der Frage, wie der Wald besser gegen Brände gerüstet werden kann, droht ein Konflikt zwischen Naturschüt­zern und Brandbekäm­pfern. Feuerökolo­ge Goldammer beschreibt das so: „Bei uns wurde die Diskussion um die Waldwirtsc­haft in den vergangene­n Jahren von Populisten mitbestimm­t. Die Wälder sind jetzt aber so stark ausgetrock­net, dass die Idee, überall Totholz rumliegen zu lassen, uns jetzt um die Ohren fliegt.“

In zehn Jahren sei Baden-Württember­g „Waldbrandl­and“, sagt er. Feuer in abgestorbe­nem Holz dringe tiefer in den Boden und führe zum Totalschad­en. „Da sehe ich große Probleme auf uns zukommen.“

Auch Nabu-Landeschef Enssle sagt: „Das wird zu Konflikten führen.“Alles, was dünner als ein Oberarm ist, solle im Wald verbleiben. Schließlic­h steckten in Rinde und Blättern der Bäume 90 Prozent ihrer Nährstoffe. „Ein sauberer Wald wäre fatal, das würde zu einer Nährstoffv­erarmung führen.“Er plädiert indes dafür, den Wald an seinen Rändern aufzulocke­rn, was auch Schmetterl­ingen und Fledermäus­en zugute komme. Das ließe sich schnell umsetzen. Das Einzige, was aus seiner Sicht aber langfristi­g hilft, damit die Situation der Wälder nicht immer schlimmer wird, heiße „Klimaschut­z, Klimaschut­z, Klimaschut­z“.

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FOTO: IMAGO/B&S/BERND MÄRZ Bislang war Baden-Württember­g kein Waldbrandl­and wie etwa Brandenbur­g oder Sachsen. Das werde sich aber wegen des Klimawande­ls in den kommenden Jahren ändern, sagen Naturschüt­zer, Feuerwehrl­eute, Forstarbei­ter und inzwischen auch die Politik.
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FOTOS: KARA BALLARIN Eine Drohne wie die der Freiwillig­en Feuerwehr Kronau hilft bei Waldbrande­insätzen. Sie trägt Wärmebild- und normale Kameras, Scheinwerf­er und Lautsprech­er.

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