Knapper Strom, knappes Gas
Habeck will öffentliche Gebäude nur noch auf 19 Grad heizen – Krankenhäuser und soziale Einrichtungen sind ausgenommen
BERLIN - Der Energiemangel infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zwingt auch Kommunen, Strom und Gas zu sparen. So wird vielerorts die Straßenbeleuchtung heruntergedimmt, was aber zu Problemen führen kann. Sehenswürdigkeiten wie der Kölner Dom werden bereits jetzt nicht mehr angestrahlt, und in den Rathäusern sinken im Winter die Raumtemperaturen – auch der Staat muss sich am Sparen von Strom und Gas beteiligen. Wird im öffentlichen Raum der Energieverbrauch gedrosselt, ergeben sich sogar positive Nebeneffekte. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viel Energie sollen staatliche Einrichtungen einsparen?
Eine bundesweite Vorgabe besteht bislang nicht. Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kündigte am Freitag in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“an, es solle „in öffentlichen Liegenschaften - Krankenhäuser, soziale Einrichtungen natürlich ausgenommen – nur noch auf 19 Grad geheizt werde.“
Welche Einsparmaßnahmen sind geplant?
Das reicht vom Ausschalten der Denkmal- und Straßenbeleuchtung über das Absenken der Temperaturen in Verwaltungsgebäuden und Schwimmbädern bis hin zu Überlegungen, über Weihnachten und Ostern Rathäuser dicht zu machen, um Strom und Gas zu sparen.
„Die Größenordnung, bis zu 20 Prozent Gas einzusparen, wird uns vieles abverlangen“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, dieser Zeitung. „Die Städte übernehmen Verantwortung“, versichert er. So würden viele Kommunen derzeit ihre Heizungsanlagen technisch prüfen lassen, „damit im Winter keine Energie verschwendet wird“.
Ist mit Protesten zu rechnen, wenn Kommunen die Temperaturen in öffentlichen Gebäuden auf 19 Grad herunterregeln?
Die IG Metall warnt bereits vor gesundheitlichen Risiken, wenn am Arbeitsplatz die Temperaturen zu sehr sinken. In der bundesweit für Betriebe geltenden Arbeitsstättenverordnung ist festgelegt, dass zum
Beispiel in Büros die Lufttemperatur bei „leichter, sitzender Tätigkeit“20 Grad nicht unterschreiten darf. Ausnahme von der Regel: Wird dieser Mindestwert „auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten nicht erreicht“, darf es im Büro oder in der Schule auch kälter sein. Dann wird das Tragen „geeigneter Kleidung“empfohlen.
Werden die Städte gefährlicher, wenn abends und nachts an der Beleuchtung gespart wird?
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, gibt – leichte – Entwarnung. „Natürlich muss man aufpassen, dass keine Angst-Räume entstehen, etwa indem in Unterführungen das Licht abgeschaltet wird“, sagt er. Aber Energie einzusparen, ohne damit die Sicherheit der Bevölkerung zu gefährden, sei in den Kommunen schon seit Langem ein Thema. „In Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei“würden da in der Regel gute Lösungen gefunden.
Schlösser, Kirchen und andere Wahrzeichen werden nicht mehr beleuchtet – schadet das dem Tourismus?
Nein, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Touristenverbandes, Norbert Kunz. „Eine reduzierte nächtliche Beleuchtung von Denkmälern und Schaufenstern dürfte kein ausschlaggebender Hinderungsgrund für einen Städtetrip sein“, teilt er auf Anfrage mit. Ähnlich sieht es Städtetags-Geschäftsführer Dedy. Er gehe fest davon aus, dass „die Städte sichere Orte bleiben und ihre besondere Anziehungskraft behalten“, sagt er.
Was ist mit der Weihnachtsbeleuchtung?
Hell erleuchtete Weihnachts-Wunderlandschaften – passt das zum Ziel, Strom einzusparen, um gut durch den Winter zu kommen? In Städten wie Berlin wird erwogen, die Weihnachtsbeleuchtung zumindest stark zu reduzieren. Ob Weihnachtsmärkte abgesagt werden – wie coronabedingt in den vergangenen zwei Jahren – ist nicht abzusehen. Beim Deutschen Schaustellverbund verweist man auf „zwei Jahre totalen Einnahmeausfall“und fordert: „Lasst uns unseren Job machen!“Man spüre „auf Festen gegenwärtig, wie froh die Menschen nach der Zeit der Einschränkungen und Verbote sind, wieder gesellig sein und eine Auszeit vom Alltag nehmen zu dürfen“. Im Übrigen sei die Energiekrise eher ein Gas- als ein Stromproblem. Und Gas verwende man an den Grillständen allenfalls als Propangas, „einem Abfallprodukt aus den Raffinerien“.
Der Grünen-Politiker Ströbele fordert das Ausschalten von Leuchtreklamen. Würde das etwas bringen?
Ja, denn eine Werbetafel verbraucht je nach Größe so viel Strom wie zehn bis 30 Einpersonen-Haushalte. Da die meisten Werbetafeln aber von Firmen betrieben werden, besitzen die Kommunen wenig Handlungsmöglichkeiten. Havbeck kündigte am Freitag Werbetafeln sollten nicht beleuchtet werden.
Welche positiven Effekte hätte es denn, wenn Städte dunkler würden?
„In dunklen Städte können sich Ökosysteme erholen“, sagt Hanna Mertens von Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Profitieren würden unter anderem lichtscheue, insektenfressende Tiere wie Fledermäuse und Igel. „Vögel verlieren durch nächtliches Licht die Orientierung und kollidieren beispielsweise mit beleuchteten Türmen“, erklärt Mertens. Negative Auswirkungen habe zu viel künstliches Licht auch auf Pflanzen – zum Beispiel auf Obstbäume. „Veränderte Blütezeiten und ein verspäteter Laubabwurf können zur Folge haben, dass Fröste das Gewebe schädigen und die Synchronisation der Blüten mit dem Bestäuber nicht mehr zusammenpasst“, erläutert die BUND-Expertin.
Der Vorsitzende des Vereins „Dark Sky – Initiative gegen Lichtverschmutzung“, Andreas Hänel, sieht noch einen weiteren positiven Nebeneffekt, sollte in Deutschland flächendeckend das Licht heruntergedimmt werden. „Man wird sicher mehr Sterne sehen können. Vielleicht wird es sogar möglich sein, die Milchstraße nicht nur auf dem Land, sondern von den großen Städten aus zu erkennen“, hofft er.