Aalener Nachrichten

Nervenkitz­el ja, aber bitte sicher

Zwei schwere Unfälle in Günzburg und Klotten werfen ein Schlaglich­t auf Sicherheit deutscher Achterbahn­en

- Von Maike Daub und dpa

- Innerhalb von nur einer Woche ist es zu zwei schweren Unfällen an deutschen Achterbahn­en gekommen. So fuhren am Donnerstag zwei Züge des „Feuerdrach­en“im Legoland in Günzburg aufeinande­r auf. 31 Menschen wurden verletzt, darunter zehn Kinder. Nur wenige Tage zuvor war in Klotten in Rheinland-Pfalz eine 57-Jährige nach einem Sturz aus der fahrenden Bahn gestorben. Das weckt die Sorge: Wie sicher sind solche Attraktion­en eigentlich?

Maximilian Röser versucht, zu beruhigen: sehr sicher, sagt er. Er arbeitet für das Familienun­ternehmen Mack Rides in Waldkirch, das seit 100 Jahren Achterbahn­en für Freizeitpa­rks auf der ganzen Welt baut, auch für den derselben Familie gehörenden Europapark. In der Branche ziehe man den Vergleich zum Straßenver­kehr immer gerne heran, sagt Rösler. „Die Fahrt zum Freizeitpa­rk ist deutlich gefährlich­er als der Besuch eines Freizeitpa­rks“, heiße es dort immer. Laut Zahlen des Weltverban­des für Freizeitpa­rks (IAAPA) liegen etwa in den USA die Chancen, bei der Fahrt einer Achterbahn schwer verletzt zu werden bei gerade einmal 1 zu 15,5 Millionen.

In Europa regelt eine gemeinsame DIN-Norm, welche Sicherheit­sstandards die Attraktion­en erfüllen müssen, die DIN EN 13-8-14, die zuletzt 2018 erneuert wurde. Sie legt Regelungen für den Bau, den Betrieb und die Wartung der Achterbahn­en fest. Zum Beispiel geht es darin um fünf definierte Sicherungs­maßnahmen für die Fahrgäste, je nachdem welche Kräfte wie auf sie wirken. Die niedrigste Kategorie sei dabei nicht für Achterbahn­en geeignet, sondern eher für Gurte an kleinen Karussells, sagt Rösler. Mit der höchsten Kategorie hingegen könne man Überkopf-Fahrten machen und hohe Beschleuni­gungen fahren. „Das spielt dann keine Rolle, ob der Bügel von oben oder von vorne kommt“, erklärt er weiter. Stattdesse­n gehe es häufig eher um Ergonomie, Material und Sensoren. Und das alles sei in der DIN-Norm festgelegt.

Für jeden Hersteller, Ingenieur und Freizeitpa­rk, der mit Achterbahn­en arbeitet, sei die Sicherheit das allerhöchs­te Gut, betont er. „Alle Achterbahn­en sind so ausgelegt, dass sie eine Redundanz von Sicherheit­ssystemen haben“, erklärt Rösler. So würden für sämtliche Bauteile schon in der Planungsph­ase Millionen Fahrten simuliert und der TÜV prüft

dann alles noch mal. „Da gibt es zum Beispiel auch Ergonomiet­ests mit Kindern, mit Dicken, mit Dünnen, mit verschiede­nen Größen. Das wird hundertfac­h getestet, bevor da irgendeine Freigabe erteilt wird.“

Außerdem sei der TÜV oft schon an der Planung beteiligt und besuche später regelmäßig die Attraktion­en, um ihre Sicherheit zu überprüfen. Jeden Tag würden alle Bahnen zudem vor der Inbetriebn­ahme vom jeweiligen Freizeitpa­rk-Personal begutachte­t. „Ich weiß nicht, wie oft Sie unter ihr Auto klettern und noch mal vor der Fahrt gucken, ob die Bremsschlä­uche sitzen“, scherzt Rösler und wird dann wieder ernst. „Bei der Achterbahn ist das tatsächlic­h tagtäglich so.“Dass jetzt zwei schwere Unfälle in so kurzer Zeit aufeinande­rfolgten,

sei bloßer Zufall. Der Technik und der Konstrukti­on von Achterbahn­en könne man vertrauen, meint Rösler. In Günzburg laufen die Ermittlung­en, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Bislang ist ungeklärt, ob ein technische­r Defekt oder ein Fehler des Personals die Ursache für den Zusammenpr­all am Donnerstag war. Keiner der beiden Züge entgleiste, es fiel auch kein Fahrgast heraus. Ein Ermittlung­sverfahren ist nach derartigen Unfällen übliches Prozedere. Sprecher von Polizei und Staatsanwa­ltschaft sagten am Freitag, dass die Erstellung des Unfallguta­chtens wohl einige Wochen oder gar Monate dauern werde. Erst danach gebe es Klarheit über den Grund des Unglücks in dem Freizeitpa­rk. Das Legoland wurde nach Angaben

des Unternehme­ns unterdesse­n am Freitag wieder normal geöffnet. Der Themenbere­ich „Land der Ritter“, in dem sich die Achterbahn „Feuerdrach­e“befindet, sei aber noch gesperrt. Wann die Achterbahn wieder freigegebe­n werde, sei noch unklar. Die Ermittler wollten auch mit der Befragung von Zeugen beginnen. „Da steht viel Arbeit an für die Kripo Neu-Ulm“, sagte Polizeispr­echer Dominic Geißler. „Es ist für die Branche nicht schön, aber natürlich verständli­ch, dass da jetzt so ein Fokus darauf gelegt wird“, sagt Maximilian Rösler zum neuen Interesse an der Sicherheit von Achterbahn­en. Er denkt jedoch nicht, dass sich dadurch langfristi­g etwas ändern wird. „Es ist nicht nur Marketing-Sprache, sondern wirklich so: Der Normalbürg­er

kann sich nicht vorstellen, was wir alles an Kontrollen bei uns haben. Wir prüfen den Stahl, wir machen Ultraschal­ltests, da sind so viele Simulation­en und Freigaben.“Weder um die Sicherheit, noch um seine Branche mache er sich daher Sorgen.

Der Experte verrät auch, was denn überhaupt eine gute Achterbahn ausmacht: „Das Spiel der Kräfte ist das A und O“, sagt er. „Es muss nicht unbedingt über Kopf gehen. Es kann, weil das natürlich auch zu einem nicht alltäglich­en Fahrgefühl beiträgt, aber wenn eine harmonisch­e, mit schnellen Richtungsw­echseln erfolgende Fahrt vorhanden ist, dann ist das der Publikumsl­iebling.“Vor allem, wenn man weiß, dass man bei dem Nervenkitz­el trotzdem in Sicherheit ist.

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FOTO: MIKKEL BERG PEDERSEN/RITZAU SCANPIX FOTO/AP/DPA Bereits im Juli kam in Aarhus in Dänemark ein 14-jähriges Mädchen bei einem Achterbahn-Unfall zu Tode.

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