Aalener Nachrichten

Deutschlan­ds bekanntest­er Playboy ist tot

Der Berliner Clubbesitz­er Rolf Eden ist im Alter von 92 Jahren verstorben

- Von Caroline Bock und Ulrike von Leszczynsk­i

(dpa) - Rolf Eden war ein Mann, der seinen Namen gerne in der Zeitung lesen wollte. Texte mit Überschrif­ten wie „Er hatte 3000 Frauen“heftete er in Aktenordne­rn ab. Auf diese Ordner war er stolz, egal, wie viele Frauen es nun wirklich waren. Erst im hohen Alter klang er realistisc­her, schien zu wissen, dass die Zeit natürlich langsam vorbei war. Nun ist Eden im Alter von 92 Jahren gestorben, wie seine Familie am Freitag bekannt gab. Berlin und Deutschlan­ds Talkshows verlieren mit dem Mann im weißen Anzug ein Phänomen: eine Größe im Nachtleben des alten Westens.

Mit seiner Disco „Big Eden“und zahlreiche­n Anekdoten prägte er jahrelang Berlin. Mit seinem Ruf als Playboy hat er gerne kokettiert, es war die Rolle seines Lebens. „Ich gebe einer Frau meine Karte“, sagte Eden einmal. „Wenn sie klug ist, ruft sie an.“Seinen Nachbarn im Berliner Villenvier­tel Dahlem bot sich wohl öfter ein ähnliches Bild, wie es Reporter vor Jahren bei einem Besuch sahen: Ein Sonnenstud­io-gebräunter älterer Mann bringt eine junge Frau zum Taxi vor seiner Haustür.

Eden nannte sich gern einen „Exhibition­isten“. Sein angebliche­s Programm schilderte er Journalist­en ausführlic­h: Zuerst halbtrocke­ner Sekt der Hausmarke „Rolf Eden“an der Hausbar, dann ein geklimpert­es Liedchen auf dem weißen Klavier und schließlic­h die Nacht im „Arbeitszim­mer“. So bezeichnet­e Eden sein Schlafzimm­er, über dessen Bett große Deckenspie­gel hingen.

Er führe Buch über solche Nächte, betonte er früher. Aus Angst vor Aids, als Sicherheit bei AlimenteFo­rderungen und als Bewertungs­skala

– falls die Frau wieder anrufe. Weiße Anzüge und rosa Krawatten hingen stets bereit, in der Stadt erkannte man ihn früher auch am Rolls-Royce.

„7 Kinder von 7 Frauen“: Dieser Satz gehörte zu seinem Repertoire wie Provokatio­nen in Talkshows. Doch da waren das Skandalträ­chtige und die gehauchten „Huchs“der 1950er- und 1960er-Jahre lange vorbei. Sagt man heute nicht einfach Patchworkf­amilie? Eden hörte das nicht gern. Es klang so alltäglich. Seine Kinder und Enkel sollten ihn nicht Papa und Opa nennen. „Sie müssen Rolf sagen“, sagte Eden. Alles andere sei schlecht fürs Image.

Zuletzt war es ziemlich ruhig geworden um ihn. Die Dokumentat­ion „The Big Eden“erzählte bei der Berlinale 2011 von seinem Leben. Seine Freundin Brigitte, etwa ein halbes Jahrhunder­t jünger als er, sagt darin: „Er ist in der Pubertät stecken geblieben.“Sein damals 13-jähriger Sohn

wünschte sich, es wären nicht immer „Kamerafuzz­is“um seinen Vater herum.

Regisseur Peter Dörfler machte in der Doku nicht den Fehler, Edens Fremdschäm-Aktionen aufzuliste­n, sondern zeigte auch eine wenig bekannte Seite. Eden wurde 1930 als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Die Familie floh drei Jahre später vor den Nationalso­zialisten nach Palästina. Dass seine Eltern so klug gewesen seien und Deutschlan­d schon 1933 verlassen hätten, sei ein Glück gewesen, sagte Eden einmal im Interview mit der Deutschen PresseAgen­tur. Als junger Mann war er dann 1948 Soldat im arabisch-israelisch­en Krieg in der Einheit von Jitzchak Rabin.

Als junger Musiker lebte er in Paris. Dort las er in der Zeitung, dass Berlin-Rückkehrer­n eine Prämie von 6000 Mark winkt. Eden eröffnete also in den 1950ern in der Frontstadt des Kalten Krieges seinen ersten

Jazzclub. Er etablierte Striptease­shows nach französisc­hem Vorbild, organisier­te Miss-Wahlen im Bikini, als Bikinis fast noch als Sünde galten. Als Gastronom und Discobetre­iber war er der deutschen Zeit immer ein bisschen voraus.

Eden soll mit den Rolling Stones gefeiert und mit Ella Fitzgerald getanzt haben. Einmal ließ sich eine Tänzerin in einem Eden-Lokal von einem Pferd die Kleider vom Leib ziehen. Er war ein Szenekenne­r, der morgens lange ausschlief. Wer in den 1980er-Jahren auf Klassenfah­rt in West-Berlin war, musste ins „Big Eden“am Kurfürsten­damm. „Zwei Dinge sind wichtig bei einem Lokal: die Lage. Und der Inhaber“, sagte er mal im Interview.

Im Geschäftsl­eben wusste er, wann es genug ist. Mit Mitte 70, als nach dem Mauerfall dann im Berliner Osten viel los war, zog Eden sich zurück. Sein „Big Eden“verkaufte er. Stattdesse­n konnte er von seinen Immobilien gut leben, wie er sagte. Von seinem Image mochte er nicht lassen. „Ein Playboy ist ein Mensch, der jede Sekunde seines Lebens genießt“, lautete sein Credo.

Ein Stadtmagaz­in kürte Rolf Eden einmal zum „peinlichst­en Berliner“. „Na und?“, befand er selbst im Trailer zum Film „The Big Eden“. Das sei doch eine Riesenehre. Wie Harald Juhnke oder Günter Pfitzmann stand der alternde Playboy für ein Stück altes Berlin. Mit seinen schlüpfrig­en Anekdoten, die nicht alle witzig fanden, wirkte er irgendwann wie aus der Zeit gefallen.

Als die Metoo-Zeit kam und nachhallte, war es still um ihn geworden, da war Eden schon sehr alt. Er wollte 100 Jahre alt werden. „Immer nur Glück gehabt“– so hat der Daueroptim­ist seine Biografie genannt. „So war es, das ganze Leben.“

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FOTO: TOM MAELSA/DPA Die einstige Berliner Nachtleben-Größe Rolf Eden ist tot.

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