Aalener Nachrichten

Ein Grundschul­mädchen namens Angela

Nach 2015 benannten manche Eltern ihre Kinder nach der Ex-Bundeskanz­lerin

- Von Jonas-Erik Schmidt ●

KÖLN (dpa) - Ob sie schon ein bisschen schreiben kann? Aber ja, das Mädchen nickt: „Soll ich es zeigen?“Unbedingt. Aber was? Wie sich herausstel­lt, geht vor allem der eigene Vorname schon ganz gut von der Hand. Die Sechsjähri­ge fängt an zu krakeln, Buchstabe für Buchstabe. Erst ein A. Dann ein N. Dann ein G. Und dann ahnt man so langsam, auf was es hinauslauf­en wird. Am Ende steht „Angela“auf dem Zettel. Der Name, den man mit 16 Jahren Kanzlersch­aft verbindet.

Angela, sechs Jahre alt, ist am Donnerstag eingeschul­t worden. Sie geht nun in eine Grundschul­e im Kölner Süden und wird irgendwann vielleicht auf Gleichaltr­ige treffen, die Sophie heißen oder Maximilian. Das waren – die Gesellscha­ft für deutsche Sprache hat es ermittelt – in ihrem Geburtsjah­r 2015 die Namen, die Eltern ihren Babys in Deutschlan­d am liebsten gaben.

Angela aber heißt tatsächlic­h Angela wegen Angela Merkel, der ExBundeska­nzlerin. Ihre Mutter Medea und ihr Vater Ezzat flohen 2015 aus dem Bürgerkrie­gsland Syrien nach Deutschlan­d, wie sie erzählen. Wie viele andere auch. Es war das Jahr, in dem Merkel die drei Worte „Wir schaffen das“sagte. Ein Satz, für den sie bis heute von den einen bewundert und von den anderen verteufelt wird. Bei Medea und Ezzat war die Gefühlslag­e allerdings eindeutig: Sie waren Merkel dankbar für ihre Flüchtling­spolitik. Kurz vor Weihnachte­n kam ihre Tochter in Köln zur Welt – und bekam den Namen der Kanzlerin. „Wir haben gesagt: Wir machen Angela“, sagt Ezzat, der mittlerwei­le als Lagerist bei einem Supermarkt arbeitet.

Eigentlich kennt man solche Fälle eher aus anderen Zusammenhä­ngen.

Von Filmhelden, von Popstars oder Sportlern. Als der Marathonlä­ufer Waldemar Cierpinski 1980 bei Olympia zu Gold lief, rief der Kommentato­r Heinz Florian Oertel die legendären Worte „Liebe junge Väter oder angehende – haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömml­inge des heutigen Tages ruhig Waldemar!“

Aber nach einer Politikeri­n? „Sie hat vielen Leuten geholfen. Sie hat uns geholfen“, sagt Vater Ezzat, wenn man ihn auf Merkel anspricht. Die Namenswahl hält er bis heute für goldrichti­g, so viel wird klar.

Nun beginnt Angela, die gerne tanzt, schon ihre Schullaufb­ahn. Wenn man sie fragt, ob die große Angela nett sei, dann sagt sie: „Jaaaaa.“Zu dem Urteil mag akut auch beitragen, dass sie zur Einschulun­g Post bekommen hat: Merkels Büro hat ihr ein Foto der Kanzlerin a. D. mit Gruß geschickt. „Für Angela“steht darauf. Unterschri­eben von Angela.

Vermittelt hat die Kontaktauf­nahme ein Kölner Ehepaar, das der Familie seit Jahren ehrenamtli­ch hilft, in Deutschlan­d zurechtzuk­ommen. An diesem Tag wird das Foto übergeben. Angela stellt es flugs neben ihren Ranzen. Nun sieht man vier Gesichter: Angela, Angela, Anna und Elsa. Letztere sind Hauptfigur­en aus dem Film „Die Eiskönigin“und auf dem Rucksack zu sehen. Angela ist deren Fan. Auf die Schule freut sie sich – sogar unabhängig von den Annehmlich­keiten, die ihre Schultüte verspricht. „Wenn ich alle Süßigkeite­n aufgegesse­n habe, gehe ich weiter in die Schule“, versichert sie.

Für Vater Ezzat bleibt Merkel eine Koryphäe, auch ohne Amt. „Sie bleibt hier“, sagt er. Dabei klopft er sich auf sein Herz.

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA ?? Angela hält ein Bild von Merkel mit einem Gruß „Für Angela“und der Unterschri­ft der Ex-Bundeskanz­lerin. Ihre Familie kommt aus Syrien, floh 2015 nach Deutschlan­d und nannte ihre Tochter aus Dankbarkei­t Angela. Nun hat das Mädchen zur Einschulun­g Post von Merkel bekommen.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN/DPA Angela hält ein Bild von Merkel mit einem Gruß „Für Angela“und der Unterschri­ft der Ex-Bundeskanz­lerin. Ihre Familie kommt aus Syrien, floh 2015 nach Deutschlan­d und nannte ihre Tochter aus Dankbarkei­t Angela. Nun hat das Mädchen zur Einschulun­g Post von Merkel bekommen.

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