„Wir möchten Raum schaffen für Diskussionen über Grundwerte“
Gregor Siebenkotten über die Initiative „Respekträume“und Diskussionskultur
Dr. Gregor Siebenkotten, geboren 1961 und aufgewachsen im Münsterland, Sauerland, Emsland und Rheinland. Zwei Jahre war er als Sanitäter beim DRK in Kölner sozialen Brennpunkten tätig. Gregor Siebenkotten ist Molekularbiologe und Immunologe, Erfinder und Unternehmer sowie CoGründer und, bis zu dessen Verkauf, wissenschaftlicher Leiter des Biotechnologieunternehmens Amaxa AG. Seit 2008 ist er Vorsitzender der humanitären Tereska-Stiftung. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Patente. Außerdem ist er künstlerischer Fotograf mit regelmäßigen Ausstellungen und Initiator der „Respekträume“. Im Gespräch mit Hendrik Groth erklärt Siebenkotten, was es mit diesen Räumen auf sich hat und warum diese nötig sind.
Was treibt einen ehemaligen Unternehmer und Künstler dazu, „Respekträume“zu eröffnen?
Na ja, meiner Meinung nach wollen sowohl Unternehmer als auch Künstler Ideen Gestalt werden lassen. Die Respekträume sind aus einer Kunstaktion entstanden, bei der ich mein Atelier in einen geschützten Diskussionsraum verwandelt habe. Die Aktion war eine Reaktion auf die vom Internet bzw. sozialen Medien herkommende Tendenz, sich in Blasen zurückzuziehen und andere Ansichten gar nicht mehr zuzulassen oder sie in rüdem Ton abzuwehren. Dabei werden zunehmend und – wie ich finde – leichtfertig auch demokratische und freiheitliche Grundwerte und Menschenrechte infrage gestellt.
Dagegen kann man sich aber doch wehren, oder?
Klar, kann man das. Ich habe aber den Eindruck, dass wir diese Werte so lange Zeit für so selbstverständlich gehalten haben, dass wir gar nicht mehr so genau wissen, wie wir sie mit sachlichen Argumenten verteidigen können. Deshalb reagieren wir dann häufig selbst unsachlich oder schweigen.
Sie wollen aber nicht schweigen …
Nein, wir möchten physisch und offline Raum schaffen für Diskussionen über Grundwerte: Einerseits, damit wir uns über deren Herleitung und Begründung wieder klarer werden und sie dann in kommenden Streitgesprächen besser verteidigen können. Andererseits kann der Raum selbst – je nach Ort – schon für Diskussionen über Blasengrenzen hinweg dienen.
Können Sie genauer erklären, was ein Respektraum ist? Und wo man ihn eröffnen kann?
Ein Respektraum ist ein realer, in irgendeiner Form abgegrenzter Raum, in dem Spielregeln für sachliche Debatten ausliegen oder aushängen, die für diesen Raum gelten sollen. Zusätzlich sind in dem Raum Thesen angebracht, die Diskussionen stimulieren und auf die Ebene der Grundwerte bringen sollen.
Im privaten Kreis kann ihn jeder eröffnen, es gibt eine Internetseite als Hilfe und sogar ein Kartenspiel zur Inspiration. Wer einen öffentlichen Respektraum eröffnen möchte, kann sich an die Respektraum-Initiative wenden und bekommt dann von uns Unterstützung, wie z.B. Druckvorlagen für Thesenplakate und Anleitungen für Diskussionsveranstaltungen und auch persönliche Beratung. Wir haben den Namen Respektraum für diesen Zusammenhang schützen lassen, damit er nicht missbraucht wird.
Über was genau soll im Respektraum gesprochen werden? Und wie?
Wir wünschen uns, dass die Besucherinnen und Besucher sich an Diskussionen über Grundwerte und deren Herleitungen wagen. Die Spielregeln und die persönliche Begegnung im Schutz eines realen Raumes sollen das ermöglichen und sachliche und respektvolle Diskussion fördern.
Wie muss man sich den Ablauf einer solchen Veranstaltung vorstellen?
Je nach Gegebenheit können Respekträume als Begegnungsorte für Tage oder Wochen geöffnet sein, aber eine zentrale Säule der Diskussionsförderung sind angeleitete Debatten. Bei diesen Debatten diskutiert man, nach einer Aufwärmrunde, in einer Art Speed-Dating-Format eins zu eins im Wechsel über eine Auswahl von uns vorgeschlagener Thesen. Im weiteren Verlauf können natürlich auch von den Gästen
neue Thesen vorgeschlagen werden.
Warum sollte jemand an einer Respektraum-Veranstaltung teilnehmen? Was kann sie oder er für sich mitnehmen?
Um sich auf Themen einzulassen, denen der berufliche Alltagsstress sonst wenig Raum lässt. Um interessante Gespräche zu führen, mit Menschen, mit denen man das vielleicht nicht erwartet hätte. Um den respektvollen Umgang zu erleben, der in der persönlichen Begegnung in einem geschützten Raum möglich ist. Und um vielleicht mit neuen Ideen und argumentativ gestärkt den Raum wieder zu verlassen.
Sind die Gäste des Bodensee Business Forum die richtige Zielgruppe?
Prinzipiell sind alle gesprächsbereiten Menschen unsere Zielgruppe. Ich vermute unter den Gästen des BBF eher wenige, die in radikalisierten Blasen feststecken. Insofern wäre das Ziel in dieser Gruppe vor allem die Stärkung der Argumentationssicherheit beim zukünftigen Verteidigen von demokratischen Werten und Menschenrechten.
Wer steckt hinter den Respekträumen?
Die Initiative ist ein gemeinnütziger Verein; das operative „Geschäft“wird von einem kleinen ehrenamtlichen Team gemanagt, dem ich auch angehöre. Bei Entwicklung, Aufbau und Veranstaltungen hatten und haben wir weitere tatkräftige Unterstützung, unter anderem von Theatermacherinnen.