Umschwung mit Wiersma
Turner erreichen auch dank ihres Trainers das Finale
(SID) - Neuer Trainer, frischer Wind und gute Stimmung – die deutschen Kunstturnerinnen und Chefcoach Gerben Wiersma durften sich nach der gelungenen EM-Premiere in München als Gewinner fühlen. Und wohl auch der Deutsche Turner-Bund (DTB), der mit der Verpflichtung des Niederländers durchaus ins Risiko gegangen war.
Denn der 44-Jährige war einst in seinem Heimatland wegen „grenzüberschreitenden Verhaltens“zeitweise suspendiert worden. Daher wurde der Nachfolger der langjährigen Cheftrainerin Ulla Koch nicht nur mit Beifall begrüßt. „Leistung mit Respekt?“– das traute Wiersma nicht jeder zu.
Doch derlei Bedenken sind vorerst vom Tisch. „Unter dem neuen Trainer achten wir beim Training mehr aufeinander, nehmen mehr Rücksicht“, berichtete die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz. Und auch Kim Bui äußerte sich schon vor ihrem achten Platz bei den European Championships im Mehrkampf positiv: „Wir Athletinnen wurden am Entscheidungsprozess beteiligt. Der Trainer geht reflektiert mit seiner Vergangenheit um.“
Und ist scheinbar gewillt, seine zweite und sicherlich letzte Chance zu nutzen. Ein tägliches Teamgespräch, ein regelmäßiger „Stuhlkreis“des gesamten Staff – so fördert Wiersma das Gemeinschaftsgefühl. Er bringt Bui (33) mit der 15 Jahre jüngeren Emma Malewski zusammen und konnte auch die eher eigenwillige Pauline Schäfer-Betz besser in die Riege integrieren.
Daher war es auch der Teamgeist, der das Quintett nach einem suboptimalen Start in der Qualifikation vor einem frühen Absturz bewahrte. Wiersma: „Es ist nicht leicht, einen Wettkampf morgens am Schwebebalken zu beginnen. Aber ich bin stolz darauf, wie die Mädchen sich zurückgekämpft haben.“
Am Ende stand ein vierter Platz – was nichts anderes heißt, dass eine Medaille am Samstag (14 Uhr) im Teamfinale keine Utopie ist. „Wir wollen darüber nicht sprechen, aber wir haben noch Potenzial nach oben. Wenn wir uns noch ein bisschen steigern, dann ist alles offen“, sagte Schäfer-Betz.
Schließlich war die Chemnitzerin, ebenso wie Bui, schon einmal ganz nah dran an der ersten deutschen EM-Teammedaille. 2014 in Sofia wurde man Vierter, direkt hinter den Russinnen. Und die dürfen wegen des Angriffskriegs in der Ukraine bekanntlich diesmal nicht an den Start gehen.