So können Beschäftigte Überstunden ausgleichen
Arbeit nur gegen Vergütung, sollte man meinen – Doch es gibt einige Schlupflöcher für Vorgesetzte
Sobald das Überstundenkonto sich füllt, stellt sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Frage, wie sie es am besten wieder leeren: Möchten sie mehr Freizeit oder lassen sie sich auszahlen? Und: Steht es ihnen überhaupt zu? Klare Richtlinien gibt es nicht, aber umso mehr Schlupflöcher für Vorgesetzte.
Für Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg, gilt grundsätzlich die simple Gleichung: Arbeit nur gegen Vergütung – das zählt auch bei zusätzlicher Arbeit. Das folgt aus Paragraf 612 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wo es heißt: „Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“Außerdem ist die Regelung im Transparenzgebot festgelegt, wonach im Arbeitsvertrag vereinbarte „pauschale Geltungsklauseln unvereinbar und unwirksam“sind, so Markowski.
Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen heißt das: Sie können manchen Formulierungen widersprechen. Laut Markowski fallen darunter Klauseln, nach denen „erforderliche Überstunden“mit dem monatlichen Entgelt abgegolten sind. Genauso zählen dazu Formulierungen im Arbeitsvertrag, die Beschäftigten
„für Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung“zugestehen. Schwammige Klauseln sind aber ohnehin die Ausnahme. Meist würden Arbeitgeber Überstunden mit dem regulären Stundenlohn vergüten, sagt Markowski. „Je nach Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann es auch noch Überstundenzuschläge geben.“Gibt es in Unternehmen einen Betriebsrat, müsse dieser Überstunden zunächst zustimmen.
Ein paar Tricks, um diese Regelungen zu umgehen, gibt es aber laut
Jürgen Markowski dennoch. Geht aus einem Arbeitsvertrag etwa transparent hervor, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang erfasst werden sollen, sind sie laut ständiger BAG-Rechtsprechung zulässig. Ist also im Arbeitsvertrag vereinbart, dass mit dem Gehalt eine bestimmte Anzahl von Überstunden abgegolten sein soll, muss der Arbeitgeber sie nicht zusätzlich vergüten. Von solchen Verträgen sollte man aus Sicht des Arbeitsrechtlers die Finger lassen. Es lege den Verdacht nahe, dass durch Zwangsüberstunden Personal eingespart wird.
Bleibt die Frage: Wie viele Überstunden sind überhaupt erlaubt? Laut Markowski ist das individuell geregelt. In einem Tarifvertrag sind häufig Obergrenzen vermerkt. Ohne Tarifvertrag gilt das Arbeitszeitgesetz, das täglich maximal zehn Arbeitsstunden und insgesamt 60 Wochenstunden vorsieht. Aber auch eine Betriebsvereinbarung lege oft Grenzen fest. Läuft das Überstundenkonto langsam voll, haben Arbeitnehmer die Wahl: Lassen sie sich in Geld oder Zeit auszahlen? Markowski rät – sofern im Arbeitsvertrag festgelegt – zum Freizeitausgleich.
Darüber hinaus gibt es auch Beschäftigte, die gar keine Überstunden leisten müssen. Darunter fallen Schwerbehinderte, werdende und stillende Mütter und Jugendliche.
Finden sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ungewollt in einem Arbeitsumfeld wieder, in dem Überstunden zum guten Ton gehören, empfiehlt Markowski, diese zu notieren und die Erwartungshaltung nicht allzu lange zu erfüllen. „Wer ständig Überstunden macht, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, lässt sich über den Tisch ziehen“, sagt er. Ändert sich daran nichts, sei es ratsam, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen. (dpa)
„Wer ständig Überstunden macht, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, lässt sich über den Tisch ziehen.“Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht