Aalener Nachrichten

So können Beschäftig­te Überstunde­n ausgleiche­n

Arbeit nur gegen Vergütung, sollte man meinen – Doch es gibt einige Schlupflöc­her für Vorgesetzt­e

- Von Brigitte Mellert

Sobald das Überstunde­nkonto sich füllt, stellt sich für Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er die Frage, wie sie es am besten wieder leeren: Möchten sie mehr Freizeit oder lassen sie sich auszahlen? Und: Steht es ihnen überhaupt zu? Klare Richtlinie­n gibt es nicht, aber umso mehr Schlupflöc­her für Vorgesetzt­e.

Für Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Offenburg, gilt grundsätzl­ich die simple Gleichung: Arbeit nur gegen Vergütung – das zählt auch bei zusätzlich­er Arbeit. Das folgt aus Paragraf 612 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­s (BGB), wo es heißt: „Eine Vergütung gilt als stillschwe­igend vereinbart, wenn die Dienstleis­tung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“Außerdem ist die Regelung im Transparen­zgebot festgelegt, wonach im Arbeitsver­trag vereinbart­e „pauschale Geltungskl­auseln unvereinba­r und unwirksam“sind, so Markowski.

Für Arbeitnehm­er und Arbeitnehm­erinnen heißt das: Sie können manchen Formulieru­ngen widersprec­hen. Laut Markowski fallen darunter Klauseln, nach denen „erforderli­che Überstunde­n“mit dem monatliche­n Entgelt abgegolten sind. Genauso zählen dazu Formulieru­ngen im Arbeitsver­trag, die Beschäftig­ten

„für Über- und Mehrarbeit keine weitergehe­nde Vergütung“zugestehen. Schwammige Klauseln sind aber ohnehin die Ausnahme. Meist würden Arbeitgebe­r Überstunde­n mit dem regulären Stundenloh­n vergüten, sagt Markowski. „Je nach Arbeitsver­trag oder Tarifvertr­ag kann es auch noch Überstunde­nzuschläge geben.“Gibt es in Unternehme­n einen Betriebsra­t, müsse dieser Überstunde­n zunächst zustimmen.

Ein paar Tricks, um diese Regelungen zu umgehen, gibt es aber laut

Jürgen Markowski dennoch. Geht aus einem Arbeitsver­trag etwa transparen­t hervor, welche Arbeitslei­stungen in welchem zeitlichen Umfang erfasst werden sollen, sind sie laut ständiger BAG-Rechtsprec­hung zulässig. Ist also im Arbeitsver­trag vereinbart, dass mit dem Gehalt eine bestimmte Anzahl von Überstunde­n abgegolten sein soll, muss der Arbeitgebe­r sie nicht zusätzlich vergüten. Von solchen Verträgen sollte man aus Sicht des Arbeitsrec­htlers die Finger lassen. Es lege den Verdacht nahe, dass durch Zwangsüber­stunden Personal eingespart wird.

Bleibt die Frage: Wie viele Überstunde­n sind überhaupt erlaubt? Laut Markowski ist das individuel­l geregelt. In einem Tarifvertr­ag sind häufig Obergrenze­n vermerkt. Ohne Tarifvertr­ag gilt das Arbeitszei­tgesetz, das täglich maximal zehn Arbeitsstu­nden und insgesamt 60 Wochenstun­den vorsieht. Aber auch eine Betriebsve­reinbarung lege oft Grenzen fest. Läuft das Überstunde­nkonto langsam voll, haben Arbeitnehm­er die Wahl: Lassen sie sich in Geld oder Zeit auszahlen? Markowski rät – sofern im Arbeitsver­trag festgelegt – zum Freizeitau­sgleich.

Darüber hinaus gibt es auch Beschäftig­te, die gar keine Überstunde­n leisten müssen. Darunter fallen Schwerbehi­nderte, werdende und stillende Mütter und Jugendlich­e.

Finden sich Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen ungewollt in einem Arbeitsumf­eld wieder, in dem Überstunde­n zum guten Ton gehören, empfiehlt Markowski, diese zu notieren und die Erwartungs­haltung nicht allzu lange zu erfüllen. „Wer ständig Überstunde­n macht, ohne dafür eine Gegenleist­ung zu erhalten, lässt sich über den Tisch ziehen“, sagt er. Ändert sich daran nichts, sei es ratsam, sich einen neuen Arbeitgebe­r zu suchen. (dpa)

„Wer ständig Überstunde­n macht, ohne dafür eine Gegenleist­ung zu erhalten, lässt sich über den Tisch ziehen.“Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht

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